Irak: Brandmal „N“ wird zum Solidaritätszeichen

Der arabische Buchstabe „N“, mit dem christliche Häuser im Irak von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) gebrandmarkt wurden, hat sich im Internet zu einem Zeichen der Solidarität entwickelt.

Am 20. Juli teilte der US-Amerikaner Jeremy Courtney ein Bild auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, das seither um die Welt geht. Auf dem Bild hat er seine Hand zu einer Faust geballt und in roter Farbe ein Zeichen darauf gemalt: Den arabischen Buchstaben „Nun“, die Entsprechung des lateinischen „N“.

Wenige Tage zuvor hatten die IS-Terroristen den Christen in der nordirakischen Stadt Mossul ein Ultimatum gestellt. Sie sollten entweder zum Islam konvertieren, Schutzgeld zahlen oder flüchten. Ansonsten würden sie getötet. Häuser und Geschäfte von Christen wurden mit einem roten „N“ für „Nazarener“, also Christen, markiert. Nach Ablauf des Ultimatiums nahm IS viele der Häuser in Beschlag. Seither gibt es laut Berichten von Hilfsorganisationen keine Christen mehr in Mossul.

Twitter-Meldung von Jeremy Courntey mit Bild, auf dem er ein arabisches "N" auf seine Hand gemalt hat

ORF/Screenshot

Jeremy Cournteys Tweet vom 20. Juli

„Wir sind Nazarener“

Courtney, der im Irak mit seiner Entwicklungshilfeorganisation „Preemptive Love Coalition“ Kindern überlebenswichtige Herzoperationen ermöglicht, wollte mit dem Bild und dem Hashtag „WeAreN“ („Wir sind N“) auf das Vorgehen gegen die irakischen Christen aufmerksam machen. Seither kommen immer mehr Solidaritätsbekundungen aus der ganzen Welt. Auf vielen Twitter- und auch Facebook-Accounts ist das arabische „N“ derzeit als Profilbild zu sehen.

Einer der ersten, am 22. Juli, war der offizielle Twitter-Account der anglikanischen Kirche von England. „Wir ändern unser Bild, um uns hinter jene zu stellen, die Solidarität mit den verfolgten Christen in Mossul zeigen #WeAreN“, lautete die Botschaft der Kirche. Die deutsche „Welt“ berichtete am Donnerstag, dass in Deutschland bereits „Tausende“ dieses kleine Zeichen der Solidarität gesetzt hätten.

Andere Gruppen ausgeblendet

Courtney selbst schrieb in einem Gastkommentar für die Online-Ausgabe das amerikanische christliche Magazin „Sojourners“, dass er zunächst von der Welle der Solidarität ermutigt gewesen sei, die er ausgelöst hatte, diese allerdings inzwischen kritischer sieht. Er fürchte, sie gehe nicht annähernd weit genug.

Sein Appell sei nicht nur als Solidaritätsakt mit irakischen Christen gemeint, so Courtney, sondern auch mit allen anderen Minderheiten im Irak. „Bei #WeAreN ging es mehr um die Brandmarkung von Christen, und weniger um die Brandmarkung von Christen“, schreibt er. Denn eigentlich sei die Welle der Solidarität von Muslimen ausgegangen, die selbst unter IS leiden und erkannt hätten, dass sie die nächsten sein könnten.

„Sirene“ statt „Leuchtturm“

Die Bedeutung dieses Zeichens von Muslimen für Christen sei nicht zu überschätzten. „Irakische Muslime haben gesagt, dass sie Christen sind - nicht weil sie konvertiert sind, sondern weil sie sich selbst in ihren christlichen Nachbarn gesehen haben“, schreibt Courtney. „Wir im Westen dagegen wollen mit dem Projekt Irak weitgehend nichts mehr zu tun haben und überlassen Muslime wie Christen ihrem Schicksal.“

Seine Intitiave sei als „Leuchtturm“ gedacht gewesen, der „zu den Ufern der Humanität“ zurückführt, allerdings für alle Bevölkerungsgruppen, die unter IS litten, so Courtney, nicht nur für Christen. „Stattdessen ist sie durch Avatare und Artikel, die das Leiden unserer Gruppe unter Ausschluss des Leidens anderer betonen, zu einer Sirene geworden, die unser Schiff vom Kurs abbringt und in die Felsen eines menschenunwürdigen christlichen Tribalismus führt“.

Michael Weiß, religion.ORF.at

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