Irisches Massengrab: Kirche hat „keine Akten“

Die katholische Kirche in Irland hat nach eigenen Angaben keine Akten über den Verbleib von in einem Massengrab gefundenen 800 Kinderleichen. Die Kinder sollen vor Jahrzehnten in einem kirchlichen Heim gestorben sein.

Da das betreffende Heim für ledige Mütter und deren Kinder vom Frauenorden der Bon-Secours-Schwestern und nicht von der Diözese geführt wurde, gebe es „keine Dokumentation in unseren Archiven“, zitiert der Sender BBC (Donnerstag) Erzbischof Michael Neary von Tuam. Alle relevanten Akten des Heims seien 1961 an die Verwaltung der Grafschaft Galway und die Gesundheitsbehörde übergeben worden.

Neary gab sich schockiert und betroffen über die Enthüllung: „Ich bin entsetzt und traurig über die große Zahl der gestorbenen Kinder“, sagte er der BBC. Dies deute auf eine Zeit großer Leidens und Schmerzen für die Kleinen und deren Mütter hin, so der Erzbischof.

Schon vor 30 Jahren entdeckt

Das Massengrab war schon vor mehr als 30 Jahren entdeckt worden. Bewohner der Region dachten lange Zeit, es handle sich um Opfer der irischen Hungersnot des 19. Jahrhunderts. Erst kürzlich fand die Historikerin Catherine Corless Belege für deren tatsächliche Herkunft. Der Fall soll weiter untersucht werden. Experten sagten dem irischen Fernsehsender RTE, die Todesursachen der Kinder ließen sich auch heute noch feststellen. Die Kinder sollen zwischen 1921 und 1965 gestorben sein.

Eingang zum ehemaligen Heim in Tuam, Galway County in Irland

Reuters/Stringer

Eingang zum ehemaligen Heim in Tuam, Galway County in Irland

„Würdiges Begräbnis“

Das Heim in Tuam war laut BBC eine von zehn Einrichtungen in Irland, in denen insgesamt rund 35.000 ledige Mütter, „gefallene Frauen“, untergebracht wurden. Zum Teil mussten sie dort Zwangsarbeit verrichten. Die „Magdalene Laundries“ (Wäschereien für „Sünderinnen“) machten vor einigen Jahren international Schlagzeilen und wurden auch als Filmstoff („Philomena“ mit Judi Dench 2013) verarbeitet. Die Kinder „gefallener Mädchen“ wurden den Müttern in der Regel weggenommen und viele an andere Familien weitergegeben.

Das Heim hatte einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“, Mittwoch-Ausgabe) zufolge einen schlechten Ruf: viele Kinder sollen wegen Unterernährung und Vernachlässigung sowie Tuberkulose gestorben sein. Die Leichen der toten Kinder wurden in eine nicht mehr benutzte Klärgrube geworfen, keines von ihnen erhielt einen Grabstein. „Wenn man sich die Zahlen ansieht, dann starben jede Woche zwei Babys in dem Heim“, sagte die Historikerin Corless laut „SZ“.

Erzbischof Neary kündigte an, nachträglich für „ein würdiges Begräbnis“ der Kinder sorgen zu wollen und voll mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Es liege jedoch vor allem an den Bon-Secours-Schwestern, „ihre Verantwortung wahrzunehmen“. Der Parlamentskandidat für Tuam, Colm Keaveney (Fianna Fail), nannte den durch die Identifizierung der Kinderleichen bekannt gewordenen Fall einen „Skandal großen Ausmaßes“.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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