Fading Gigolo: J. Turturro und W. Allen im Doppelpack

Am Samstagabend kommen beim Jüdischen Filmfestival Wien die Freunde von Komik und Komödie auf ihre Rechnung. In „Fading Gigolo“ (deutscher Titel: „Plötzlich Gigolo“) überzeugen John Turturro und Woody Allen.

Normalerweise ist es Woody Allen, der alles selbst erledigt: Buch, Regie und – wenn auch in den letzten Jahren seltener - Hauptrolle. Diesmal hat John Turturro die Dreifach-Aufgabe übernommen, mit Woody Allen als kongenialem Partner. Schon die Namen der beiden Hauptfiguren sind ein Versprechen. Murray (Allen) muss seine Buchhandlung schließen, weil er keine Kunden mehr hat. Fiovarante (Turturro) ist Blumenhändler und hilft seinem Freund bei den Aufräumarbeiten.

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Jüdisches Filmfestival Wien
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Die alten Bücher, zwischen denen sich die beiden bewegen, sind natürlich eine Metapher, denn auch Fiovarante als der deutlich Jüngere der beiden ist schon Mitte fünfzig. Sein Umgang mit Blumen zeigt, dass er Verletzliches zu behandeln weiß. Die Ausgangslage ist freilich weniger poetisch: Murray braucht Geld, Fiovarante auch. Und sie haben Glück.

Virgil und Bongo

Denn eines Tages erfährt Murray von seiner schönen Hautärztin (Sharon Stone), dass sich diese und ihre Freundin eine Ménage-à-trois wünschen. Murray hat sofort einen Vorschlag parat, wer der männliche Part in der Runde sein könnte: niemand anderer als Fiovarante. Der ist zwar kein schöner Mann, aber einen gewissen Sex-Appeal hat er. Die Idee ist geboren: Murray und Fiovarante steigen ins Prostitutionsgeschäft ein.

Fiovarante wird der Gigolo, Murray sein umsichtiger Agent, der es ganz nebenbei in drei Sätzen schafft, seine Gehaltsvorstellungen von zehn auf vierzig Prozent der Einkünfte hinaufzuschrauben. Natürlich brauchen die beiden nach ihrem Metier-Wechsel jetzt auch Künstlernamen. Bald machen sich „Virgil Howard“ und „Dan Bongo“ ans große Geld-Verdienen. Auch ein Wahlspruch ist rasch bei der Hand: „Virgil and Dan, be the best you can.“

Screenshot von Fading Gigolo

Jüdisches Filmfestival Wien

Fioravante beglückt diverse Damen der New Yorker High Society, bis er sein Herz an die junge jüdisch-orthodoxe Witwe Avigail verliert

Die Sache läuft gut, bis der geschäftstüchtige Dan seinem Partner eine Frau zuführt, die nicht ins Schema passt: Avigal (Vanessa Paradis) ist die Witwe eines chassidischen Rabbiners, mehrfache Mutter und den strengen Regeln ihrer orthodoxen Gemeinde verpflichtet. Eine zarte Liebe entflammt, aber im Unterschied zum Rent-a-Man-Business von Virgil und Dan hat Sexualität hier keinen Platz. Da Fiovarante als Masseur vorgestellt wird, darf er Avigals Schultern massieren. Später kommt es im Park zu einem Kuss. Alles andere bleibt in der Möglichkeitsform.

Diese der Religion geschuldete Verschlossenheit der Frau korrespondiert mit der Verschlossenheit des Gigolo, der sich bei seinen sexuellen Dienstleistungen zwar körperlich, aber nicht emotional ins Spiel bringt. Als ihn bei der endlich zustande gekommenen Ménage die Manneskraft verlässt, schlussfolgern die beiden beteiligten Frauen sofort, dass er sich verliebt haben müsse.

Humor mit Hintergründen

„Fading Gigolo“ bietet neben Wort- und Situationskomik in bester Allen-Tradition auch einen kleinen Einblick in orthodoxes Leben. Fiovarante hat einen Nebenbuhler, der aus recht eigennützigen Gründen über Avigals Keuschheit wacht. Der Gigolo wird entführt und vor das Rabbiner-Gericht gestellt. Da platzt Avigal herein und gesteht eine – und nur eine – Verfehlung: Sie habe das „Negiah“-Gebot verletzt, jene Vorschrift, nach der man einen Menschen des anderen Geschlechts nur berühren darf, wenn man mit ihm verheiratet oder verwandt ist.

So gewinnt die Komödie an Tiefgang und lässt Spielraum für Interpretation. Humor bei Woody Allen, Humor bei John Turturro zielt nicht nur auf die überraschende Pointe, sondern macht Menschliches sichtbar: Sehnsüchte, Ängste, Zerbrechlichkeit. Phantasien, die gegenüber der bescheidenen Realität umso größer wirken.

Christian Rathner, religion.ORF.at

Außerdem am Samstag 11. Oktober

Life According to Agfa und Embittered,

Ein Film des israelischen Schauspielers und Regisseurs Assi Dayan, der im Mai dieses Jahres verstorben ist, und ein Kurzporträt über ihn. „Life According to Agfa“ ist eine düstere Schilderung der israelischen Realität zur Zeit der ersten Intifada. Die Kurzdokumentation „Embittered“ porträtiert Dayan, den rebellischen Sohn des ehemaligen israelischen Generals und Politikers Mosche Dayan, als eine der schillerndsten Persönlichkeiten unter den israelischen Filmschaffenden.
Mit einer Einführung des Filmjournalisten Andreas Ungerböck
14.00 Uhr, Votivkino, hebr.OF, engl. UT

Un voyageur
Die filmische Autobiographie des großen Dokumentarfilmers Marcel Ophüls, die eine ganze Epoche der Zeitgeschichte umfasst. Für seinen Dokumentarfilm über den SS-Kriegsverbrecher Klaus Barbie, den „Schlächter von Lyon“, erhielt Ophüls 1988 den Oscar.
16.00, Votivkino, franz. OF mit engl. UT

The Lady in Number 6 und „In der Stille der Nacht“
Porträt der im März dieses Jahres im Alter von 107 Jahren verstorbenen Pianisten Alice Herz-Sommer, die in Theresienstadt Konzerte geben musste. Der Kurz-Dokumentarfilm von David Ondricek wrude 2014 mit dem Oscar für ausgezeichnet.
„In der Stille der Nacht“ ist nicht der gleichnamige amerikanische Thriller mit Meryl Streep und Roy Scheider, sondern ein verstörender Kurzfilm (14’) aus Österreich. Erich Steiner schildert eine Herbstnacht, in der Kinder einer Familie auf ihren Vater warten. Ein Gewitter zieht auf, und die älteste Tochter spürt, dass etwas anders ist als sonst.
18.30, Votivkino, dt. OF mit engl. UT

Fading Gigolo
20.00 Votivkino, engl. OF mit dt. UT

A Method to the Madness of Jerry Lewis
Der unverwüstliche König der skurrilen Komik blickt auf sein Leben zurück. Die Dokumentation von Gregg Barson bringt Ausschnitte aus Filmen und Bühnenproduktionen, die einen sehr vergnüglichen Einblick in das riesige Oeuvre des Stars vermitteln. Und das Beste daran: Lewis ist noch mitten drin und denkt mit 88 noch lange nicht ans Aufhören. Ein Höhepunkt in der Reihe „Night Laugh“.
21.45 Votivkino, engl. OF