100. Todestag Pius’ X.: „Österreichischer Papst“ geehrt

Das Päpstliche Komitee für historische Wissenschaften widmet dem Pontifikat von Pius X. (1903 bis 1914) einen Studientag. Pius X., Giuseppe Melchiorre Sarto, wird von manchen Historikern „österreichischer Papst“ genannt.

Der Titel des Gelehrtenkongresses am 12. Juni in Rom lautet „Heiliger Pius X. - ein Reformpapst vor den Herausforderungen des neuen Jahrhunderts“, wie der Vatikan am Dienstag mitteilte. Anlass ist der 100. Todestag des Papstes am 20. August und das Jubiläum der Heiligsprechung: Pius X. wurde vor 60 Jahren, am 29. Mai 1954, kanonisiert. Unter Kirchenhistorikern gilt er als vielschichtige Persönlichkeit, die für einen strikten Antimodernismus wie für innerkirchliche Reformen steht. Besonderes Interesse widmete die Forschung auch seiner Haltung bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

Komitee gegen Vorurteile

Das 1954 gegründete päpstliche Komitee hat die Aufgabe, das historische Erbe der Kirche im Kontext der internationalen Geschichtswissenschaften aufzuarbeiten und dabei Klischees und Vorurteile abzubauen. Es besteht aus rund 25 Forschern aus aller Welt. Präsident des Komitees ist der französische Prämonstratenser P. Bernard Ardura.

Papst Pius X.

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Papst Pius X.

Pius X. (Giuseppe Melchiorre Sarto) wird von manchen Historikern auch als „österreichischer Papst“ bezeichnet, weil er 1835 im damals noch zur Habsburgermonarchie gehörenden Venetien geboren wurde. Sarto war viele Jahre Dorfpfarrer, avancierte 1884 zum Bischof von Mantua und wechselte 1893 als Patriarch und Kardinal nach Venedig.

Sarto galt als tiefreligiös, pastoral, humorvoll, er besaß Organisationstalent - und keine politische Ambitionen. Als Pfarrer und Bischof förderte er die Glaubensunterweisung, kümmerte sich um die Priesterausbildung und setzte sich für eine würdige Feier des Gottesdienstes und der Sakramente ein. Diese Anliegen setzte er auch als Papst für die Weltkirche um.

Erstkommunion für Kinder eingeführt

Pius X. verstand sich in erster Linie als Seelsorger, ihm ging es um die innerkirchliche Erneuerung. Er leitete viele Reformen ein und ordnete die Kurie neu. Der Papst gab der Liturgie neue Impulse, kümmerte sich um die Kirchenmusik, empfahl wieder den Gregorianischen Choral. Er setzte im sakramentalen Leben neue Impulse, riet zum häufigeren Kommunionempfang, führte die Erstkommunion für Kinder ein.

Pius X. erließ Richtlinien für die Seminarien und die Priesterausbildung, er förderte das Bibelstudium durch die Gründung des Bibelinstituts in Rom. Das neue Kirchenrecht wurde zwar erst 1917 unter seinem Nachfolger Benedikt XV. erlassen, im wesentlichen entstand es aber in seinem Pontifikat.

Der Politik abgeneigt, sah Pius X. die diplomatischen Bemühungen seines Vorgängers Leo XIII. angesichts des antiklerikal-laizistisch-nationalistischen Zeitgeistes für gescheitert an. Daher wollte er sich auf die innerkirchlichen Probleme konzentrieren: Vertiefung des religiösen Lebens, Reinhaltung der Lehre, bessere Anpassung der Kirche an die missionarischen Erfordernisse. Sein zentrales Anliegen war die christliche Erneuerung der Gesellschaft („instaurare omnia in Christo“) durch religiöse Reform.

Umstrittenes Pontifikat

Die Bewertung seines Pontifikats ist bis heute umstritten: Von den einen als unbeirrbarer Verteidiger der Orthodoxie und der Rechte der Kirche gerühmt, wird er von anderen vor allem als ein Mann der Negation, der Starrheit und der Verurteilungen gekennzeichnet. Seine Haltung der „katholischen Verteidigung“ zeigte sich auf kirchenpolitischem, sozialem und wissenschaftlichem Gebiet.

Im kirchenpolitischen Bereich kam es zu schweren Spannungen mit Frankreich - wegen der 1905 eingeführten Trennung von Kirche und Staat -, mit dem wilhelminischen Deutschland, mit Russland und mit den USA. So weigerte sich der Papst, Präsident Theodore Roosevelt zu empfangen.

Skepsis gegenüber Demokratie

Mit Portugal und Spanien kam es zum offenen Bruch, als dort die antiklerikalen Verfolgungsmaßnahmen gegen die Kirche einsetzten. Auf sozialem Gebiet wandte sich der Papst - obwohl ein Freund der Armen - gegen die neuen christlich-sozialen Parteien in Italien und Frankreich. Im Vatikan überwog zu diesem Zeitpunkt noch die Skepsis gegenüber der Demokratie.

Auf theologisch-wissenschaftlichem Gebiet ging Pius X. energisch gegen den sogenannten Modernismus vor. Er fürchtete, dass eine Anpassung der kirchlichen Lehre an moderne Geistesströmungen zu einem Verlust zentraler christlicher Werte führen könnte.

Die „Modernismus“-Krise

Die Auseinandersetzung mit dem sogenannten „Modernismus“ sollte sein ganzes Pontifikat überschatten. In der Enzyklika „Pascendi Dominici gregis“ von 1907 verurteilte Pius X. die modernistische Bewegung als „Sammelbecken der Häresien“. Im Dekret „Lamentabili“ aus dem gleichen Jahr - als „neuer Syllabus“ nach jener von 1864 ausgesprochenen Ächtung bezeichnet - verurteilte er 65 exegetische und dogmatische Thesen. Um solche Strömungen vom Klerus fernzuhalten, verlangte er ab 1910 von jedem Priesteramtskandidaten den Antimodernisten-Eid, der in dieser Form bis 1967 galt.

Partiell nahm die Auseinandersetzung mit dem Modernismus Züge einer „Hexenjagd“ an; über jeden Verdacht erhabene Kirchenleute gerieten ins Visier mehr oder minder selbsternannter „Inquisitoren“. Im Sommer 1914 versuchte der Papst mit aller Kraft, den Ausbruch des drohenden Krieges zu verhindern. In einem Apostolischen Brief vom 2. August rief er alle Katholiken zum Gebet gegen die schreckliche Tragödie eines Krieges auf.

Pius XII. sprach den Papst, der schon zu Lebzeiten im Ruf der Heiligkeit stand, 1951 selig und drei Jahre später heilig. Seine sterbliche Hülle ruht in einem Glassarg im Petersdom.

religion.ORF.at/KAP