„Roter Drache“ gegen „weiblichen Jesus“

Mit aller Härte gehen Chinas Behörden derzeit gegen die Church of Almighty God vor. Die Gemeinschaft kritisiert die Regierung Chinas und bezeichnet sie als dämonischen „Roten Drachen“.

Eine der wichtigsten Botschaften der Gruppierung ist das drohende Ende der Welt. Nur die gläubigen Mitglieder der Kirche können gerettet werden, so ihre Überzeugung. Darum haben die Jüngerinnen und Jünger der Church of Almighty God seit den 1990er Jahren das Ziel, so viele Menschen wie möglich in den Schoß ihrer Kirche zu holen. Laut Berichten von Missionaren anderer Kirchen in China verwendet die „Kirche des allmächtigen Gottes“ dafür auch höchst umstrittene Methoden: Sex und Gewalt.

Red Dragon und "weiblicher Jesus" Lightning Deng

CC by kris krüg / flickr / senses, Montage ORF

Die Church of Almighty God sieht Lightning Deng, für sie die weibliche Inkarnation von Jesus Christus, im Kampf mit dem dämonischen „Roten Drachen“, der für Chinas Kommunistische Partei stehen soll

Flirten für das Himmelreich

Einerseits flirten etwa Anhängerinnen der Kirche mit Männern, um sie für ihre Überzeugung zu gewinnen - eine Methode, die in den USA als „Flirty Fishing“ bekannt ist. Oft wird über Wochen und Monate das Vertrauen der Umworbenen aufgebaut. Menschen werden emotional und sexuell abhängig gemacht, um sie schließlich in die Gemeinschaft zu ziehen.

Andererseits wird berichtet, dass Mitglieder der Kirche auch vor Gewaltausbrüchen gegen alle, die den Ideen der Kirche entgegenstehen, nicht zurückschrecken. Durch diese Berichte in diversen Onlineforen und Pressemitteilungen entsteht ein sehr widersprüchliches Bild der Church of Almighty God.

Demonstration der Church of Almighty God am 21. Dezember 2012

Chinese Public Security Bureau

Demonstration von Kirchenmitgliedern gegen die chinesische Regierung am 21. Dezember 2012

Die Gruppierung tritt neben der Bezeichnung Church of Almighty God (Quanneng Shen Jiaohui) auch unter anderen Namen auf, etwa als Eastern Lighting (Dongfang Shandian). Mit Erfolg. In China sollen bereits mehrere Millionen Menschen dieser religiösen Gemeinschaft angehören und einen Kampf gegen das Böse führen.

Und dieses Böse hat für die Gruppierung ein konkretes Gesicht: Es ist die Kommunistische Partei Chinas. Kirchenintern wird sie nur als dämonischer „Rote Drache“ bezeichnet. Auf der anderen Seite steht Jesus Christus, der als Frau reinkarniert ist und aktuell in Chinatown New York lebt. „Roter Drache“ gegen „weiblichen Jesus“ klingt zwar eher nach unterhaltsamen Videogame, ist aber für die Kirchenmitglieder ein realer Kampf um Leben und Tod.

Zwei Gesichter: Sanft und kämpferisch

Auf diversen Internetseiten präsentiert sich die Church of Almighty God sanft. Kritiker der Gemeinschaft berichten aber anderes. Alle, die der Kirche kritisch gegenüberstehen, würden unerbittlich mit allen Mitteln bis zum Tode bekämpft. Vor allem die Kommunistische Partei Chinas, Hauptgegner und aus Sicht der Kirche das personifizierte Böse, transportiert das Bild der gewaltbereiten Church of Almighty God.

Ein Beleg dafür soll ein Vorfall im Mai in einem McDonald’s-Restaurant in Zhaoyuan in der ostchinesischen Provinz Shandong sein. „Fahr zur Hölle“, habe Angreifer Zhang Lidong einer 37 Jahre alten Frau in dem Fastfood-Restaurant zugeschrien, bevor er auf die wehrlose Frau einschlug, bis sie starb. Seine fünf Begleiterinnen und Begleiter drohten unterdessen den anderen Gästen im Restaurant. Der Vorfall wurde mit Handykameras mitgefilmt. Geholfen hat der Frau niemand und die Polizei kam erst spät, so berichten diverse Agenturmeldungen.

Inszenierte chinesische Propaganda?

