Kräutler: Papst-Enzyklika für „ökologische Bekehrung“

Amazonas-Bischof Erwin Kräutler, Mitautor der am Donnerstag veröffentlichten Umweltenzyklika, rechnet mit einer „gewichtigen Rolle“ des Papst-Dokuments bei der UNO-Klimakonferenz zu Jahresende.

„Das Schreiben ist nicht als private Meditationshilfe gedacht, sondern will Verantwortliche für Politik und Wirtschaft, aber auch die kleine Frau und den kleinen Mann, aufrütteln. Diese Enzyklika kann man nicht einfach lesen, abhaken, beiseite legen und unverrichteter Dinge zur Tagesordnung übergehen“, so der aus Vorarlberg stammende Bischof von Xingu am Donnerstag gegenüber der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA.

„Lebensnerv“ getroffen

Mit der Enzyklika treffe der Papst einen „Lebensnerv“ und fordere einen neuen Lebensstil „jenseits aller Exzesse eines Konsumismus, der unser gemeinsames Haus, unsere Heimat, zur Müllhalde degradiert“, erklärte Kräutler. Eine „ökologische Bekehrung“ sei das Gebot der Stunde sowohl für die Industrie- als auch für die Schwellenländer. „Auf der einen Seite prangert der Papst todbringende Mechanismen an, andererseits aber weiß er, dass das allein nicht genügt. Jede und jeder von uns hat sich zu fragen, inwieweit sie oder er für den langsamen Tod unseres Planeten mitverantwortlich ist.“ Nötig sei ein viel bescheidenerer, maßvollerer und genügsamerer Lebensstil.

Bischof Erwin Kräutler

APA/EPA/Jessica Gow

Bischof Erwin Kräutler

Endgültig räume der Papst auf mit einer durch Jahrhunderte getragenen „Fehlinterpretation und mangelhaften Übersetzung“ der Maxime „machet euch die Erde untertan!“ (Genesis 1,28), so der 76-jährige Bischof: „Gott hat den Menschen nicht zum unumschränkten Gewaltherrscher über seine Mit-Welt eingesetzt. Das so oft missverstandene Wort muss endlich dem Urtext gemäß ausgelegt werden.“

Gottes Auftrag kein Freibrief

Gottes Auftrag sei kein Freibrief für eine gewaltsame Inbesitznahme und skrupellose Plünderung der Natur, bedeute der hebräische Urtext „Setzt euren Fuß auf die Erde“ doch vielmehr, dass Gott dem Menschen Verantwortung übertrage und ihn dazu bestelle, alle Dinge und Lebewesen zu betreuen, zu pflegen und zu schützen. Genau darin würden laut dem Amazonas-Bischof auch die Fundamente für eine christliche Lehre zur Ökologie liegen, deren Behandlung in einer eigenen Enzyklika schon längst fällig gewesen sei: Von den früheren Päpsten habe es zwar immer wieder Aussagen zur Ökologie, nie aber ein entsprechend umfangreiches Lehrschreiben gegeben.

Blick wie Franz von Assisi

Franziskus betrachte die Schöpfung wie Franz von Assisi, legte Kräutler in einem weiteren Interview gegenüber dem Online-Portal des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ dar: Der Papst spreche nicht von einer anonymen Umwelt außerhalb des Menschen, „sondern genau davon, was ich im Zusammenhang mit den indigenen Völkern Amazoniens seit Jahren vertrete: Die Umwelt ist unsere ‚Mit-Welt‘. Ohne sie leben wir nicht“, so der Träger des Alternativen Nobelpreises 2010.

Besonders berührt zeigte sich Kräutler von jenen Stellen von „Laudato si“, die Amazonien, die tropischen Regenwälder und deren indigene Bewohner erwähnen. Für Letztere habe das Land „keinen wirtschaftlichen Wert, sondern es ist ein Geschenk Gottes, es ist heiliges Land, in dem ihre Vorfahren ruhen, das ihre Identität ausmacht und ihre Werteskala bestimmt.“ Dem entgegengesetzt sei die Profitgier, mit der die Politik zu Lasten des Gemeinwohls der Technologie und dem Finanzwesen unterworfen werde, und deren Anprangern sich wie ein roter Faden durch die ganze Enzyklika durchziehe.

Das Papstschreiben solle Wirtschaft und Politik „aufrütteln“ statt sie bloß ein wenig zu irritieren, verlieh Kräutler seiner Hoffnung Ausdruck. „Es geht ja nicht um irgendwelche punktuelle Probleme hier oder dort, sondern es geht um unseren ganzen Planeten.“ Eine gewisse Auswirkung erhoffe er auch für künftige umweltzerstörerische Megaprojekte wie etwa den derzeit am Xingu-Fluss errichteten Staudamm Belo-Monte.

religion.ORF.at/KAP

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