Gedenken: Schönborn erbittet Vergebung für Judenhass

Eine Vergebungsbitte im Blick auf den auch seitens der Kirche geschürten Judenhass, der in der Nazi-Zeit eskalierte, hat Kardinal Christoph Schönborn bei einem Gedenkgottesdienst zu 70 Jahren Kriegsende formuliert.

„Auch die Kirche als Institution muss ihre Mitschuld erkennen an der Aufbereitung eines Klimas der Verachtung und Feindseligkeit der Christen gegenüber jenen Menschen, die sie Jahrhunderte hindurch für den Tod Jesu verantwortlich machte“, sagte der Wiener Erzbischof am Freitagabend bei der Feier in der Basilika Kleinmariazell im niederösterreichischen Triestingtal. Das habe zur Folge gehabt, dass „dann, als es im wahrsten Sinn des Wortes lebensnotwendig gewesen wäre, Mitleid und Solidarität mit den jüdischen Mitbürgern fehlten“.

„Nie wieder Nacht des Hasses“

Kardinal Schönborn rief zum entschlossenen Bemühen auf, „unser Denken, Sprechen und Handeln so einzurichten, dass nie wieder die Nacht des Hasses, der Menschenverachtung und der Diktatur von uns und unserem Land Besitz ergreifen kann“. Nur wenn das gelinge, „wird das Opfer der geschändeten und ermordeten Schwestern und Brüder nicht umsonst gewesen ein“.

„Mit Trauer und Scham“ erinnerte Schönborn an den „dunklen Schatten, den der Holocaust, die Schoah, über Europa und damit auch über unsere Heimat Österreich geworfen hat“. Er verwies auf die Mahnung des Zweiten Vatikanischen Konzils 20 Jahre nach Weltkriegsende in der Erklärung „Nostra Aetate“ über die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen: „Wir können Gott, den Vater aller, nicht anrufen, wenn wir irgendwelchen Menschen, die ja nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, die brüderliche Haltung verweigern.“

Mit Juden für immer verbunden

Gerade mit den Juden seien die Christen als „das Volk des Neuen Bundes mit dem Stamm Abrahams“ geistlich für immer verbunden. „In diesem Bewusstsein bitten wir Gott um Vergebung für alles Geschehene“, sagte der Kardinal.

Schönborn nahm auch Bezug auf die am Schauplatz der Gedenkmesse, im Triestingtal, begangenen Bluttaten der Jahre 1944 und 1945. Damals seien ungarische Zwangsarbeiter, Jüdinnen und Juden, Männer, Frauen und Kinder durch das Tal getrieben und ermordet worden. Der Kardinal schloss in das Gedenken ausdrücklich auch alle im Lager Hirtenberg, einem Nebenlager des Konzentrationslagers von Mauthausen, ermordeten Menschen mit ein. „Als Österreicher, Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, stehen wir hier in großer Trauer und wissen: Wir können das Geschehene nicht mehr ungeschehen machen. Wir können es heute nur mehr bedenken und zutiefst bedauern und betrauern.“

Mit der Bitte um Vergebung verband der Vorsitzende der Bischofskonferenz auch den Dank an Gott für das „unverdiente Geschenk“ des langen Friedens in Europa. Dieser sei seit Kriegsende zwar immer gefährdet und an vielen Orten der Welt immer wieder gebrochen, in Europa aber trotz allem im Großen und Ganzen bewahrt worden.

Auch evangelische Kirche gesteht Schuld ein

Ebenso wie die römisch-katholische hat zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges auch die evangelische Kirche ihre Mitschuld an der Judenverfolgung eingestanden. In einer Erklärung bedauert der evangelische Oberkirchenrat A. und H.B., selbst Judenhass geschürt zu haben. Die Kirchenführung gelobte, Antisemitismus entschieden zu bekämpfen.

„Auch die evangelische Kirche lud schwere Schuld auf sich. Mit besonderer Scham erfüllt uns auch 70 Jahre nach Kriegsende das Versagen bzw. die Mittäterschaft gegenüber Jüdinnen und Juden und gegenüber anderen Gruppen wie Behinderten, Roma oder Homosexuellen, die alle als ‚unwertes Leben‘ angesehen und damit der Gefangenschaft oder dem Tod preisgegeben wurden“, heißt es in der Erklärung des Leitungsgremiums der Evangelischen Kirche. Zwar habe es auch Widerstand von evangelischer Seite gegeben, wie etwa durch Pfarrer Dietrich Bonhoeffer oder den österreichischen Oberstleutnant Robert Bernardis. Aber sie seien „eher die Ausnahme als die Regel“ gewesen.

Einsatz für Versöhnung

Die evangelische Kirche betont, dass sie heute Krieg als Mittel der Konfliktlösung entschieden ablehnt. Sie sehe ihren Auftrag darin, sich für Verständigung und Versöhnung überall dort einzusetzen, wo Menschen heute aufgrund ihrer ethnischen, religiösen oder sexuellen Zugehörigkeit diskriminiert oder unterdrückt werden.

„Sie hat eine besondere Verantwortung für ihre jüdischen Geschwister, die sie in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vermissen hat lassen. Wir wollen nicht vergessen, dass die Kirche selbst Judenhass und christlich motivierten Antijudaismus schürte. Solidarität mit Jüdinnen und Juden heute bedeutet, sich für ein lebendiges Judentum in der Gesellschaft einzusetzen, die jüdische Wurzel der Kirche zu betonen und Antisemitismus und Antijudaismus entschieden zu bekämpfen sowie zu judenfeindlichen Aussagen und Aktionen nicht zu schweigen.“

Die evangelische Kirche will sich nie wieder „mit menschenverachtenden und todbringenden Kräften verbünden, sondern die Würde jedes einzelnen Menschen achten. Nur so können wir die Frohe Botschaft vom menschenfreundlichen Gott glaubwürdig leben.“

religion.ORF.at/KAP/APA

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