Im staatlichen chinesischen Fernsehen wurde das Verbrechen breit aufgegriffen und berichtet, dass laut Polizei alle Täter zur Church of Almighty God gehören würden. In der Einvernahme sollen sie zu Protokoll gegeben haben, dass sie Telefonnummern von den Gästen gesammelt hätten, um Mitglieder zu werben. Da die ermordete Frau die Bekanntgabe ihrer Nummer verweigerte, hätten sie in ihr einen Dämon erkannt und „keine andere Wahl gehabt, als den Dämon in der Frau zu vernichten“.

Für offizielle Stellen in China ein Grund mehr, nun noch härter gegen diese - in China verbotene - Glaubensgemeinschaft vorzugehen. Alle Indizien sprechen derzeit gegen die Kirche, doch es wäre nicht das erste Mal, dass in China Vorfälle inszeniert und Aussagen und Geständnisse gefälscht werden, um unliebsame Gruppierungen, die sich vor allem gegen die Partei und den Staat wenden, zu diskreditieren.

Church of almighty god - Eastern Lightning

China Central Television

Im China Central Television werden die mutmaßlichen „McDonald’s-Attentäter“ der Church of Almighty God präsentiert

Unabhängige Recherchen kaum möglich

BBC-Reporterin Carrie Gracie berichtet aus China aber auch von anderen gewaltsamen Vorfällen im Zusammenhang mit der Glaubensgemeinschaft. Die Gruppierung sei „eine Sekte, die alle in ihren Bann zieht und Familien zerstört“, zitiert Gracie ihre Interviewpartner. So soll eine Tochter ihren Vater getötet haben, weil er sie aus der Gruppierung herausholen wollte.

Ein Mann habe sich inkognito in die Gruppe eingeschlichen, um seine Frau und seinen Schwiegervater zu retten. Er berichtet von Gehirnwäsche und Ausbeutung der Gläubigen. Die Anhängerinnen und Anhänger würden alle ihre Ersparnisse der Bewegung überlassen. Allerdings wurde Gracie bei ihren Recherchen in China stets von der Polizei begleitet, und die Wahl der Interviewpartner wurde von den Behörden kontrolliert.

Reinkarnation von Jesus Christus als Frau

Entstanden ist die Church of Almighty God in den frühen 1990er Jahren, als Zhao Weishan in der Provinz Henan eine Frau traf, die sich selbst Lightning Deng nannte. In ihr meinte Weishan eine Reinkarnation von Jesus Christus zu erkennen. Der bürgerliche Name von Lightning Deng soll Yang Xiangbin sein. Weishan begann bald Anhänger zu rekrutieren und machte Deng zur spirituellen Leitfigur einer neuen Bewegung mit christlichen Wurzeln und Lehren aus Privatoffenbarungen.

Weishan wandte sich in der Folge hauptsächlich an christliche Hauskirchen und versuchte dort für die neue Lehre Mitglieder zu werben. Seine Bewegung vergrößerte sich rasch. Anhängerinnen und Anhänger fand er hauptsächlich unter der armen und eher ungebildeten Landbevölkerung Chinas. Viele christliche Kirchen warnten daraufhin ihre Gemeindeleiter vor der angeblichen subtilen Unterwanderung durch die Church of Almighty God.

Church of almighty god. Der weibliche Jesus Lightning Deng und Gründer Zhao Weishan.

Chinese Public Security Bureau

Der „weibliche Jesus“ Lightning Deng und der Gründer der Church of Almighty God Zhao Weishan auf einem „Fahndungsfoto“ des Chinese Public Security Bureau

Die Methoden dieser Unterwanderung durch die Church of Almighty God scheint aber zunehmend ihre anfängliche Subtilität zu verlieren, berichtet Kevin Yeung, Generalsekretär der Hong Kong Concern Group. Die Organisation ist ein Zusammenschluss verschiedener evangelikaler Kirchen und beobachtet das Entstehen neuer religiöser Gemeinschaften in Asien.

