KAICIID: Weiter Skepsis bei Religionsvertretern

Vor zehn Jahren ist in Mekka der Grundstein für das König-Abdullah-Zentrum (KAICIID) gelegt worden. Zwei Jahre nach der Eröffnung zeigen sich Religionsvertreter in Österreich skeptisch: Man habe mehr erwartet.

Das König-Abdullah-Zentrum für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog kommt nicht aus den Schlagzeilen heraus. Rund zwei Jahre nach seiner Eröffnung wird eine heftige politische Debatte über die Schließung des Dialogzentrums geführt. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) drängt auf eine rasche Evaluierung der Aktivitäten des Zentrums, hat aber bereits deutlich gemacht, dass er „keine Basis“ für eine Weiterführung sehe. Aus der ÖVP hieß es bisher, man wolle keine voreiligen Entscheidungen treffen.

Kirchen für Dialog

Das interreligiöse Zentrum ist zu einem Politikum geworden, bei dem sich religiöse Vertreter abseits des KAICIID-Direktoriums bisher kaum zu Wort gemeldet haben. Kardinal Christoph Schönborn hatte in einer Aussendung dafür plädiert, das Zentrum nicht einfach zuzusperren, auch wenn die österreichischen Behörden „gegenüber Institutionen wie dem KAICIID“ selbstverständlich wachsam sein müssten. Es sei „kontraproduktiv“, die Zusammenarbeit abzubrechen, denn gerade jetzt brauche es Brücken, schrieb der Kardinal.

Evangelischer Bischof Michael Bünker

APA/Herbert Neubauer

Michael Bünker, Bischof der evangelischen Kirche A.B.

Gegenüber religion.ORF.at sagte der Bischof der Evangelischen Kirche A.B., Michael Bünker, dass Dialog auch mit Ländern wie Saudi-Arabien grundsätzlich aufrechterhalten werden sollte. Die Kirche müsse sich überall für Religionsfreiheit einsetzen und sei stets für Dialog eingetreten. „Es braucht mehr und nicht weniger Dialog“, sagte Bünker.

„Es ist natürlich auch bei uns diskutiert worden“, ob eine Einrichtung, „die so deutlich von Saudi-Arabien unterstützt wird“, das richtige Signal ist. „Dass in Saudi-Arabien die Menschenrechte und Religionsfreiheit mit Füßen getreten und Menschen ausgepeitscht werden“, habe man aber bei der Gründung schon gewusst, sagte Bünker. Er empfinde es als merkwürdig, dass man darüber jetzt überrascht sei.

Schließung „kein Verlust“

Die evangelische Kirche sei immer wieder zu Veranstaltungen des Dialogzentrums eingeladen worden und habe die Arbeit beobachtet. „Für mich waren nicht viele Ergebnisse erkennbar“, sagte Bünker. Seine anfängliche Skepsis gegenüber dem KAICIID habe der Bischof noch nicht verloren, wenngleich das Direktorium des Dialogzentrums für ihn „außer Zweifel“ stehe. „Das sind Vertreter von Kirchen, die ich kenne, und zu denen ich auch Vertrauen habe.“ Evangelische Kirchen seien darin aber nicht vertreten.

Einer möglichen Schließung des Zentrums steht der Bischof zwiespältig gegenüber. „Wenn es geschlossen wird, ist es kein Verlust“, aber andererseits sei die Initiative, falls sie wirklich dem Dialog diene, zu begrüßen. Eine Evaluierung der Aktivitäten, wie sie von der Regierung bereits angekündigt wurde, hält Bünker jedenfalls für sinnvoll.

Gerhard Weißgrab

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Gerhard Weißgrab, Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgemeinschaft

Mit „Sorge und Sorgfalt“ beobachte die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft (ÖBR) die Entwicklungen im Abdullah-Zentrum sowie in Saudi-Arabien, sagte ÖBR-Präsident Gerhard Weißgrab gegenüber religion.ORF.at. Der Abbruch eines solchen Meinungsaustausches sei das „letzte Mittel und gleichzeitig ein dramatisches Zeichen für ein Scheitern“. Momentan sei man für ein Weiterführen des Dialogs. Aber sollte sich das Zentrum als „Feigenblatt“ herausstellen, das für Saudi-Arabien „Gutwetter machen“ soll, müsse der Dialog enden.

