Geschiedene: Kasper warnt vor „theologischem Krieg“

Nachdem sich fünf hochrangige Kardinäle gemeinsam gegen Zugeständnisse der Kirche an geschiedene Katholiken ausgesprochen haben, warnt der deutsche Kardinal Walter Kasper vor einem „theologischen Krieg“.

Unter den Kardinälen, die im Vorfeld der Anfang Oktober beginnenden Bischofssynode ein Buch mit dem Titel „Das Verbleiben in der Wahrheit Christi: Ehe und Kommunion in der katholischen Kirche“ herausbringen, ist auch der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller.

„In der nächsten Synode wollen einige einen theologischen Krieg auslösen. Die Kirchendoktrin ist offen, aber einige wollen eine ‚eingefrorene‘ Wahrheit. Ziel der Polemik bin nicht ich, sondern der Papst“, sagte Kardinal Kasper im Interview mit der italienischen Tageszeitung „Il Mattino“ (Donnerstag-Ausgabe). Der emeritierte Kurienkardinal hatte im Februar hinter verschlossenen Türen und im Auftrag von Franziskus eine Grundsatzrede zu Ehe und Familienseelsorge gehalten und dabei eine gewisse Offenheit in der Frage erkennen lassen. Der Papst hat mehrmals seine Sympathien für Kaspers theologisches Schaffen geäußert.

„Einzelne Situationen überprüfen“

Auch bei gescheiterten Ehen gebe es unterschiedliche Situationen, die berücksichtigt werden müssen, so Kasper zu „Il Mattino“. „Ich bin nicht für eine unkritische Öffnung. Ich lade ein, die einzelnen Situationen zu überprüfen. Der zeitgenössische Individualismus und der Konsumismus haben die traditionelle Kultur der Familie infrage gestellt und die Kirche wird von diesen neuen Situationen herausgefordert.“

Kardinal Walter Kasper auf dem Petersplatz

Reuters/Tony Gentile

Kardinal Walter Kasper

In seinem Referat vor dem Konsistorium am 21. Februar im Beisein von Papst Franziskus habe er keine fertigen Lösungen vorgelegt. „Ich habe Fragen gestellt“, so der Kardinal gegenüber Kathpress. Er habe dabei deutlich gemacht, dass die Eucharistie ein Heilssakrament sei, auch wenn das heute von einigen Theologen anders gesehen werde.

Von Buch erst aus Medien erfahren

In einem weiteren Interview mit der Tageszeitung „La Stampa“ (Donnerstag-Ausgabe) äußerte sich Kasper überrascht über die ungewöhnliche Auseinandersetzung unter Kardinälen im Vorfeld der Bischofssynode. Von dem Buch seiner fünf Mitbrüdern zum Thema der wiederverheirateten Geschiedenen habe er aus den Medien erfahren.

Am 1. Oktober erscheint in Italien, Spanien, Frankreich und in den USA das Werk „Das Verbleiben in der Wahrheit Christi: Ehe und Kommunion in der katholischen Kirche“. Darin schreiben die fünf Kardinäle, dass die katholische Lehre keinen Spielraum für Änderungen im kirchlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen lasse. Eine Zulassung dieser Personengruppe zur Kommunion sei nicht möglich, weil sie dem Dogma von der absoluten Unauflöslichkeit der Ehe widerspreche.

Im Buch finden sich Beiträge von Kardinal Müller, sowie des Kardinals Raymond Leo Burke, Präfekt der apostolischen Signatur, von Walter Brandmüller, emeritierter Präsident des päpstlichen Komitees für historische Wissenschaften, vom Erzbischof von Bologna, Carlo Caffarra, einem der Theologen, die Papst Johannes Paul II. bei Themen zur Familie am nächsten standen, und von Velasio De Paolis, emeritierter Präsident der Präfektur für die Wirtschaftsaktivitäten.

Synode: Regeln auf dem Prüfstand

Das Buch der fünf Kardinäle kann als eine erste öffentliche Stellungnahme gegen den Kurs von Papst Franziskus verstanden werden. Dieser hatte am Sonntag erstmals eine Hochzeitszeremonie im Petersdom geleitet und dabei auch Paare mit bereits vorhandenen Kindern getraut. Zu den 20 Paaren, die für die Trauung am Sonntag ausgesucht wurden, gehörten auch welche, die schon zusammenleben. Zugelassen wurden auch Hochzeitspaare, von denen ein Partner schon einmal verheiratet war und dessen Ehe annulliert wurde.

Ab Anfang Oktober will eine Bischofssynode in Rom über die Lehren der katholischen Kirche zu Familie und Sexualmoral beraten. Dabei zeichnet sich ab, dass einige Regeln auf den Prüfstand gestellt werden sollen. Kardinal Müller hatte bereits im Juli in einer eigenen Buchpublikation zum Thema dargelegt, dass die Kirche keinen Spielraum für einen anderen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen besitze: Die Betreffenden könnten nicht zur Kommunion gehen, weil sie dem Dogma von der absoluten Unauflöslichkeit der Ehe widersprächen. Selbst ein Konzil könne daran nichts ändern.

Müller: Möglicherweise viele Ehen ungültig

Zugleich hatte Müller betont, dass möglicherweise viele Ehen ungültig seien, weil sich die Eheleute zum Zeitpunkt ihrer Trauung nicht über die Bedeutung der Ehe im katholischen Sinn bewusst gewesen seien. Derzeit verwende die Glaubenskongregation „viele Energien“ darauf, eine Antwort auf diese Herausforderung zu finden, so der Kardinal.

Als vorrangiges Ziel der Weltbischofssynode über die Familie im Oktober hatte Müller erklärt, den sakramentalen Charakter von Ehe und Familie wiederzuentdecken und junge Menschen zur Heirat zu ermutigen. Die von Scheidung betroffenen Kinder seien indes „vielleicht die Ärmsten der Armen in der Welt“: Sie würden nicht nur in den Ländern der Dritten Welt vernachlässigt, sondern auch in den reicheren Ländern Europas und in Nordamerika.

religion.ORF.at/APA/KAP

Mehr dazu:

Links: