Russen sprechen Patriarch Kyrill moralische Autorität ab
In der Bevölkerung hält nur ein Prozent der Befragten das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt für eine moralische Leitfigur. Auf dem ersten Platz landete demnach Staatspräsident Wladimir Putin mit 36 Prozent, vor Außenminister Sergej Lawrow mit sechs Prozent. Die 1.000 Befragten durften bis zu fünf Namen nennen. Seitens der Fragesteller wurden den Angaben zufolge keine Vorschläge gemacht. Die Umfrage wurde im Juli landesweit durchgeführt.
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Religionskonflikt geht trotz Minsker Abkommen weiter
Kyrill muss sich derzeit auch Kritik aus den Reihen der Ökumene im Zusammenhang mit dem Ostukraine-Konflikt stellen. Diese rührt von der Behauptung des Patriarchen her, ein griechisch-katholischer Priester habe gemeinsam mit Regierungstruppen in Slawjansk eine moskautreue orthodoxe Kirche gestürmt und deren Geistlichen bedroht. In der Ostukraine tobe ein Religionskrieg gegen seine Kirche, schrieb der Moskauer Patriarch an die Oberhäupter aller orthodoxen Landeskirchen. Damit rechtfertigte er indirekt einen russischen Militäreinsatz.
Die griechisch-katholische Kirche wies Kyrills Anschuldigung entschieden zurück und kritisierte zudem das von diesem propagierte Konzept der „Russki Mir“ (Russische Welt), wonach Russland mit der Ukraine und Weißrussland eine gemeinsame Zivilisation bilde. Diese Doktrin spreche dem ukrainischen Volk die eigene Geschichte und Identität ab und stelle folglich die Existenz eines unabhängigen ukrainischen Staates in Frage, so der Generalsekretär der griechisch-katholischen Bischofssynode, der Kiewer Weihbischof Bogdan Dziurach.
Staatsreligion in der „Volksrepublik Donezk“
Die orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats wurde in der Verfassung der in der Ostukraine ausgerufenen „Volksrepublik Donezk“ zur Staatsreligion erhoben. Zahlreiche prorussische Rebellen in der Region bezeichnen sich als orthodoxe Kämpfer. Sie haben in den vergangenen Wochen und Monaten Gotteshäuser anderer Konfessionen beschlagnahmt und deren Geistliche vertrieben.
Im Rahmen des Minsker Friedensabkommens, zu dem auch ein Gefangenenaustausch gehört, ließ Kiew unlängst den in der Ostukraine verhafteten orthodoxen Priester Wladimir Marezki frei. Der Geistliche soll im Mai bewaffnete Überfälle auf zwei Wahllokale für die Präsidentenwahl angeführt haben und saß dafür mehrere Monate in Haft. Nach der Freilassung machte Marezki den ukrainischen Behörden schwere Vorwürfe. Sie hätten die Häftlinge gefoltert, erklärte er.
religion.ORF.at/KAP/APA
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