Synode: Positive Signale in Richtung Homosexuelle

In einem Zwischenbericht zur „Halbzeit“ der derzeitigen Bischofssynode im Vatikan setzt die katholische Kirche Zeichen in Richtung mehr Toleranz gegenüber Homosexuellen.

Die Führung der katholischen Kirche geht offenbar einen Schritt auf Schwule und Lesben zu. Homosexuelle könnten die christliche Gemeinschaft bereichern, hieß es am Montag in dem 12-seitigen Zwischenbericht, der vom Generalrelator der Synode, dem ungarischen Kardinal Peter Erdö, vorgestellt wurde.

Gleiche Lehre, neuer Tonfall

Erstmals wird darin die Frage aufgeworfen, ob die Kirche diese Menschen willkommen heiße und ihnen einen „brüderlichen Platz“ in den Gemeinden anbieten könne, ohne die katholischen Vorstellungen von Ehe und Familie zu verletzen.

In dem Dokument wird zwar festgehalten, dass die katholische Kirche homosexuelle Beziehungen niemals als einer Ehe zwischen Mann und Frau ebenbürtig betrachten könne. Doch erstmals ist nun auch von „positiven Aspekten“ gleichgeschlechtlicher Beziehungen die Rede. Die Formulierungen heben sich deutlich von früheren Erklärungen ab, die unter den Vorgängern von Papst Franziskus veröffentlicht wurden. So nannte Benedikt XVI., als er noch Kardinal Joseph Ratzinger war, Homosexualität eine „Anomalie“.

Der Vatikan-Experte und Buchautor John Thavis spricht angesichts des neuen Tonfalls von einem „Erdbeben“. Das Dokument zeige, dass Franziskus beim Thema Ehe und Familie die Barmherzigkeit in den Vordergrund rücke. Die Formulierungen ließen vermuten, dass sich unter den Bischöfen gemäßigtere Kräfte durchgesetzt hätten.

Geschiedene: „Mutige pastorale Entscheidungen“

Auch in Bezug auf andere Themen signalisiert das Dokument eine gewisse Offenheit. So soll in der zweiten Sitzungswoche der Synode über „mutige pastorale Entscheidungen“ und neue Wege im Umgang etwa mit wiederverheirateten Geschiedenen beraten werden, heißt es in dem Zwischenbericht, der den Titel „Relatio post disceptationem“ trägt.

In manchen Fällen würde der Verzicht auf eine zweite Ehe neue Ungerechtigkeit und Leid hervorrufen, fasst der Kreis um Erdö die Meinung zahlreicher Synodaler zusammen. Diese halten demnach eine Wiederzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen in Einzelfällen und nach einem „Weg der Buße“ unter der Verantwortung des Bischofs für denkbar.

Papst Franziskus im Gespräch mit Kardinal Peter Erdö

Reuters/Max Rossi

Papst Franziskus im Gespräch mit dem Generalrelator der Synode, dem ungarischen Kardinal Peter Erdö

Ein „Alles oder Nichts“ könne es nicht geben, so der Text. Eine genaue Abwägung der Einzelsituation sei „unumgänglich“. „Es muss vor allem das Leid derer berücksichtigt werden, die zu Unrecht Trennung und Scheidung erlitten haben“, heißt es. Zugleich betont der Text die Glaubensüberzeugung von der Unauflöslichkeit der Ehe, die offen sein müsse für neues Leben.

„Keine Richtungsentscheidung“

Trotz allem besteht die katholische Kirche offenbar darauf, dass der Bericht nicht als Richtungsentscheidung zu sehen ist. Das Papier sei in allen Punkten „sehr vorläufig“, sagte Kardinal Luis Tagle, einer der drei Synodenpräsidenten, am Montag nach der Veröffentlichung des Berichts. Vieles stehe noch zur Diskussion. „Das Drama geht weiter“, scherzte der Erzbischof von Manila.

Erdö räumte bei der Präsentation ein, dass es in der zweistündigen Aussprache am Montag in der Früh auch Kritik an dem Papier gegeben habe. 15 der 41 Wortmeldungen hätten konkrete Punkte bemängelt oder Präzisierungen angemahnt. Tagle warnte davor, die Synode in „Konservative“ und „Progressive“ einzuteilen. Solche Etikettierungen seien schwierig festzumachen.

Papst: Nicht an Lehre klammern

Am Rande der Synode äußerte sich am Montag auch Papst Franziskus selbst zum Konflikt zwischen Lehre und pastoralem Umgang mit Einzelfällen. Bei seiner Morgenmesse im Gästehaus Santa Marta, in dem der Papst nach wie vor wohnt, warnte er vor der Gefahr, sich zu stark an die Lehre zu klammern und damit nicht mehr für „Überraschungen“ offen zu sein, die Gott bereithalte.

Auch was Jesus getan habe, sei vielen Mitmenschen damals „seltsam vorgekommen“, so der Papst: „Dass er mit Sündern und Zöllnern zusammen aß. Er gefiel ihnen nicht, er war gefährlich, weil er die Lehre in Gefahr brachte, dieses Gesetz, das die Theologen über Jahrhunderte hinweg erstellt hatten.“ Dabei hatten sie dieses Gesetz - so räumte der Papst ein - „durchaus mit Liebe gemacht, und um Gott treu zu sein“. Aber sie seien „darin eingeschlossen gewesen“ und hätten vergessen, „dass Gott nicht nur der Gott des Gesetzes ist“.

Weitere Diskussion in Kleingruppen

Der Zwischenbericht ist Grundlage der Synodendiskussion in dieser Woche. Dazu debattieren die 191 Kardinäle und Bischöfe sowie die nicht stimmberechtigten Laien in zehn Gruppen. Jeweils zwei bis drei dieser Gruppen haben eine der vier wichtigsten Sprachen der katholischen Welt - Italienisch, Englisch, Französisch und Spanisch - als gemeinsame Konversationssprache. Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn wird eine der Gruppen leiten. Ende der Woche soll dann das Schlussdokument veröffentlicht werden.

religion.ORF.at/KAP/APA/Reuters

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