D: Anti-Islam-Demos sorgen für Polit-Wirbel

Als Reaktion auf Demonstrationen der Anti-Islam-Bewegung Pegida hat der Zentralrat der Muslime eine klare Positionierung der politischen Spitze gegen Rassismus eingefordert.

„Rassismus ist keine Meinung“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, am Dienstag in Dresden. Dort hatten sich am Montagabend laut Polizei 10.000 Menschen an einer Pegida-(„Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) Demonstration beteiligt, so viele wie noch nie.

Teilnehmer an der PEGIDA Demonstration in Dresden

REUTERS/Hannibal Hanschke

Teilnehmer an der „Pegida“ Demonstration in Dresden

Die Slogans der Demonstranten zeigten, dass Ausländerfeindlichkeit und antisemitischer Rassismus salonfähig geworden seien, sagte Mazyek. Bisher fehlende deutliche Worte von Bundespolitikern, angefangen bei der Kanzlerin, seien auch ein Grund dafür. „Aber was uns besonders erschreckt, ist, dass Teile des Bürgertums zumindest eine gewisse Sympathie haben oder meinen, dass das Establishment, die Politik, die Gesellschaft nicht in der Lage sind, die Probleme anzugehen.“ Das sei eine gefährliche Gemengelage. „Wir haben nicht fünf vor zwölf, sondern eher fünf nach zwölf“, sagte Mazyek.

Justizminister: Aufruf zur Distanzierung

Der deutsche Justizminister Heiko Maas hat nach der Kundgebung die etablierten Parteien zum gemeinsamen Eintreten gegen Aufmärsche rechtspopulistischer Islamkritiker aufgerufen. „Alle politischen Parteien sollten sich klar von diesen Protesten distanzieren“, sagte Maas am Dienstag zu Spiegel Online.

„Auch im politischen Meinungskampf gibt es Grenzen“, sagte Maas mit Blick auf die Aufmärsche. „Wenn auf dem Rücken von Menschen, die gerade alles verloren haben und hilfesuchend zu uns kommen, ausländerfeindliche Stimmung gemacht wird, dürfen wir nicht schweigen.“

Die von der Gruppe Pegida organisierten, öffentlichkeitswirksamen Aufmärsche von Islamfeinden und Rechtspopulisten zeichneten ein verzerrtes Bild über die Stimmung im Land, kritisierte der Minister. „Wir müssen klar machen: Diese Demonstranten sind nicht in der Mehrheit.“ Viele Menschen in Deutschland beteiligten sich an Hilfsaktionen für Flüchtlinge.

SPD, CDU, Linke und Grüne klar gegen, AfD für „Pegida"“

Auch SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi mahnte im „Handelsblatt“, eine klare Position gegen „Pegida“ zu beziehen. Die Stimmungsmache gegen Flüchtlinge sei schäbig. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, warnte in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“: „Diese Leute sind keine Patrioten, sondern gefährliche nationalistische Kräfte.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nannte die Bezeichnung als „Patriotische Europäer“ eine „Unverschämtheit“. Es gebe keine Gefahr der Islamisierung, betonte der Minister in einem Interview mit dem TV-Sender phoenix - schon gar nicht in Sachsen und Dresden, wo der Ausländeranteil bei etwa 2,2 Prozent liege.

CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach warnte die Bürger, sich für „extreme politische Ziele instrumentalisieren zu lassen“. Grünen-Chef Cem Özdemir rief dazu auf, jedem Versuch der Rechtspopulisten und Rechtsextremen entgegenzutreten und sprach von „bauernfängerischen Demonstrationen an Montagen.“

Die Bundesvorsitzende der Linken, Katja Kipping, gab der Union eine Mitschuld an der aktuellen Situation. Deren Innenminister hätten über Jahre hinweg zu diesem „Klima der Ablehnung“ beigetragen.

Der Parteichef der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, findet die Demonstrationen der Protestbewegung „Pegida“ dagegen gut. Sie zeigten, dass sich diese Menschen in ihren Sorgen von den Politikern nicht verstanden fühlten, sagte Lucke am Dienstag.

Klare Regeln für Demo-Teilnehmer

Die Alternative für Deutschland (AfD) will ihren Mitgliedern nicht verbieten, an den Demonstrationen der Anti-Islamismus-Bewegung Pegida teilzunehmen. Der Bundesvorstand der rechtskonservativen Partei forderte jedoch am Montag dazu auf, „klare Kante gegen Gesetzlosigkeit und Gewalt zu zeigen“ und sich von allen Extremisten zu distanzieren.

Konkret heißt das: Sollten bei den Protestveranstaltungen der vor allem in Dresden aktiven Bewegung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ Nazi-Symbole gezeigt oder rechtsextreme Parolen gerufen werden, sollten sich die AfD-Mitglieder zurückziehen. Die AfD-Spitze zeigte darüber hinaus Verständnis für die Proteste der Pegida-Demonstranten und erklärte: „Die jahrzehntelange Gängelei durch Medien und Altparteien hat dazu geführt, dass sich der Wunsch, gegen die Bevormundung im öffentlichen Raum aufzubegehren, in sonderbaren Formen äußert.“

An den Pegida-Veranstaltungen hatten zuletzt zahlreiche AfD-Anhänger teilgenommen, jedoch keine führenden Funktionäre der Partei, die inzwischen in drei Landtagen vertreten ist. Zu den Slogans von Pegida gehört unter anderem der Satz „Keine Glaubenskriege auf deutschem Boden“.

Der Erfolg von „Pegida“ in Sachsen

Von Woche zu Woche bekommt die Anti-Islam-Bewegung „Pegida“ in Dresden mehr Zulauf. Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt geht davon aus, dass das Bündnis bei vielen Menschen einen Nerv trifft. „Im Westen gibt es schon viele Zuwanderer und Flüchtlinge; dort hat man sich an sie gewöhnt - im Osten noch nicht“, sagte Patzelt der Deutschen Presse-Agentur.

Die Menschen in Ostdeutschland seien in den letzten 25 Jahren „heftig durchgerüttelt worden“. Jetzt hätten sie den Eindruck, dass endlich alles stimme: Die Arbeitslosigkeit gehe zurück, Straßen und Häuser seien in Ordnung. Ausgerechnet da stehe offenbar die nächste große Transformation der Gesellschaft an.

Hinzu kommt laut Patzelt, dass Sachsen von allen Bundesländern den größten Anteil von ausdrücklichen Rechten hat - also von solchen, die NPD wählen oder sich selbst als rechtsradikal empfinden. Zudem habe ein Land, in dem vorrangig CDU gewählt werde, mehr Rechte als Bundesländer, in denen die Mehrheit SPD wähle. Auch das gebe nicht-linken Protestbewegungen wie „Pegida“ mehr Resonanz.

religion.ORF.at/dpa/APA/AFP

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