Konferenz über Zukunft der Christen im Orient

Eine internationale Konferenz in Bari hat sich mit der Zukunft der Christen im Nahen Osten beschäftigt. Verabschiedet wurden Appelle an die internationale Gemeinschaft und an die Muslime, der Gewalt eine Ende zu setzen.

In der Geschichte der arabischen Welt waren die christlichen Gemeinschaften immer ein Faktor der Öffnung und eine „Garantie des Pluralismus“; ihre Eliminierung würde einem „Selbstmord des Pluralismus“ gleichkommen, den Preis müssten dann auch die Muslime zahlen, „vor allem die Frauen“, dies betonte der Gründer der geistlichen Gemeinschaft Sant’Egidio, Andrea Riccardi, zum Abschluss einer internationalen Konferenz über die „Die Zukunft der Christen im Nahen Osten“ im süditalienischen Bari.

Tagung über die Zukunft der Christen im Nahen Osten.

San'egidio

Vertreter zahlreicher christlicher Kirchen waren nach Bari zur Tagung über die „Christen im Nahen Osten“ gekommen

Sant’Egidio war zusammen mit der Erzdiözese Bari-Bitonto die Ausrichterin der Konferenz, an der zahlreiche Experten und Kirchenvertreter aus dem Nahen Osten teilnahmen. Die christlichen Gemeinschaften hätten im Orient stets als Damm gegen die totalitären Tendenzen im Islam gewirkt und zugleich einen wichtigen Beitrag zu den fruchtbarsten Perioden der arabischen Gesellschaften geleistet, so Riccardi. Im Verlauf der Geschichte seien die Christen im Orient zwar immer wieder der Gewalt ausgeliefert gewesen, aber jetzt gebe es in weiten Gebieten eine dramatische „ethnische Säuberung“, die in der Geschichte ohne Beispiel sei.

„Hass verzerrt das Antlitz des Islam“

Die Christen - und alle anderen Minderheiten - seien durch das erbitterte Ringen der Türkei, Saudi-Arabiens und Ägyptens um die Vorherrschaft im sunnitischen Bereich der tödlichen Gefahr schwerwiegender Instabilität ausgesetzt, betonte Riccardi. Man müsse daher die Muslime in einem ständigen Gespräch an ihre Verantwortung erinnern: „Man muss ihnen begreiflich machen, dass sie nicht die ganze Welt wegen ihrer internen Auseinandersetzungen in Geiselhaft nehmen können. Ihr gegenseitiger Hass verzerrt das Antlitz des Islam. Sie müssen wissen, dass ihr Ansehen in der Welt sinkt: Überall herrscht Angst vor dem Islam, dessen zerstörerische Tendenzen gefürchtet werden.“ Es sei richtig, dass „das Volk des Islam“ leide und den Frieden wünsche, aber seine Stimme werde von den Hasspropheten zugedeckt.

Für den Gründer von Sant’Egidio ist eine Lösung - „oder zumindest ein Waffenstillstand“ - im innerislamischen Konflikt die Voraussetzung für die Rettung der nahöstlichen Christenheit: „Nur dann werden wir weniger Flüchtlinge haben und nur dann werden wir die selbsternannten Glaubenskämpfer, die aus aller Welt in den Nahen Osten strömen, stoppen können“. Für eine komplizierte Situation gebe es keine einfachen Lösungen, so Riccardi.

„Ungeheure menschliche Katastrophe“

Am Mittwochabend hatte in der Nikolausbasilika von Bari ein ökumenisches Friedensgebet für die bedrohten Christen des Nahen Ostens stattgefunden. Dabei wurde ein Sendschreiben des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. verlesen, in dem er „ein Verschwinden der Christen des Orients“ als eine „ungeheure menschliche Katastrophe“ bezeichnete. Sie würde die spirituellen Wurzeln zur Bewältigung der Herausforderungen der Gegenwart abschneiden. Der Patriarch von Konstantinopel erinnerte daran, dass die Christen des Orients die Erben der frühen Christenheit sind, die mit ihren spirituellen, sprachlichen, kulturellen Traditionen das gegenwärtige weltweite Christentum geprägt haben. Die christlichen Gemeinschaften des Nahen Ostens seien zugleich die lebendigen Zeugen einer Koexistenz mit der islamischen Welt, die von den Fundamentalisten nicht mehr akzeptiert werde.

