Ethikunterricht: Etwa sieben Prozent in Schulversuch

Seit 1997 gibt es den Schulversuch Ethik an österreichischen Schulen. Insgesamt haben 18.000 beziehungsweise etwa sieben Prozent aller Oberstufenschüler das Fach belegt.

Derzeit wird an 234 AHS-Oberstufen bzw. berufsbildenden mittleren oder höheren Schulen (BMHS) Ethik als Pflichtgegenstand für Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, unterrichtet. Den Hintergrund für die seit den 1990er-Jahren immer wieder geführte Diskussion um den Ethikunterricht bildet die gesellschaftliche Entwicklung: Der Anteil der Personen ohne Religionsbekenntnis stieg in den vergangenen Jahrzehnten beständig, von lediglich vier Prozent im Jahr 1951 auf 14 Prozent 2001.

Ab 14 Jahren haben Schüler zudem die Möglichkeit, sich ohne Einwilligung der Eltern vom Religionsunterricht abzumelden. „Dieser Möglichkeit kamen sie auch in verstärktem Ausmaß nach“, so der Rechnungshof zuletzt.

Ohne Schulversuch Freistunde

Vom Religionsunterricht abgemeldete Schüler haben derzeit ohne Schulversuch eine Freistunde. In Schulen mit Schulversuch müssen sie dagegen verpflichtend am Ethikunterricht teilnehmen - was tendenziell die Attraktivität der Abmeldung vom Religionsunterricht einschränkt.

2011 wurden in einem Bericht des Bildungsministeriums, der im Zuge einer parlamentarischen Enquete diskutiert wurde, drei unterschiedliche Modelle für die mögliche Einführung von Ethikunterricht dargelegt. Eine flächendeckende Einführung von Ethik als alternativer Pflichtgegenstand, wie in den Schulversuchen erprobt, würde etwa 44 Mio. Euro pro Jahr kosten. Die Etablierung eines eigenständigen, zusätzlichen Pflichtgegenstandes im Umfang von einer Stunde käme auf 53 Mio. Euro, bei zwei Stunden auf 106 Mio. Euro. Würde Ethik als Lehrplanbestandteil eines anderen Pflichtgegenstandes integriert, entstünden demnach Kosten von 33 Mio.

Bisher scheiterte die flächendeckende Einführung von Ethik vor allem an den unterschiedlichen Vorstellungen der beiden Regierungsparteien: Während die ÖVP nur alle Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, zu Ethikstunden verpflichten wollte, wünschte sich die SPÖ ein Pflichtfach Ethik für alle. Im Programm der Regierung „Faymann I“ hatte die Koalition sich 2008 eigentlich eine Einigung in dieser Frage vorgenommen. Im aktuellen Arbeitsprogramm der Bundesregierung findet sich der Ethikunterricht nicht.

Grüne wollen Fach „Ethik und Religionen“

Für einen verpflichtenden, weltanschaulich möglichst neutralen „Ethik- und Religionenunterricht“ im Umfang von zwei Stunden pro Woche für alle Schüler sprach sich am Mittwoch der Bildungssprecher der Grünen, Harald Walser, aus. Der konfessionelle Religionsunterricht befinde sich „in der Krise“ und sollte zukünftig gesondert und nur auf freiwilliger Basis angeboten werden.

Da der bisherige Religionsunterricht immer weniger Schüler erreiche, sei es umso wichtiger, dass Themen wie Gewalt, die Stellung der Frau in der Gesellschaft oder Standpunkte zur Todesstrafe in den Klassen gemeinsam und unter Anleitung diskutiert werden. Das wäre auch eine Möglichkeit, der möglichen Radikalisierung von Schülern entgegenwirken, so Walser bei einer Pressekonferenz in Wien.

Angesichts der Tatsache, dass es in Österreich aktuell 16 Religionsgemeinschaften gibt, die theoretisch alle ein Recht auf einen eigenen Religionsunterricht haben, sei die flächendeckende Einführung des verpflichtenden Ethikunterrichts für alle laut Walser wahrscheinlich auch die kostengünstigere Variante. Für die Umsetzung der Maßnahme sei ein Zeitraum von etwa zehn Jahren realistisch.

ÖVP verteidigt Fach Religion

Für eine faktische Abschaffung des konfessionellen Religionsunterrichts sei die ÖVP nicht zu haben, so ÖVP-Bildungssprecherin Brigitte Jank in einer Reaktion auf den Vorstoß der Grünen. In einer pluralistischen Gesellschaft sei die Vermittlung von Werten ein unverzichtbarer Bestandteil in der Ausbildung der heranwachsenden Jugend. „Konfessioneller Religionsunterricht hat für eine werteorientierte Gesellschaft einen unverzichtbaren Stellenwert. Daran darf auch in Zukunft nicht gerüttelt werden“, so Jank.

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hat unterdessen bei Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) bereits wegen zusätzlicher Finanzmittel für den Ethikunterricht vorgefühlt. Wie die Tageszeitung „Heute“ (Mittwoch-Ausgabe) berichtet, habe sie eine Aufstockung des Budgets für ihr Ressort um 200 Millionen Euro für die zuletzt von mehreren Seite geforderte Einführung von Ethik und Politischer Bildung als eigene Fächer gefordert - was Schelling jedoch ablehnte. Die Kosten der von Walser geforderten Variante wurden 2011 bei einer parlamentarischen Enquete mit 106 Mio. Euro pro Jahr beziffert (ohne Gegenrechnung der Einsparungen bei Religion).

Religionsunterricht „kein Pflichtfach mehr“

Angesichts der Möglichkeit, sich ab 14 Jahren vom Religionsunterricht abzumelden, sei klar, dass es Religion als Pflichtfach eigentlich nicht mehr gebe, erklärte der Salzburger Religionspädagoge Anton Bucher bei der Pressekonferenz. Dazu käme, dass sich laut einer Studie an Gymnasien bereits 80 Prozent der katholischen Religionslehrer dazu bekennen, den Schülern auch Wissen über andere Glaubensrichtungen zu vermitteln. Nur noch 29 Prozent gehe es vorrangig um die Vermittlung der Glaubenslehre der katholischen Kirche. Wäre dieser Prozentsatz höher, würden sich vermutlich „noch mehr Schüler abmelden“, zeigte sich Bucher überzeugt.

Die seit 1997 bestehenden Schulversuche zum verpflichtenden Ethikunterricht würden trotz guter Ergebnisse bei Evaluationen und Untersuchungen „vor sich her dümpeln“. Die momentan neun verschiedenen Lehrpläne, nach denen die geschätzt knapp 18.000 Schüler unterrichtet werden, müssten zu einem zusammengeführt werden. Außerdem forderte der Experte Verbesserungen bei der Lehrerausbildung in dem Bereich.

religion.ORF.at/APA

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