Islamic Banking: Bedarf an Finanzprodukten steigt

Mehr als 1,6 Milliarden Muslime gibt es weltweit, doch der Bedarf an Anlage- und Sparprodukten, die dem religiösen Gesetz der Scharia entsprechen, ist noch lange nicht gedeckt.

Zinsen verboten, Investitionen in Glücksspiel, Waffen und Porno tabu: Trotz strenger Vorschriften zählt das Finanzwesen nach islamischem Recht in der Bankenwelt zu den wenigen florierenden Nischen. Westliche Banken könnten hier ein neues Geschäftsfeld erschließen, doch die meisten bleiben bisher auf Distanz. Dafür buhlen internationale Finanzzentren wie London und Luxemburg um das Geld von Scheichs und Staatsfonds.

Nach Berechnungen der Wirtschaftsberatungsfirma Deloitte machen schariakonforme Anlagen bisher nur ein bis zwei Prozent aller Finanzwerte weltweit aus. Aber das Geschäft zieht seit Jahren an. „Die wachsende muslimische Bevölkerung sucht nach Anlageprodukten, die ihren Bedürfnissen entspricht“, sagt Deloitte-Experte David Capocci. Sein Unternehmen rührt kräftig die Werbetrommel, um Investoren aus islamischen Ländern nach Luxemburg zu locken. Der Euro-Zwergstaat bringt sich als westliches Zentrum für orientalische Geldgeschäfte in Stellung.

Experten rechnen mit Anstieg

Deloitte geht davon aus, dass die in islamischen Finanzprodukten verwalteten Mittel bis 2018 von knapp zwei auf etwa 3,4 Mrd. Dollar (2,82 Mrd. Euro) ansteigen werden. In den letzten vier Jahren sei der Markt mit einer Jahresrate von 17,6 Prozent gewachsen. Mehr als 300 islamische Banken und über 750 Investmentfonds bräuchten Finanzdienstleistungen, heißt es in einer Studie.

Islamische CIMB-Bank in Malaysia

Reuters/Olivia Harris

Islamische CIMB-Bank in Malaysia

Elf der 20 größten Staatsfonds stammten aus islamischen Ländern - große Erträge aus dem Ölgeschäft müssten investiert werden. Luxemburgs Konkurrenz schläft aber nicht: Großbritanniens Premier David Cameron hat angekündigt, London zur Drehscheibe für islamische Finanzgeschäfte machen zu wollen. Eine britische Staatsanleihe unter Scharia-Recht gibt es bereits.

Die westliche Bankenbranche betreibt Geschäfte mit islamischen Anlageprodukten und Finanzdienstleistungen bisher hingegen eher auf Sparflamme. Eine Zeitlang hatte das noch anders ausgesehen: Wenn der Wall-Street-Riese Goldman Sachs einsteigt, ist das normalerweise ein wichtiges Zeichen. Die Erfahrungen der US-Investmentbank taugten aber nicht als Initialzündung.

Schwieriger Markt

2011 versuchte sich Goldman erstmals an einem sogenannten Sukuk, einer zinslosen Anleihe nach Scharia-Recht. Doch die Konzeption des Wertpapiers fiel bei islamischen Geistlichen durch. Erst 2014 gelang die Platzierung im zweiten Versuch. Ein Sprecher bezeichnete die Aktion zwar trotz der Anlaufschwierigkeiten als Erfolg, zu weiteren Plänen hielt er sich aber bedeckt.

Österreichische Banken bieten derzeit noch keine Produkte nach islamischem Recht an - mehr dazu in Islamic Banking: Weltweiter Trend ohne Österreich. Wie schwierig der Markt für Banken ist, zeigte sich zuletzt auch beim Börsengang des größten saudi-arabischen Kredithauses NCB. Während das Unternehmen die eigenen Geschäfte für schariakonform befand, rieten muslimische Geistliche vom Kauf der Aktien ab, weil das Zinsverbot nicht komplett eingehalten werde. Am Ende war das Börsendebüt auch ohne den Zuspruch der religiösen Gelehrten stark überzeichnet und wurde sogar zur zweitgrößten weltweiten Aktienpremiere des Finanzjahres 2014 nach dem chinesischen Onlinehändler Alibaba. Doch die Schwierigkeiten, es den Geistlichen recht zu machen, tragen kaum dazu bei, westliche Banken in den Markt zieht.

Magere Profite

Neben den Umständen, Finanzprodukte nach Scharia-Recht zu konzipieren, schrecken aber auch die mageren Profitmargen ab. Die Beratungsfirma Ernst&Young (EY) hat herausgefunden, dass die Eigenkapitalrendite bei islamischen Banken viel niedriger ist als bei traditionellen Geldhäusern. Das ist wenig verwunderlich: Das Anlageuniversum ist in der islamischen Finanzindustrie stark eingeschränkt - allein schon nur durch das Tabu, Unternehmen zu finanzieren, die mit Alkohol, Tabak, Rüstung, Schweinezucht sowie der Sex- und Unterhaltungs- oder Glücksspielindustrie zu tun haben.

Streng ausgelegt darf nach Scharia-Recht außerdem überhaupt nichts gehandelt werden, was dem Verkäufer nicht gehört. Dadurch kommen eigentlich nur reale Sachwerte wie Immobilien und Firmenanteile in Frage. Der für Banken lukrative Billionenmarkt an Derivaten, mit denen auf Kursentwicklungen an den Finanzmärkten spekuliert wird, bleibt hingegen verschlossen. Wegen des Mangels an Anlagemöglichkeiten liegen bei islamischen Banken deshalb in großem Stil Geldreserven brach - die wegen des Zinsverbots aber auch keine Profite bringen und somit in eine Art Ertragsdilemma führen.

religion.ORF.at/APA/dpa