Orientalistin: Dschihad ist mehr als „Heiliger Krieg“

Überall ist man derzeit mit dem Begriff „Dschihad“ konfrontiert. Dschihadisten kämpfen im Irak und in Syrien für einen islamischen Gottesstaat. Doch der Begriff bedeutet mehr als „Heiliger Krieg“.

Gewalt und Kriege sind derzeit ein beherrschendes Thema in der Öffentlichkeit. Viel Platz nimmt dabei der islamische Dschihad ein, der häufig in verkürzter Weise als „Heiliger Krieg“ bezeichnet wird. Sein Bedeutungsspektrum ist breit und reicht vom „Kampf gegen den inneren Schweinehund“ bis zum bewaffneten Kampf, wie die Orientalistin Mariella Ourghi bei der diesjährigen Ökumenischen Sommerakademie im oberösterreichischen Stift Kremsmünster darlegte.

Ein aufgeschlagener Koran

Reuters/Amit Dave

Der Koran lässt verschiedene Auslegungen zu

Das Wort Dschihad leitet sich vom arabischen Verb „dschahada“ ab, es bedeutet: sich bemühen, sich anstrengen, streben und auch kämpfen. Von den meisten Muslimen wird damit der Kampf gegen individuelle Schwächen, unmoralische Versuchungen, kurz das Bemühen um ein lobens- und lohnenswertes Ziel (der Weg zu Gott) verstanden. Theoretiker des militanten Dschihad stellen allerdings den bewaffneten Kampf an die oberste Stelle ihrer Prioritäten und treten gewaltsam für einen islamischen Gottesstaat ein.

Legitimation von Krieg und Frieden

Während von vielen Muslimen, etwa der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), immer wieder betont wird, dass Terrorismus und Gewaltakte, wie sie derzeit in Syrien und im Irak von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verübt werden, nichts mit dem Islam zu tun haben - mehr dazu in Experten: IS hat nichts mit islamischer Religion zu tun, würden sich gerade die militanten Muslime selbst sehr wohl als die wahren Muslime wahrnehmen, so die Orientalistin. Sie würden für sich die richtige Exegese des Korans beanspruchen und ihren Handlungen eine religiöse Bedeutung verleihen. Theoretiker des bewaffneten Dschihad legitimieren ihre terroristischen und kriegerischen Handlungen mit der Bedrohung des Islam durch Ungläubige.

Porträt der Orientalistin Mariella Ourghi

Mariella Ourghi

Mariella Ourghi

Ourghi betont in diesem Zusammenhang, dass sich sowohl die friedliche Ausrichtung des Islam als auch der gewaltsame Kampf gegen Ungläubige mit und aus dem Koran begründen lassen. Obwohl sich laut der Islamwissenschaftlerin nicht nachweisen lässt, dass der Prophet Mohammed selbst den Begriff Dschihad verwendet hat, sei in den Schriften der frühen Gelehrten (bis etwa zum neunten Jahrhundert) „Dschihad“ auch als bewaffneter Kampf präsent gewesen. Später seien die nicht militärischen Aspekte des „Dschihad“ in den Vordergrund getreten und höchstens Verteidigungsmaßnahmen als legitim erachtet worden.

Der Kampf gegen das „Nichtislamische“

Mit der Entstehung der Muslimbrüder 1928 in Ägypten habe sich das Bild wieder gewandelt. Sie vertraten Ourghi zufolge die Ansicht, dass die Feinde des Islam nicht von außen kämen, sondern aus den eigenen Reihen. Konkret habe man damit westlich orientierte Muslime in der eigenen Gesellschaft gemeint. Diese wurden zum Hauptkritikpunkt der Muslimbrüder, denn sie seien durch das Nichtbeachten der islamischen Regeln verantwortlich für das Nichtflorieren der Staatswesen zum damaligen Zeitpunkt gemacht worden.

Ab den 60er und 70er Jahren hätten dann islamistische Bewegungen Zulauf erhalten, so Ourghi. Ab der Intervention der Sowjetunion in Afghanistan 1979 habe sich der Dschihad gegen außen gerichtet - in der Folge zunehmend pauschal gegen „den Westen“. Die Islamwissenschaftlerin weist aber darauf hin, dass es sowohl im Koran als auch bereits im Arabien der vorislamischen Zeit Richtlinien zur Kriegsführung gegeben habe. So sei etwa bestimmt, dass Zivilisten wie Frauen und Kinder nicht getötet werden dürften. Und sie merkt an, dass scheinbar religiöse Konflikte meist nicht in erster Linie aus religiösen Differenzen resultierten, sondern immer auch soziale, ökonomische und/oder politische Aspekte aufweisen würden.

Nina Goldmann, religion.ORF.at

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