Kardinäle und Experten würdigen Paul VI.

Der wegen des Verbots der Pille auch umstrittene Papst hat in einer Zeit des Aufbruchs innerkirchliche Reformen weiter vorangetrieben. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. war von Paul VI. in den Kardinalsstand erhoben worden.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat Papst Paul VI. als „Vollender des Konzils und ersten wirklich modernen Papst“ gewürdigt. Der Papst, der von 1963 bis 1978 amtierte und am Sonntag in Rom seliggesprochen wird, habe die Kirche in einer schwierigen Zeit des Umbruchs zusammengehalten und viele Reformen durchgeführt, erklärte der Münchner Erzbischof am Freitag in Rom.

Kardinal Marx: Paul VI. erster wirklich moderner Papst

Sendungshinweis

Live: Seligsprechung von Paul VI.“ am Sonntag, 19. Oktober 2014, 10.30 Uhr, ORF III

Marx verwies auf die „mutigen und historischen Reisen“ des Papstes, das große internationale Engagement der Kirche in seinem Pontifikat sowie wichtige Enzykliken. So habe Paul VI. auch der Ehelehre der Kirche neue Akzente gegeben.

Ziel des Montini-Papstes sei es gewesen, den Dialog der Kirche mit der Welt zu verstärken, ohne sie dem Zeitgeist anzupassen, so Marx in der Erklärung weiter. „Diese Bestrebungen des Papstes haben Widerspruch gegen seine Person hervorgerufen. Darunter hat er sehr gelitten, denn es gab auch Ablehnung in der Kirche selbst.“ Oft sei Paul VI. verkannt worden. „Deshalb ist es gut, dass uns heute mit der Seligsprechung eine neue und sehr aktuelle Sicht auf ihn geschenkt wird.“

Abschluss des Konzils

Paul VI. brachte das von seinem Vorgänger Johannes XXIII. einberufene Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) zum Abschluss. Unter anderem aufgrund seines Dialogs mit der orthodoxen Kirche und mit dem Judentum sowie seiner Reisetätigkeit gilt er vielen als erstes „modernes“ Oberhaupt der katholischen Kirche. Die Bezeichnung „Pillenpapst“ bezieht sich auf Äußerungen zur Empfängnisverhütung und Geburtenregelung in der 1968 veröffentlichten Enzyklika „Humanae vitae“.

„Monstertanker auf Kurs gebracht“

Papst Paul VI. kommt das Verdienst zu, den „Monstertanker Katholische Kirche“ mit beinahe einer Milliarde Mitgliedern nicht nur auf neuen Kurs gebracht, sondern auch vor dem Auseinanderbrechen in stürmischer Zeit bewahrt zu haben. Das betont der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress.

Zwei Entscheidungen habe Paul VI. freilich dem Konzil entzogen und für sich reserviert: die Frage nach einer erneuten Duldung der Priesterehe und nach der Akzeptanz neuer Möglichkeiten aktiver („künstlicher“) Empfängnisverhütung.

Dennoch fällt die Gesamtbilanz Kliebers hinsichtlich des päpstlichen „Dienstes an der Einheit“ sehr positiv aus: In einem „Ranking“ der großen „Weichensteller“ der Kirchen- und damit der Weltgeschichte gebühre Paul VI. einer der oberen Ränge.

religion.ORF.at/KAP/APA