Neuer Woody-Allen-Film entzaubert „Geisterwelt“

Woody Allens neuer Film “Magic in the moonlight” startet als Liebesgeschichte zum Schmunzeln, entpuppt sich aber rasch als tiefschürfender Dialog zwischen Materialismus und Spiritismus.

Die ersten Bilder von „Magic in the moonlight“ zeigen eine Bühne im Berlin der 1920er Jahre. Dort vollbringt ein chinesischer Magier vermeintliche Wunder. Er lässt einen Elefanten vor den Augen des Publikums verschwinden, seine Assistentinnen werden zersägt und bleiben dennoch heil. Unerklärlich, nahezu unglaublich was da auf der Bühne des Varietes passiert. Ist das alles Trick oder hat da jemand tatsächlich übernatürliche Fähigkeiten?

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Jüdisches Filmfestival Wien

religion.ORF.at begleitet das neue monatliche Format „nightlaugh“ des Jüdischen Filmfestivals Wien als Medienpartner und berichtet über ausgewählte Programmpunkte.

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Rund 100 Jahre später kennt zumindest das Kinopublikum die Antwort und lässt sich nicht verführen. Rauben Einblicke in Wissenschaft und moderne Technik die Illusion und nimmt Rationalität die magischen Momente? Schnell wird klar, dass Allens Variete-Kulisse durchaus für mehr steht, als ein verstaubtes Theater im alten Berlin. Gut verpackt in einer Komödie greift Allen das Thema „Sein und Schein“ auf und stellt die Frage, was denn Illusion und was Wirklichkeit sei. Dabei wagt er sich bis in die Bereiche der Religionen vor.

„nightlaugh“ beim Jüdischen Filmfestival

Mit den Bildern von Woody Allens “Magic in the moonlight” startet das Jüdische Filmfestival Wien seine fortan einmal im Monat stattfindenden Vorstellungen. Jüdische Kultur soll als alltäglicher Teil der Gesellschaft präsentiert werden und darf auch zum Lachen und Schmunzeln anregen, erzählt Festivalkuratorin Sarah Stroß im Gespräch mit religion.ORF.at. Die Vorstellungen stehen unter dem Motto „nightlaugh“. Ein Motto, das kein leeres Versprechen im Wiener Votivkino bleiben soll. Gespielt werden sollen jüdische Filme mit Humor und Augenzwinkern, oder auch Streifen von jüdischen Filmschaffenden. Beim neuen Woody-Allen-Werk kommt man tatsächlich schnell ins Schmunzeln, um aber den jüdischen Konnex zu finden, muss man ein wenig tiefer schürfen.

Szenenfoto aus "Magic in the moonlight"

Gravier Productions/Jack English

Colin Firth spielt den Starmagier Stanley Crawford alias Wei Ling Soo und Emma Stone gibt das mit der Geisterwelt kommunizierende Medium Sophie

Bei “Magic in the moonlight” spielt Colin Firth den Starmagier Stanley Crawford alias Wei Ling Soo und legt ihn als eingebildeten Egoisten an. Als Vorlage für diese Figur hat sich Woody Allen wohl von Harry Houdini inspirieren lassen. Houdini wurde 1874 als Sohn des Rabbiners Samuel Weisz in Budapest geboren. Er machte als Entfesselungskünstler in Europa und später in den USA Karriere. Auch Woody Allens Familie stammt aus dem alten Österreich-Ungarn. Seine Großeltern waren Deutsch und Jiddisch sprechende Immigranten in New York.

Kampf gegen Spiritisten

Der Zauberer Houdini und seine jüdischen Wurzeln sind dem Filmemacher Allen also nicht fremd. In der damals entstehenden Spiritismus-Bewegung hielten viele Menschen Houdinis Zauberkunststücke für übernatürliche Wunder. Houdini bestritt aber immer vehement, dass esoterische Phänomene im Spiel seien und machte den Kampf gegen Spiritisten schließlich zu seiner Lebensaufgabe.

