Islamgesetz: Muslime kündigen Verfassungsklage an

Das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft (NMZ) hat am Dienstag eine Verfassungsklage angekündigt. Der Schurarat der Islamischen Glaubensgemeinschaft habe dem Gesetz zudem nie zugestimmt.

Bisher haben der größte türkische Verein ATIB, der zahlreiche Moscheen betreibt, und die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) angekündigt - das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft hat sich den beiden Vereinen nun angeschlossen: „Sollte das Gesetz im Nationalrat verabschiedet werden, ist das Netzwerk Muslimische Gesellschaft nicht nur gewillt, vor den Verfassungsgerichtshof zu gehen, sondern das Anliegen auch im Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzubringen“, hieß es bei der Pressekonferenz am Dienstag.

Kritik an „Ungleichbehandlung“

Das NMZ, ein loser Verband von Muslimen unterschiedlicher islamischer Konfessionen und Denkschulen, erneuerte hiermit seine Kritik an dem Gesetz. Die Vertreter sprachen sich besonders gegen das Auslandsfinanzierungsverbot von Gemeinden aus. Es wird als Ungleichbehandlung gegenüber anderen Religionen empfunden - eine Kritik, die von Muslimen und Verfassungsexperten bereits häufiger geäußert wurde. Das Gesetz beinhalte zudem sicherheitspolitische Aspekte.

Ibrahim Yavuz, Mitbegründer des Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft

Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft

Ibrahim Yavuz, Mitbegründer des Netzwerks Muslimische Zivilgesellschaft, kündigt Widerstand gegen das Islamgesetz an

Der aktuellen Gesetzesnovelle war eine lange, heftige Debatte vorausgegangen. Nach langer Diskussion über zentrale Punkte schien die Vertretung der Muslime nun einverstanden und das Gesetz beschlossene Sache: Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), Fuat Sanac, hatte vergangene Woche eine Stellungnahme des Schurarats veröffentlicht, die sich wie ein Einverständnis - wenngleich mit Bedenken - liest. Einige Tage später tauchte allerdings eine zweite Version der Stellungnahme auf, aus der eine Ablehnung des Islamgesetzes hervorgeht.

Manipulationsvorwürfe gegen Sanac

„Wenn der Verstand jetzt sagt, dass von einer denkbar verfahrenen Ausgangslage im Herbst weg doch noch in einem beständigen Dialog Kompromisse erreicht werden konnten, ist dies kein Einverständnis mit dem Gesetz. Der Status quo wird zur Kenntnis genommen“, heißt es dort. Weiters ist in dem Text, der von Mitgliedern des Schurarat selbst an die Öffentlichkeit gebracht wurde, von einem drohenden „Bruch der österreichischen Tradition im Umgang mit Religionsgesellschaften“ die Rede. Das sei der Inhalt der Stellungnahme, auf die sich der Schurarat verständigt habe, monieren nun Muslime in Sozialen Netzwerken.

In der Stellungnahme, die Fuat Sanac schließlich auf der Website der IGGiÖ veröffentlichte, sind diese Passagen verschwunden oder in nur abgeschwächter Form auffindbar. In den Auszügen aus dem Protokoll, die religion.ORF.at vorliegen, geht hervor, dass der Rat dem Gesetz nicht zustimmen wolle, eine abschließende Ausformulierung der Stellungnahme aber im Nachhinein erfolgen solle.

„Marode Strukturen“ der IGGiÖ

Murat Güröl vom NMZ kündigte am Dienstag an, sich an das Schiedsgericht der größten Muslimevertretung zu wenden und Klärung über die Beschlussfähigkeit des Gremiums bei der letzten Sitzung einzufordern. Es wird kritisiert, dass der Rat aufgrund des Fehlens einiger Mitglieder - laut den Statuten der IGGiÖ -gar nicht beschlussfähig gewesen sei. „Die maroden/ineffizienten Strukturen der IGGiÖ, den politischen Vertretern der Verhandlungen offenbar vollkommen bewusst, trugen zum Fiasko der Verhandlungen ihren Teil bei“, hieß es in einer Aussendung der NMZ nach der Pressekonferenz.

„Zwangskirche“ für Muslime

Gegenüber religion.ORF.at sagte Ibrahim Yavuz vom NMZ, dass, obwohl das Gesetz schon in Kürze beschlossen werden könnte, der Protest weitergehen werde. „Unser Widerstand gegen islamfeindliche Politik und Hetze ist noch lange nicht zu Ende“, so Yavuz. Die Regierung und der Nationalrat könnten davon ausgehen, „dass wir eine Zwangskirche niemals akzeptieren werden“.

Eine solche sehe das Islamgesetz nämlich für Muslime vor. Man werde der „Verkirchlichung des Islam“ entgegentreten. In einer Aussendung vom vergangenen Montag hatte sich das NMZ bereits kritisch zu den Plänen der Regierung geäußert: „Seit Beginn der Verhandlungen herrschen mangelnde Transparenz, fehlende Partizipationsmöglichkeiten, sowie kaum Kommunikation.“

Protest der muslimischen Basis

Man werde nicht akzeptieren, dass „trotz Verfassungswidrigkeit und mangelnder Konformität mit internationalem Recht“ das Gesetz am Mittwoch im Parlament verabschiedet werden soll. Die Muslime orten einen auf ihrem Rücken ausgetragenen Wahlkampf. In der Aussendung des Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft forderte das NMZ eine „sofortige Reformierung der Strukturen der IGGiÖ“ sowie eine Trennung von Staat und Religion.

Der von Kultusminister Josef Ostermayer (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) vorgelegte Gesetzesentwurf stieß kurz nach der Veröffentlichung auf breite Kritik. Besonders Muslime, aber auch Verfassungsjuristen hatten Einwände an dem Entwurf vorgebracht. Die MJÖ initiierte kurz nach der Präsentation der Gesetzesnovelle eine Bürgerinitiative gegen das Islamgesetz. Die Jugendorganisation hatte kritisiert, Muslime würden durch die Novelle zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Mehr als 20.000 Personen hatten die Bürgerinitiative unterschrieben.

Kurz: „Vorbild für Europa“

Nun wurde die Gesetzesnovelle geringfügig abgeändert: So sollen etwa vom Ausland finanzierte Imame nun noch bis zu einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes, statt, wie ursprünglich vorgesehen, bis Ende 2015, in Österreich tätig bleiben können.

Trotz der Unzufriedenheit der muslimischen Basis gab sich der Außenminister Sebastian Kurz im Ö1-Morgenjournal am Dienstag gelassen und zufrieden mit dem Gesetz, das am Mittwoch vom Nationalrat mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen werden soll. Er wünsche sich einen Islam europäischer Prägung und sehe das Islamgesetz in mehrerer Hinsicht als mögliches Vorbild für Europa. Für den Minister steht bereits fest, dass man an den Eckpfeilern des Gesetzes festhalten werde.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at/APA

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