„Gekommen, um uns Dialog zu lehren“

Was die bisherigen Aktivitäten des KAICIID betrifft, äußerte sich Weißgrab kritisch. Der interreligiöse Dialog habe „sicher nicht in der Form“ stattgefunden, wie er zu erwarten gewesen wäre. Er habe den Eindruck gewonnen, dass das Zentrum gekommen sei, um „uns den Dialog zu lehren“, sagte Weißgrab. „Das ist eine Themenverfehlung. In Österreich passiert der Dialog auf einem sehr hohen Niveau.“

Ähnlich sieht das die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich: „Bisher war das Zentrum so international, dass es fast völlig auf die gewachsene Dialogkultur in Österreich selbst verzichtete“, so IGGiÖ-Sprecherin Carla Amina Baghajati zu religion.ORF.at. „Für mehr Bodenhaftung wäre es eine gute Überlegung, das in Zukunft zu ändern.“ Die bisher veranstalteten Konferenzen bewertet die IGGiÖ positiv. Sie seien so gestaltet gewesen, „dass es sehr ehrliche Auseinandersetzungen gab“.

IGGiÖ rät zu mehr Bodenhaftung

Die vonseiten der Politik erwogene Überlegung, das Zentrum breiter aufzustellen, indem weitere Länder hinzugewonnen werden, hält Baghajati für sinnvoll. Es könne ein wichtiger Schritt sein, um eine größere Rezeption der Konferenzergebnisse zu erzielen. „Damit wäre aber auch gewährleistet, dass kritisch nachgefragt werden kann, ob schöne Schlusserklärungen dann auch implementiert werden“, so Baghajati.

Carla Amina Baghajati

kathbild/Franz Josef Rupprecht

Carla Amina Baghajati, Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich

In den zwei Jahren seines Bestehens konnte das Zentrum mit seinen Aktivitäten auch Religionsvertreter nicht überzeugen. Untätig ist es allerdings nicht geblieben. Erst im vergangenen November organisierte das KAICIID eine große Konferenz in Wien, bei der hochrangige Religionsführer eine gemeinsame Deklaration gegen die Gewalt im Namen der Religion verabschiedeten. Die Teilnehmer erarbeiteten auch Handlungsempfehlungen, die nun schrittweise umgesetzt würden, erklärte das Dialogzentrum nach der Konferenz in einer Aussendung.

Außerdem halte das KAICIID gemeinsam mit dem Büro der Vereinten Nationen für die Verhütung von Völkermord Trainings für Religionsführer und religiöse Organisationen ab und entwickle praktische Maßnahmen zur Verhinderung von Verbrechen und Gräueltaten. Darüber hinaus würden Frühwarnindikatoren gegen die Radikalisierung entwickelt. Aus politischen Fragen hat sich das Zentrum bisher herausgehalten, konkrete Fälle von Menschenrechtsverletzungen - wie etwa die Auspeitschung des saudischen Bloggers Raif Badawi - wurden nicht kommentiert.

Start in Mekka

Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) kritisierte am Dienstag, dass das KAICIID seiner Aufgabe zum Dialog nicht gerecht werde und - im Gegenteil - den Dialog behindere. Er finde die „Grundidee“ des Abdullah-Zentrums aber nach wie vor gut. Die Idee, eine globale Dialogplattform zu etablieren, wurde erstmals bei dem Islamischen Gipfeltreffen in Mekka im Jahr 2005 präsentiert. Zwei Jahre später trafen sich König Abdullah Bin Adbulaziz und Papst Benedikt XVI. im Vatikan und erörterten Details zu einer Initiative für interreligiösen Dialog.

2008 versammelten sich 500 muslimische Gelehrte, um über Dialog innerhalb des Islam und Möglichkeiten des Dialogs mit Angehörigen anderer Religionen zu diskutieren. Im selben Jahr fand eine interreligiöse Konferenz in Madrid statt, bei der weitere Weichen für die Entstehung des König-Abdullah-Zentrums gestellt wurden. Auch vonseiten der Vereinten Nationen kamen positive Signale. Die UNO-Vollversammlung sprach sich für die Wichtigkeit des interreligiösen Dialogs aus, und bei der Weltkonferenz für Dialog in Wien wurde schließlich eine Arbeitsgruppe einberufen, die sich damit befassen sollte, wie ein internationales Dialogforum mit Sitz in Wien gegründet werden könnte.

Misstrauen von Beginn an

Im Oktober 2011 gründeten Österreich, Spanien und Saudi-Arabien schließlich gemeinsam das heftig diskutierte König-Abdullah-Zentrum. Im November 2012 wurde die Einrichtung offiziell eröffnet. Schon damals äußerten Kritiker ihr Misstrauen gegenüber dem Dialogzentrum. Im Mittelpunkt der Kritik stand Saudi-Arabien, ein Land, in dem Religionsfreiheit nach wie vor inexistent ist.

Die österreichische Regierung hatte die Kritik der Opposition, das Zentrum diene Saudi-Arabien als Feigenblatt, mit der Begründung, das König-Abdullah-Zentrum solle den Dialog zu Saudi-Arabien ermöglichen, zurückgewiesen. Der Dialog könne die Position der liberalen Kräfte im Land stärken und sich so positiv auf die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien auswirken. Eine Hoffnung, die, wie es scheint, immer weniger Menschen teilen.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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