Ruanda-Genozid: Vatikan soll Schuldige geschützt haben

Der Vatikan habe am Völkermord in Ruanda beteiligte Geistliche vor Strafverfolgung geschützt - diese Anschuldigung erhob der ehemalige UN-Richter Wolfgang Schomburg.

Neben hochrangigen Politikern und Militärs hätten sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda auch katholische Priester verantworten müssen, „die schwer in den Genozid verwickelt waren“, sagte der Jurist Wolfgang Schomburg dem „Badischen Tagblatt“ in seiner Dienstagsausgabe. „Leider hat der Vatikan sie noch lange hinterher gedeckt“, so Schomburg. Ohne das Tribunal wären die Hauptverantwortlichen nie zur Rechenschaft gezogen worden, sagte Schomburg, der als erster Deutscher von 2001 bis 2008 Mitglied des UN-Kriegsverbrechertribunals war.

„Schlachten“ verhindern können

Schomburg übte auch Kritik am internationalen Umgang mit dem Völkermord, dem 1994 schätzungsweise 800.000 Menschen zum Opfer fielen, vor allem die Gruppe der Tutsi. Das UN-Tribunal sei zu spät eingerichtet worden, „das war ein großer Fehler“, sagte der Jurist.

„Der Völkermord hätte zwar vielleicht nicht verhindert werden können“, sagte Schomburg, aber das „große Ausmaß durchaus“. Das Tribunal hätte „bereits Ende 1993, spätestens im Januar 1994“, eingerichtet werden müssen. „Hilferufe kamen von allen Seiten, sie wurden im UN-Hauptquartier absichtlich überhört“, sagte Schomburg.

Kein Interesse an Aufklärung

Der frühere Richter kritisierte in dem Interview auch die Rolle einiger Franzosen in Ruanda in den 90er Jahren. Manche stünden „unter dem dringenden Verdacht, durch Waffenverkäufe, Waffenverteilung und logistische Ausbildung der Hutu am Völkermord massiv mitgewirkt zu haben. Kein Franzose ist jemals zur Rechenschaft gezogen worden. Versuche der ruandischen Justiz, das zu ändern, scheiterten. Dieses Kapitel wird nun von Historikern aufgearbeitet. In Frankreich besteht wenig Interesse, diese dunkle Seite selbst aufzuklären“, sagte Schomburg.

Trotz fehlender Unterstützung für das Tribunal habe Ruanda Fortschritte gemacht und den Völkermord juristisch gut aufgearbeitet, zügiger sogar als seinerzeit Deutschland den Holocaust, meinte Schomburg. Ähnliche Sonderstrafgerichte sollten auch für andere Völkerrechtsvergehen eingesetzt werden. „Wo bleiben die Verfahren gegen die Verantwortlichen, die möglicherweise Straftaten begangen haben in Ausübung ihres Amtes, sei es in Tschetschenien oder Guantanamo?“, fragte Schomburg.

religion.ORF.at/APA

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