Szenenfoto aus "Magic in the moonlight"

Gravier Productions/Jack English

Sophie nimmt bei einer Seance Kontakt zur Geisterwelt auf

Genauso verhält es sich mit der Figur des Crawford im Film. Als er von einem Freund auf die Amerikanerin Sophie, gespielt von Emma Stone, aufmerksam gemacht wird, fährt er nach Südfrankreich an die Cote d’Azur und will ihre Tricks enttarnen. Doch das geht ordentlich schief, denn auch für ihn, den überzeugten Materialisten, der alles Wirkliche als Materie interpretiert oder von ihr ableitet, bleibt es unerklärlich, wie das junge Medium an all die Visionen gelangen kann. Sind das wirklich die Geister der Verstorbenen, die ihr Wissen über Klopfgeräusche und schwebende Kerzen aus dem Jenseits vermitteln?

Diskurs zwischen Materialismus und Spiritismus

Der aktuelle Allen-Film verzaubert weniger durch die absehbare Liebesgeschichte zwischen Stanley und Sophie, sondern besticht vielmehr durch Dialoge eines Drehbuchs, das hinter der beginnenden Romanze einen spannenden Diskurs zwischen dem philosophischen Materialismus und dem esoterischen Spiritualismus führt. Und hier scheint Allen durchaus reichlich autobiographisches in sein Drehbuch übernommen zu haben. Allen selbst bezeichnet sich als Atheisten, für den es in einem Jenseits nichts zu hoffen gibt. „Furchterregend und düster, ohne Ziel oder jegliche Bedeutung,“ sei ein Leben ohne Glauben an Gott, erzählt er in einem Interview zum neuen Film in der Süddeutschen Zeitung. Sein Leben sei "ohne Hoffnung“.

Allen bleibt bei “Magic in the moonlight” nicht bei der Interpretation von Beziehungen zwischen Menschen hängen, er legt die Rolle des „Stadtneurotikers“ ab und gräbt tiefer, stellt sich der Sinnfrage und beleuchtet, wie sehr man sich täuschen und blenden lassen kann und welche Konsequenzen das hat. Ist es besser ein Leben in Illusion zu führen und daraus Hoffnung und Freude zu schöpfen, oder ist man glücklicher, wenn man die Wahrheit kennt, die aber oft entzaubern kann?

Szenenfoto aus "Magic in the moonlight"

Gravier Productions/Jack English

Regisseur Woody Allen und seine beiden Hauptdarsteller Emma Stone und Colin Firth bei den Dreharbeiten

„Kein Freund der Religion“

Scheinbar macht sich Allen als Filmemacher dann doch mehr Gedanken über Religion und Glaube, als er es in Interviews immer wieder andeutet, etwa 2012 gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung. Damals sagte er, dass ihm Religionen keinen Pfennig wert seien. „Ich glaube nicht an Gott und finde ohnehin alle Religionen dumm,“ wird er wörtlich zitiert.

Doch das Faktum des Endlichen ist in manchen Situationen gar nicht so leicht auszuhalten, wenn man sich nicht tröstend in ein Jenseits flüchten kann, erzählt Allen in „Magic in the moonlight“. Stanley erlebt eine Situation, scheinbar ohne Hoffnung. Er beginnt in seiner Hilflosigkeit erstmals in seinem Leben zu beten und wendet sich an eine übernatürliche, göttliche Macht. Doch so wie Allen, widersteht auch seine Filmfigur schließlich der „magischen Versuchung“ des „Selbstbetrugs“ und landet wieder beim Materialismus.

Stanley wird trotz Krise und Verlorenheit, letztlich doch kein Diener des Transzendenten. Aber Allen bietet auch einen Lösungsansatz für den Konflikt zwischen dem „Begreifbaren“ und dem „Unbegreiflichen“. Indem er Stanley seine Liebe zu Sophia in die Realität umsetzen lässt, werden seine Visionen dann doch wahr und vielleicht sogar ein Stück Himmel auf Erden.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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