Lage der Christen im Nordirak dramatisch

Der Vormarsch der islamistischen ISIS-Miliz im Nordirak versetzt die in der Region lebenden Christen in Angst. Papst Franziskus bezeichnete die gegenwärtige Situation schlimmer als unter Kaiser Nero.

Große Sorge über die hohe Zahl an verfolgten und getöteten Christen hat Papst Franziskus am Montag geäußert. Die Gewaltwelle gegen Christen sei heute noch schlimmer als in der Zeit des Frühchristentums, erklärte der Papst bei seiner Frühmesse im Vatikan zum kirchlichen Gedenktag für die sogenannten Protomärtyrer. Der Papst zog dabei einen Vergleich zur Christenverfolgung im Jahr 64, als Kaiser Nero viele Christen auf dem Vatikanhügel hatte umbringen lassen.

Zwei Nonnen und drei Waisenkinder entführt

Nach einem Bericht des deutschen Diözesancaritas-Verbands Essen wurden die beiden letzten zurückgebliebenen Ordensschwestern zusammen mit drei Waisenkindern aus einem Waisenhaus nahe der Kathedrale entführt. Die Ordensschwestern hätten die ganze Zeit dort ausgeharrt, um die Kinder nicht zu verlassen, berichtete der Irak-Beauftragte des Caritas-Verbandes, Rudi Löffelsend, am Sonntag im deutschen Essen unter Berufung auf syrisch-katholische Priester vor Ort.

Ein Flüchtlingslager des UNHCR für irakische Flüchtlinge

Reuters/Stringer

Flüchtlingslager des UNO-Hilfswerks UNHCR in Erbil in der Region Kurdistan im Irak

Karakosch-Flüchtlinge kehren zurück

Unterdessen kehren nach Angaben von Löffelsend immer mehr Christen in die Stadt Karakosch zurück, die zuvor von radikalen sunnitischen ISIS-Kämpfern mit schweren Granaten beschossen worden war. Daraufhin waren fast 40.000 Christen geflüchtet.

Die kurdische Regierung und christliche Organisationen hätten Busse gestellt, um eine Rückkehr zu ermöglichen, so Löffelsend nach einem Telefongespräch mit dem Erzbischof von Mossul, Yohanna Mouche, der in Karakosch ausgeharrt hatte. Vor allem aus Erbil kehrten die Flüchtlinge zurück, auch wenn es in Karakosch zurzeit keine Strom- und Wasserversorgung gebe. Ein großer Teil der zuvor in Karakosch lebenden Christen sind Flüchtlinge, die entweder schon vor einigen Jahren aus Zentral- und dem Südirak dorthin gegangen sind. Betroffen seien aber auch die letzten Christen aus Mossul, die erst vor zwei Wochen geflüchtet waren.

Hunderttausende auf der Flucht

Sowohl kurdische Peschmerga-Kämpfer als auch christliche Milizen könnten den Vormarsch der ISIS-Truppen nicht aufhalten, sagte Mouche. Hunderttausende seien auf der Flucht, litten unter der extremen Hitze mit Temperaturen von bis zu 50 Grad im Schatten und großem Wassermangel, erklärte Barbara Wiegard von Misereor vom deutschen „Bündnis Entwicklung Hilft“. Das Bündnis ist ein Zusammenschluss von sieben Hilfsorganisationen. Die Essener Caritas kündigte weitere Hilfe für die Menschen im Irak an. Insgesamt stünden rund 70.000 Euro zur Verfügung. Der Einkauf der Hilfsgüter erfolge in Kurdistan selbst, so dass nur geringe Transportkosten anfallen.

Unterdessen häufen sich Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen nicht nur von den sunnitischen ISIS-Kämpfern sondern auch von schiitischen Milizen und irakischen Regierungstruppen. Laut Amnesty International gibt es glaubhafte Beweise dafür, dass allein in der nordwestirakischen Stadt Tal Afar in der Nacht zum 15. Juni rund 50 sunnitische Häftlinge offenbar aus Rache für den Vormarsch von ISIS ohne Gerichtsurteil exekutiert wurden.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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