Immer wieder hätten Mitglieder der Church of Almighty God offen aggressiv missioniert und Gegner mit Gewalt zum rechten Glauben zwingen wollen, erzählt auch Dennis Balcombe, ein US-Pastor, der viele Jahre in China auf Mission war, im CNN-Interview. „Ihre Botschaft ist, dass man in die Hölle kommt, sollte man die Mitgliedschaft in ihrer Kirche verweigern. Auch erzählen sie den Leuten, dass man dann Krebs bekommt und tot umfällt oder auf andere schlimme Art durch Gottes Gericht bestraft wird.“

Kritiker sprechen von „Gehirnwäsche“

Pastorin und Autorin Hope Flinchbaugh erzählt in einem Gespräch mit Reporter Matt Shea von 34 entführten christlichen Untergrundkirchen-Gemeindeleitern. Im Jahr 2002 sollen sie von Mitgliedern der Church of Almighty God gefoltert und einer Gehirnwäsche unterzogen worden sein. „Einer der Pastoren wurde unter Drogen gesetzt, und zwei Frauen flüsterten ihm unaufhaltsam die ganze Nacht Kirchen-Doktrin in die Ohren.“

Wer nicht zur Church of Almighty God konvertieren wollte, dem wurden „die Beine gebrochen und die Ohren abgeschnitten“, erzählt Flinchbaugh. Mittlerweile herrsche unter den anderen christlichen Gemeinden und Kirchen in China große Furcht vor der Church of Almighty God.

Verfolgte Verfolger?

In China selbst ist die Church of Almighty God verboten und operiert daher nur im Untergrund. Es gibt keine offiziellen Büros. Über 400.000 Mitglieder, so die Angaben der Kirche, sollen bereits durch die Polizei ausfindig gemacht und festgenommen worden sein. China spricht von einigen Tausend Festnahmen in den letzten Jahren. Als strafbare Tat gilt in China bereits das Weitergeben von Schriften oder Infomaterial der Church of Almighty God.

Einen fairen Prozess dürfen sich die Gläubigen nicht erwarten. Mitglieder der Gemeinschaft werden schwer bestraft, erhalten Lagerhaft und Folter. Für viele Mitglieder der Church of Almighty God ist das aber nur ein Zeichen dafür, auf dem richtigen Weg zu sein. Auf Internetseiten berichten sie von den Torturen durch staatliche Stellen. Die Strafen seien aber Hilfe, im Glauben fester und unbeirrbarer zu werden.

Kirche: „Negative Propaganda“

Außerhalb Chinas ist die Gruppierung über englischsprachige Websites präsent, es gibt etwa Büros in Hong Kong und Macau. Dort verneint man die über die Kirche berichteten Gewalttaten und verweist auf die staatlichen chinesischen Quellen, die diese „negative Propaganda“ transportieren und die Kirche verfolgen.

„Wir haben von den Geschichten gehört, aber glauben nicht, dass das irgendetwas mit Menschen unserer Kirche zu tun haben kann. Die Gemeinden unserer Kirche glauben an die Liebe und daran, dass man andere Menschen lieben soll. Niemand unserer Kirche würde auch nur irgendjemandem Gewalt antun. Unser Ziel ist es, gut zu den Menschen zu sein“, zitiert Matt Shea in seinem Internetartikel „The cult who kidnaps christians and is in war with the chinese government“ einen Sprecher der Kirche in Macau.

Außerhalb Chinas kaum bekannt

Außerhalb des asiatischen Raumes ist die Kirche kaum präsent. Gründer Weishan und die spirituelle Leitfigur Deng sind zwar aus China geflohen und leben aktuell in New York, dennoch konzentriert sich die Missionsarbeit der Kirche hauptsächlich auf chinesischstämmige Menschen. Um Mitglieder zu werben, werden hin und wieder vor allem in den Chinatowns amerikanischer Städte Flugzettel verteilt.

Screenshot der Website der Church of Almighty God

ORF / Church of Almighty God

Screenshot einer der Internetseiten der Church of Almighty God

Am 21. Dezember 2012, dem vom Maya-Kalender erwarteten Tag des Weltuntergangs, protestierten viele Mitglieder der Church of Almighty God offen gegen die chinesische Regierung. Die Reaktion waren weitere Festnahmen und eine Verschärfung der Strafen gegen die Gläubigen. Auch aktuell wurde die Verfolgung der Kirche in China weiter verschärft. Die mutmaßlichen Mitglieder der Kirche und Attentäter im McDonald’s-Restaurant müssen sich seit vergangener Woche vor Gericht verantworten.

Gut kaschierte Propaganda auf beiden Seiten und die Behinderung journalistischer Recherchen in China machen die tatsächliche Faktenlage aber unklar. Trotz Verbots will die Church of Almighty God nicht aufgeben. Der Kampf zwischen dem Roten Drache und dem weiblichen Jesus soll bis zum „jüngsten Tag“ weitergehen.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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