Bartholomaios I. verwies darauf, dass die gegenwärtige Krise die Nahost-Christen im „Ökumenismus des Blutzeugnisses“ zusammengeführt habe. Er nahm damit eine Formulierung von Papst Franziskus auf und erinnerte an sein Treffen mit ihm im vergangenen November in Istanbul. Er hoffe, so Bartholomaios I., dass diese neue Leidensgemeinschaft der Konfessionen auch zu konkreten Fortschritten bei der Suche nach kirchlicher Einheit führe. Er wandte sich zugleich dagegen, die Ostchristen nur als schwache Opfer zu sehen. Sie gingen auf die Ursprünge des Christentums zurück und verfügten auch über eine „enorme Standfestigkeit“.

Der Ökumenische Patriarch appellierte an die internationale Gemeinschaft, in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht zu handeln, damit die Christen des Orients und ihr Verschwinden nicht „zu einem Kapitel in den Geschichtsbüchern“ wird. Die Geschichte des Nahen Ostens sei aus dem Pluralismus der Handelskontakte, aber vor allem auch des geistigen und spirituellen Austausches erwachsen, der ohne die Christen nicht denkbar sei. Nur der „globale Kampf gegen den Fundamentalismus“ könne die ständige Präsenz der Christen in jener Region sichern, in der sie „erstmals mit diesem Namen bezeichnet wurden“.

Gebet für entführte Metropoliten von Aleppo

Der an der Kurie des Patriarchen in Damaskus tätige syrisch-orthodoxe Metropolit Mar Dionysios Jean Kawak sagte bei dem Friedensgebet, der sogenannte „Arabische Frühling“ habe den Exodus der Christen verstärkt, weil die Religionsfreiheit nicht respektiert werde. In Syrien sei das Volk verzweifelt, es gebe keine Arbeit und vielfach auch kein Dach über dem Kopf, Millionen seien auf der Flucht. In besonderer Weise rief der Metropolit zum Gebet für die beiden entführten Aleppiner Erzbischöfe Mar Gregorios Youhanna Ibrahim und Boulos Yazigi sowie den ebenfalls entführten syrisch-italienischen Jesuiten P. Paolo Dall’Oglio auf.

Wörtlich sagte Mar Dionysios: „Die internationale Gemeinschaft meint, die Krise mit Waffen lösen zu können, auf diese Weise verursacht sie noch mehr Gewalt und totale Zerstörung. Ich appelliere an die Weltkirche, damit sie den Christen hilft, sicher in ihrer Heimat bleiben zu können“. Der melkitische griechisch-katholische Patriarch von Antiochien, Gregorios III. Laham, entzündete bei dem Friedensgebet eine Kerze, um „die Flamme der Hoffnung auf Frieden in Syrien und im ganzen Nahen Osten“ zu nähren.

Zum Auftakt des Symposions hatte am Mittwoch Kardinal Leonardo Sandri, Präfekt der vatikanischen Ostkirchen-Kongregation, festgehalten, dass es „keinen Nahen Osten ohne Christen“ geben könne. Sandri rügte die „Gleichgültigkeit und Tatenlosigkeit“, in die sich die internationale Gemeinschaft angesichts der Tragödien in Syrien und im Irak „resignativ gefügt“ habe. Ebenso kritisierte Sandri die „Unfähigkeit“ der christlichen Politiker im Libanon, die nicht im Stande seien, einen Konsens über den neuen Staatspräsidenten herzustellen. Offensichtlich folgten sie weniger ihrem Gewissen als vielmehr dem Druck der unterschiedlichen Kräfte, die das Land unter ihre Kontrolle bringen wollen. Es sei ein „Skandal“, dass die Machtinteressen mehr zählen als das Überleben der Menschen.

religion.ORF.at/KAP

Link: