IKG-Chef: „Kann verstehen, dass Juden auswandern“

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Juden dazu aufgerufen, nach Israel zu kommen, weil es in Europa nicht sicher sei. „Das ist seine Aufgabe“, sagte Oskar Deutsch von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG).

Netanjahu hatte wegen der jüngsten Anschläge auf die Zeitung „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt in Paris Israel als sichere Heimat für Juden gepriesen. IKG-Präsident Deutsch sagte gegenüber religion.ORF.at, dass Juden für sich selbst entscheiden müssten, ob sie in Europa bleiben oder nach Israel auswandern wollen. Und diese Entscheidung sei zu respektieren. Die Äußerung des israelischen Ministerpräsidenten sieht Deutsch als unproblematisch: „Ich glaube, es ist Teil seiner Aufgabe zu sagen, dass in Israel Platz für Juden ist.“

Oskar Deutsch

ORF/Marcus Marschalek

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien

Neuer Antisemitismus

Er könne aber verstehen, warum im vergangenen Jahr Tausende Juden aus Frankreich nach Israel ausgewandert seien, sagte Deutsch. Schließlich habe es in der Vergangenheit immer wieder tödliche Anschläge auf Juden und jüdische Institutionen - wie etwa eine Schule in Toulouse - gegeben. Zuletzt starben bei einer Geiselnahme in Paris vier Menschen, „nur, weil sie in einem jüdischen Supermarkt Essen für den Schabbat eingekauft haben“, sagte Deutsch.

Anders als in Frankreich gebe es in Österreich zwar keine Auswanderungswelle, aber „ein neuer, der islamistische Antisemitismus“ sei im Steigen, der Juden - neben dem klassischen Antisemitismus von rechter und linker Seite - bedrohe. „Europa befindet sich sicherlich in einer schwierigen Situation“, so Deutsch. In Österreich gebe es jedenfalls Anstrengungen des Innenministeriums gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, für die Sicherheit der Gemeindemitglieder und jüdischer Objekte zu sorgen.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at