„Kirche in Not“ für Waffenlieferungen in den Irak

Um die Menschen im Irak zu schützen, müssten notfalls auch Waffen zum Einsatz kommen, sagten der Präsident des Hilfswerks „Kirche in Not“ sowie Kardinal Reinhard Marx.

Das katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ ruft die internationale Gemeinschaft dazu auf, alles zu tun, um die Menschen im Irak vor der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu schützen. Dafür müsse man notfalls auch Waffen liefern, sagte der Präsident des internationalen Hilfswerks, Johannes Freiherr Heereman, am Montag dem Westdeutschen Rundfunk (WDR): „Auch wenn ein Risiko besteht und wir nicht wissen, was danach mit den Waffen geschieht - wir müssen jetzt alles tun, damit nicht weiter Menschen abgeschlachtet werden.“

Heereman: „Situation äußerst dramatisch“

Heereman, der vor kurzem aus dem Nordirak zurückgekommen ist, schilderte die Situation als „äußerst dramatisch“. Zugleich lobte er das Engagement der Kirche vor Ort und die große Hilfsbereitschaft der Menschen, die trotz eigener Not bereit seien anderen zu helfen: „In manchen Häusern, in denen bisher fünf Menschen gelebt haben, sind jetzt noch 25 dazugekommen.“

Heereman rief zugleich dazu auf, in Europa großzügiger als bisher Flüchtlinge aufzunehmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg etwa habe man in einer viel schwierigeren Situation sehr viel mehr Menschen aufgenommen. Allerdings gebe es auch viele, die nicht fliehen, sondern in ihrer Heimat bleiben wollten. Für diese müsse die internationale Gemeinschaft Sicherheitszonen schaffen, in denen sie vor dem Terror geschützt seien.

Marx: Militärische Mittel geboten

Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, appelliert an die internationale Gemeinschaft, die „brutale Aggression“ der IS-Milizen im Irak gegen Minderheiten zu stoppen. Gemeinsam müssten dafür Wege und Mittel gefunden werden. Das sei jedoch nicht Sache der Kirche, wie Marx am Sonntag bei einem Solidaritätsbesuch in der chaldäischen Gemeinde in München betonte. Allerdings seien militärische Mittel durchaus geboten, um einen weiteren Völkermord zu verhindern.

Zugleich rief Marx zum Gebet für die Opfer von Gewalt und Vertreibung auf. Das Gebet sei die „spirituelle Waffe“, das die Christen untereinander verbinde. Mit seinem „spontanen Besuch“ bei der chaldäischen Gemeinde habe er ein Zeichen der Solidarität setzen wollen. Ihre Mitglieder sollten sehen, wie die Menschen mit ihnen und ihren Angehörigen im Irak mitlitten. „Wir alle sind erschüttert über die barbarische Gewalt“, unterstrich der Kardinal.

Seelsorger: Tausende Christen ermordet

Nach den Worten des Seelsorgers der chaldäischen Gemeinde in München, Pfarrer Sami Danka, ist von den Aggressionen der IS besonders die Stadt Mossul betroffen. Im Jahr 2003 lebten dort rund 500.000 Christen, mittlerweile habe sich ihre Zahl auf 100.000 verringert. Nun seien die letzten geflüchtet. Die Zahl der ermordeten Christen gehe „in die Tausende“.

In der Diözese Erbil würden derzeit etwa 30.000 Katholiken gezählt sowie in Debok rund 10.000. Ohne Papiere, die ihnen die Milizen abgenommen hätten, seien sie oft nur mit der Kleidung am Leib auf der Flucht. Um überleben zu können, werde finanzielle Unterstützung und psychologische Begleitung benötigt.

Die irakischen Christen gliedern sich in mehrere Konfessionen. Die größte Gruppe bilden die mit Rom unierten Kirchen, darunter die katholischen Chaldäer als mit Abstand wichtigste christliche Denomination mit früher rund 200.000 Mitgliedern.

Käßmann: Waffenlieferungen der falsche Weg

Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat sich gegen Waffenlieferungen in den Irak ausgesprochen. „Das ist der falsche Weg“, sagte sie in Berlin der Nachrichtenagentur dpa. „Ich kann nicht verstehen, dass es 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs, 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs und 25 Jahre nach der friedlichen Revolution nun um Waffenlieferungen in Krisengebiete geht.“

Die deutsche Bundesregierung will kommende Woche eine abschließende Entscheidung über die Aufrüstung der kurdischen Streitkräfte für den Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat treffen. Anschließend soll der Bundestag in einer Sondersitzung darüber diskutieren. Im Gespräch ist die Lieferung von Handfeuerwaffen und Panzerabwehrraketen.

Über das Tempo „entsetzt“

Käßmann sagte: „Mich entsetzt auch das Tempo der Entscheidungen dafür.“ Der Ruf nach mehr Verantwortung Deutschlands in internationalen Krisen und Kriegen sollte nicht militärisch beantwortet werden. „Es macht mich fassungslos, dass Waffenlieferungen die Konsequenzen aus den Jahren der Friedensbewegung sein sollen“, sagte die Theologin. „Aber mir ist bewusst: Auch wer gegen Waffenlieferungen votiert, kann sich schuldig machen.“

Käßmann, die Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017 ist, hatte bereits mit kritischen Äußerungen zum deutschen Afghanistan-Einsatz für Diskussionen gesorgt.

religion.ORF.at/KAP/dpa

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