Papst-Enzyklika: Spannung und Kritik im Vorfeld

Selten ist ein Papst-Schreiben mit so viel Interesse auch kirchenferner Kreise erwartet worden wie die zweite Enzyklika von Papst Franziskus. Sie befasst sich mit Fragen der Schöpfung, der Umwelt und dem Klimaschutz. Bereits vor Erscheinen des Dokuments gibt es Kritik.

Am Donnerstag, 18. Juni, erscheint die weltweit mit Spannung erwartete Enzyklika. Das Dokument trägt den Titel „Laudato si, sulla cura della casa comune“ („Gelobt seist Du - Über die Sorge um unser gemeinsames Haus der Schöpfung“), wie der Vatikan und die Erzdiözese München am Mittwoch mitteilten. In Rom und in München finden große Pressepräsentationen zum Erscheinen der Enzyklika statt.

Hohe Erwartungen

Die Erwartungen an „Laudato si“ sind deshalb so hoch, weil darin erstmals ein Papst in dieser Form gezielt auf ökologische Themen eingeht. Außerdem will Franziskus das Dokument bewusst in die Diskussion vor der nächsten UNO-Klimakonferenz im Dezember in Paris einbringen. Und noch etwas spielt wohl mit: Man kann sich von diesem Papst, der selten ein Blatt vor den Mund nimmt und in der römisch-katholischen Kirche einen neuen, geradlinigen Stil eingeführt hat, durchaus eine Sensation erwarten.

Papst Franziskus zelebriert eine Messe in Sarajavo

Reuters/Dado Ruvic

Papst Franziskus: Einige macht sein Lehrschreiben schon im Vorfeld nervös

Schließlich ist der Einfluss des Papstes ein ernst zu nehmender Faktor für die Meinungsbildung sehr vieler Menschen weltweit. Gespannt fragen sich Beobachter, wie konkret seine Umweltkritik ausfallen wird und gegen wen sie sich eventuell richten könnte.

Konservative Kritik aus den USA

Schon vor der Publikation der Umweltenzyklika des Papstes mobilisieren in den USA konservative Katholiken gegen mögliche Änderungen beim Klimaschutz und äußerten Kritik an der noch gar nicht erschienenen Enzyklika. So forderte etwa der katholische republikanische Präsidentschaftsbewerber Rick Santorum, den Papst dazu auf, „die Wissenschaft den Wissenschaftlern zu überlassen“. Er habe zum Klimawandel keine Lehrautorität.

Rick Santorum

APA/EPA/Drew Angerer

Kritik im Vorfeld übte der Republikaner Rick Santorum

Miamis Erzbischof Thomas Wenski verteidigte den Papst und das Lehrschreiben. Von diesem erhoffe er sich einen „bedeutsamen Moment im Leben der Kirche“, finde es jedoch „erstaunlich, wie ablehnend sich einige Katholiken zu den Inhalten äußerten, die ihnen noch gar nicht bekannt“ seien. Der in der US-Bischofskonferenz für Umweltfragen zuständige Wenski äußerte sich bei der Frühjahrstagung der rund 250 US-Bischöfe am Mittwoch (Ortszeit) in St. Louis (Missouri).

„Große Hoffnung“ bezüglich Klimawandel

Wenski regte an, das Rundschreiben des Papstes nicht als wissenschaftliche oder politische, sondern als pastorale Botschaft zu verstehen. „Wir haben große Hoffnung auf das, was die Enzyklika für die Bewahrung der Schöpfung und den Klimawandel beitragen kann.“ Bischof Oscar Cantu aus Las Cruces (New Mexico), zuständig für soziale Gerechtigkeit, mahnte, die Enzyklika nicht als ein beliebiges Dokument zu behandeln. „Es fällt in die Kategorie des weisen Urteils“, das es im Gebet abzuwägen gelte.

„Arme und Verletzliche schützen“

Wenski und Cantu plädierten nun dafür, sich der Umweltthematik zu stellen. „Wir können uns aus dieser Diskussion nicht heraushalten“, so Wenski. „Wir haben eine erhebliche Verantwortung dafür sicherzustellen, dass die Lösungen, die wir finden müssen, sich der Kultur der Verschwendung widersetzen, die Armen und Verletzlichen schützen und die Heiligkeit und Würde des Lebens respektieren.“ Cantu fügte hinzu, Katholiken sollten davon ausgehen, dass Papst Franziskus eine „globale Perspektive“ einnähme.

Papst-Berater Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga aus Honduras hatte Ende Mai gesagt, er sei entsetzt über das Maß an Widerstand in den USA. „Ich habe bereits Kritik an der Enzyklika gehört, bevor sie überhaupt veröffentlicht ist“, so Maradiaga. Das sei absurd. Es wird erwartet, dass Franziskus das Thema Klimaschutz auch bei seinem USA-Besuch im Herbst ansprechen wird.

„Laudato si“

Enzykliken werden meist nach ihren Anfangsworten benannt, die meist bereits eine programmatische Bedeutung haben. Mit den Worten Laudato si beginnen die meisten Strophen im Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi (1181/82 bis 1226), Papst Franziskus’ Namensvorbild. Darin wird das Wunder der Schöpfung gepriesen. Der Text gilt als der älteste der italienischen Literatur.

Präsentation mit Expertenreferaten

Die Vatikan-Präsentation der Enzyklika wird am 18. Juni um 11 Uhr in der neuen Synodenaula beginnen. Referenten werden Kardinal Peter Kodwo Appiah Turkson (Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden), Metropolit Johannes Zizioulas (Ökumenisches Patriarchat Konstantinopel) und Hans Joachim Schellnhuber (Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung) sein.

In München stellen der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und Prof. Markus Vogt (Ordinarius des Lehrstuhl für Sozialethik an der Ludwig-Maximilians-Universität) die Enzyklika in einem Pressegespräch im Sitzungssaal des Diözesanrats der Katholiken vor.

Seine erste Enzyklika mit dem Titel „Lumen fidei“ hatte Franziskus im Juni 2013 veröffentlicht. Der größte Teil des Textes stammte allerdings noch von seinem Vorgänger Papst Benedikt XVI. (2005 bis 2013).

religion.ORF.at/KAP/KNA/APA

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