Papst: Bischofssynode muss „Schrei des Volkes“ hören

Vor der außerordentlichen Bischofssynode hat Papst Franziskus die Teilnehmer zu einer „aufrechten, offenen und brüderlichen“ Debatte aufgerufen. Aus Österreich nimmt Kardinal Christoph Schönborn an der Synode teil.

Papst Franziskus eröffnet mit einer Messe im Petersdom am Sonntag das zweiwöchige außerordentliche Bischofstreffen zur Lehre der katholischen Kirche zu Familie und Sexualität. Insgesamt 191 Bischöfe aus aller Welt diskutieren bei der Synode im Vatikan hinter verschlossenen Türen über ein Arbeitspapier, das eine Kluft zwischen der Lebenswirklichkeit vieler Menschen und den Regeln der katholischen Kirche festgestellt hat. Sie werden von rund 60 Laien beraten. Konkrete Entscheidungen sind von der außerordentlichen Bischofssynode trotz allem nicht zu erwarten, ist sie doch nur als Vorbereitung auf die ordentliche Generalversammlung im Oktober 2015 gedacht. Das diesjährige Treffen soll die Fragestellungen konkreter machen, damit diese dann ein Jahr lang in den einzelnen Diözesen und Bischofskonferenzen diskutiert werden können. Die eigentlichen Arbeitssitzungen beginnen am Montag.

Von den Kirchenoberen stammen 42 aus Afrika, 38 aus Amerika, 29 aus Asien, 78 aus Europa und vier aus Ozeanien. 26 Teilnehmer wurden durch päpstliche Ernennung und drei durch Wahl zur Synode geladen. Insgesamt zwölf Teilnehmer sind verheiratet bzw. haben Kinder. Täglich soll die Öffentlichkeit durch ein Pres­se­kom­mu­ni­qué informiert werden.

Abendgebet am Petersplatz mit Papst Franziskus

APA/EPA/Alessandro di Meo

Vor Beginn der Bischofssynode verbrachten viele Gläubige die Nacht im Gebet am Petersplatz

Gebetswache am Petersplatz

Vor Beginn der Synode hatten sich am Samstagabend tausende Familien auf dem Petersplatz zu einer Gebetswache versammelt. Papst Franziskus betete mit ihnen das Abendgebet.

Die Bischöfe müssten mit Gott den „Schrei des Volkes“ hören, sagte Franziskus. Bei seiner Ansprache äußerte er auch die Hoffnung, dass die Weltbischofssynode eine „gottgewollte Gelegenheit“ sei, um die „Kirche und Gesellschaft zu erneuern“.

Die Kirchengeschichte kenne zahlreiche ähnliche Situationen, die von früheren Generationen mit „großer Geduld und Kreativität“ überwunden worden seien, erklärte Franziskus in seiner Ansprache weiter. Um zu erkennen, was Gott von seiner Kirche wolle, müssten sich die Bischöfe mit den „Freuden, Hoffnungen, Traurigkeiten und Ängste“ der Menschen von heute „imprägnieren“.

Abendgebet am Petersplatz mit Papst Franziskus

APA/EPA/Alessandro di Meo

Papst Franziskus sagte beim Abendgebet mit den Gläubigen am Petersplatz, dass die Bischofssynode den „Schrei des Volkes“ hören müsse

Weiter sagte Franziskus, wenn es der Kirche nicht gelinge, den Leuten durch Barmherzigkeit und Gnade Gottes Heil zu vermitteln, bleibe von ihr nur ein Kartenhaus übrig. Ihre Hirten würden zu „staatlichen Priestern“, auf deren Lippen das Volk vergeblich das Evangelium Jesu suche, führte Franziskus aus.

„Wir sind Kirche“: Reform der Sexualmoral

Die Initiative „Wir sind Kirche“ hat die Weltbischofssynode zu einer umfassenden Reform der kirchlichen Sexualmoral aufgerufen. Es sei, „höchste Zeit, dass die Sexuallehre der Kirche in Einklang mit den Erkenntnissen der modernen Humanwissenschaften neu entwickelt wird“, sagte Christian Weisner, einer ihrer Sprecher, am Samstag in Rom. Von „Wir sind Kirche“ ist auch die neu bestätigte und exkommunizierte Vorsitzende aus Österreich, Martha Heizer, nach Rom gereist. Die Initiative fordert von der Synode unter anderem eine kirchliche Zulassung künstlicher Empfängnisverhütung, eine Aufhebung des verpflichtenden Zölibats für Priester und größere Rechte für Frauen in der Kirche.

Weisner kritisierte zudem, dass Vertreter katholischer „Reformgruppen“ nicht zur Synode eingeladen worden seien. Zugleich äußerte der Sprecher die Hoffnung, dass die Synode „Startpunkt für einen mutigen neuen Prozess des breiten und offenen Dialogs“ in der katholischen Kirche und „eine positive Wende in der Kirchengeschichte“ werde. Die katholische Sexualmoral sei „in vieler Hinsicht veraltet“ und habe den Kontakt zum realen Leben verloren, so der Vertreter von „Wir sind Kirche“.

Schüller: „Anerkennung von Lebenswirklichkeit“

Der Obmann der österreichischen Pfarrerinitiative, Helmut Schüller, erneuerte am Samstag derweil die Forderung nach einer Ermöglichung des Kommunionempfangs „für (noch) nicht kirchlich verheiratete Partner, geschiedene Wiederverheiratete und homosexuelle Paare“. Ausgangspunkt der Synodenberatungen solle die Anerkennung der heutigen Lebenswirklichkeit aller Ehepaare, Familien und Menschen in Beziehung sein, sagte er in einem Interview gegenüber dem „Standard“ . Der persönlichen Gewissensentscheidung müsse „ihr rechtmäßiger Platz in der Kirche zurückgegeben werden“, so Schüller.

Großes Ziel der Synode wäre eine neue Offenheit, sagte der Pfarrer. Das Thema der wiederverheirateten Geschiedenen etwa sei von der Kirche „theologisch viel zu hoch gehängt“ worden. Veränderungen dabei würden „wie ein Einsturz des gesamten Lehrgebäudes gesehen“, so Schüller. Er plädierte dafür, „das Ehesakrament zu dem machen, was es früher einmal war: ein Sakrament mit einer Offenheit für Scheidung, Heil und Barmherzigkeit.“

Die Beratungen der Bischöfe und Laien-Experten im Vatikan sollen bis zum 19. Oktober dauern.

religion.ORF.at/KAP/APA/DPA

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