Irak: Fast alle Christen aus Mossul geflohen

Die große Mehrheit der zuletzt 1.200 christlichen Familien von Mossul hat die von der islamistischen ISIS-Miliz am Montag überrannte nordirakische Metropole verlassen.

Viele Priester und Ordensleute, aber auch Erzbischof Amel Schamon Nona, seien in die Ebene von Ninive geflohen, insbesondere in die Dörfer Karamles und Tilkif. Das berichtete der vatikanische „Fides“-Pressedienst am Freitag. Der Bericht fasst eine Lagebeschreibung Nonas zusammen.

Die Mehrheit der Hunderttausenden Flüchtlinge aus Mossul seien allerdings nicht Christen, sondern Muslime, so Nona. Zu den Berichten über gezielte Angriffe auf Kirchen sagte er, dies seien Falschmeldungen. Die Zerstörung der halbfertigen armenischen Kirche hänge damit zusammen, dass sie in unmittelbarer Nachbarschaft eines Militärstützpunkts stehe. Viele in Mossul gebliebene Stadtbewohner setzten aktuell gewisse Hoffnungen in die Islamisten, damit diese für Ordnung sorgten und Plünderern keine Chance böten.

Familie vor Flüchtlingszelten

APA/EPA/STR

Flüchtlinge in einem Camp nahe Mossul

Papst und Weltkirche um Hilfe gebeten

Auch die vatikanische Ostkirchenkongregation gab am Freitag einen Bericht zur Lage im Irak heraus. Demnach hätten die Christen Papst Franziskus und die Weltkirche um Hilfe und geistliche Solidarität gebeten. Erzbischof Nona habe dem Vatikan zugesichert, dass er Kirchen, Schulen und sonstige Einrichtungen in den Dörfern für Flüchtlinge aller Religionen offen halte und zur Verfügung stelle.

Kardinal Leonardo Sandri, Präfekt der Ostkirchenkongregation, telefonierte laut Bericht mit Nona und seinem syrisch-katholischen Amtsbruder Johanna Petros Moshe. In Mossul seien „in diesen tragischen Stunden Christen und Muslime zur Flucht aus ihren Häusern und ihrer Stadt gezwungen, um zu überleben“, so der Bericht.

Patriarch: „Nicht verängstigen lassen!“

Gleichzeitig bestärkte die Kongregation den in Bagdad residierenden Chaldäischen Patriarchen Louis Raphael Sako, der sich seit seiner Wahl vor gut einem Jahr auf vielerlei Weise für einen Dialog und eine nationale Aussöhnung eingesetzt habe.

Sako hatte am Donnerstag dazu aufgerufen, sich von den sektiererischen Unruhen, die das Land erschütterten, nicht verängstigen zu lassen. „Wir glauben“, so der Patriarch wörtlich, „dass eine Regierung der Nationalen Einheit die beste Lösung für diese Art von Problemen wäre, da sie zu einer Konsolidierung der staatlichen Kontrolle und des Rechtsstaates beitragen würde, damit das Land, die Bürger und ihr Eigentum geschützt werden und die Einheit des Landes erhalten bleibt“.

„Christen verlieren Vertrauen in ihr Land“

In der aktuellen Situation wisse man gar nicht genau, was alles passiere und noch passieren werde, berichtete der Sprecher des Patriarchen, Albert Hisham, gegenüber Radio Vatikan. Die Armee und die Polizei seien aus der Provinz Ninive geflohen, der Staat habe die Kontrolle verloren.

„Wir haben alle diese Angst: Was wird die Zukunft des Irak und der Christen im Irak sein? Mit diesen Ereignissen, die sich immer und immer wiederholen, verlieren die Christen das Vertrauen in ihr Land, in die Regierung“, so Hisham. „Der Appell des Patriarchen richtet sich an alle, die etwas unternehmen wollen, die vorangehen wollen mit dem Projekt der nationalen Einheit des Landes, damit wirklich alle in einem Klima der Geschwisterlichkeit leben können.“

religion.ORF.at/KAP

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