KAICIID: „Wenn wir rufen, sollen alle kommen“

Der Druck auf das von Saudi-Arabien finanzierte König-Abdullah-Dialogzentrum hat sich wegen der Folterstrafe für den Blogger Raif Badawi erhöht. Jetzt verteidigt sich das in die Kritik geratene Zentrum.

Das Abdullah-Zentrum für Interreligiösen Dialog (KAICIID) in Wien reagierte auf den Sturm der Kritik, der durch den Fall des Bloggers in Saudi-Arabien neu entfacht wurde. In einer Aussendung erklärte Sprecher Peter Kaiser, dass die Türen des Dialogzentrums „für alle Interessierten offen“ seien. Vor dem Gebäude des KAICIID soll heute eine von den Grünen veranstaltete Mahnwache für den Blogger abgehalten werden.

Angesichts dessen lade das Zentrum Kritiker zum Gespräch ein, um über die Mission und Aktivitäten des Zentrums zu informieren, so Kaiser. Zu den laufenden und im ersten Halbjahr 2015 geplanten Initiativen zählten Workshops und Konferenzen, die in Österreich und anderen Ländern stattfänden, die Inhalte der Aktivitäten reichten von Social Media-Trainings gegen Verhetzung über die Entwicklung von Frühwarnindikatoren gegen Radikalisierung bis zu Dialogtrainings für Religionsführer.

„Unparteilichkeit wichtig“

Eine Verurteilung der Auspeitschungen des islamkritischen Bloggers Raif Badawi in Saudi-Arabien war in der Aussendung nicht zu finden: „Wir sind Mediatoren, Moderatoren und Förderer im interreligiösen Dialog. Wenn wir rufen, sollen alle kommen - auch Staaten, die das Schariarecht anwenden. Daher ist unsere Unparteilichkeit so wichtig“, erklärte Kaiser. „Anders können wir unsere Aufgabe für die wir geschaffen wurden, nicht erfüllen: Menschen an einen Tisch zu bringen, die normalerweise nicht miteinander sprechen.“ Betont wurde weiters, dass sich die Arbeit von KAICIID auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO gründe.

Inzwischen wurde die für Freitag angesetzte Auspeitschung laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International allerdings verschoben - und zwar „aus medizinischen Gründen“. Es sei unklar, ob und wann die Auspeitschung fortgesetzt wird. Badawis Ehefrau hatte sich gegenüber Amnesty International besorgt über den Gesundheitszustand des 31-Jährigen gezeigt, dessen Auspeitschung am vergangenen Freitag begonnen hatte. Nach der ersten Tranche von 50 Peitschenhieben habe Badawi gesagt, dass er eine weitere Auspeitschung nicht mehr überstehen werde.

1.000 Peitschenhiebe auf einmal kann ein Mensch nicht überleben. Deshalb sollte der saudische Blogger in den kommenden Wochen 20 Mal 50 Hiebe erhalten. Außerdem soll er zehn Jahre lang inhaftiert werden. Der Grund: Badawi hatte auf seiner Website gebloggt, dass Muslime, Juden, Christen und Atheisten gleichwertig seien. In Saudi Arabien gibt es keine Religionsfreiheit, der Islam ist die einzige anerkannte Religion.

„Unmenschliche Strafe“

Menschenrechtsaktivisten wollen die Begnadigung Badawis erreichen. So forderte etwa Amnesty International bei einer Kundgebung am Freitag vor der saudischen Botschaft in Wien die Freilassung des Bloggers. Kritik an der Strafe kam auch aus Österreich. Man verlange einen „sofortigen Stopp dieser unmenschlichen Behandlung“, hieß es aus dem Außenministerium. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) habe diesbezüglich mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und dem UNO-Menschenrechtskommissar Zaid Raad al-Hussein gesprochen, um mehr Druck auf Saudi-Arabien auszuüben.

Bundespräsident Heinz Fischer hat die saudische Staatsspitze um eine Begnadigung des Bloggers ersucht. In einem Gespräch mit dem saudischen Botschafter Mohammed Al Salloum habe Fischer betont, „wie sehr das Schicksal von Badawi die Möglichkeiten des Dialoges erschwere und beeinträchtige“, teilte die Präsidentschaftskanzlei am Freitag mit. Fischer sprach in diesem Zusammenhang von einer „unakzeptablen Art der Bestrafung“ und einer „unmenschlichen Strafe“.

Der Fall von Badawi hat für Österreich eine besondere Relevanz, da die Kritik an dem von Saudi Arabien finanzierten König-Abdullah-Zentrum für Interreligiösen Dialog dadurch neuen Aufwind erhält. Das von Saudi Arabien, Österreich, Spanien und dem Vatikan getragenen Dialogprojekt, hatte von Beginn an Kritiker auf den Plan gerufen. Nun, zwei Jahre nach der Eröffnung des Zentrums, wird auch aus der Regierung vermehrt Kritik an dem Dialogzentrum laut. Bisher hieß es, eine Schließung solle es vorerst nicht geben. Im Sommer solle die Arbeit des KAICIID erstmals vom Außenministerium evaluiert werden.

KAICIID unter Druck

Angesichts der Weigerung der Verantwortlichen, die Auspeitschungen Badawis zu verurteilen, ging nun auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) auf größere Distanz. Er wolle nun doch eine raschere Prüfung und in der Folge Entscheidung über eine mögliche Kündigung der entsprechenden Abkommen. Laut der Tageszeitung „Österreich“ habe Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) vor „populistischem Vorgehen“ gewarnt und sei gegen eine Schließung „ohne Prüfung, was das Zentrum inhaltlich macht“.

Die Grünen wollen bei der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates jedenfalls einen Antrag auf sofortige Schließung des Dialogzentrums einbringen. Wie Präsident Fischer, sprach sich auch Kardinal Christoph Schönborn in einer Stellungnahme gegen eine rasche Beendigung der Zusammenarbeit aus. „Gerade jetzt braucht es Brücken zwischen den Kulturen und Orte des Dialogs, vor allem dort, wo Entwicklungen besonders notwendig und die Beziehungen problematisch sind.“

religion.ORF.at/APA

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