Theologe Winkler für Aufhebung von Pflichtzölibat

Der Vatikan-Berater und designierte Dekan der Salzburger Theologischen Fakultät, Dietmar Winkler, plädiert in einem Interview für Änderungen bei den „heißen Eisen“ Zölibat, Geschiedene und Kirchenämter für Frauen.

Zu Diakoninnen geweihte Frauen könnten gemeinsam mit verheirateten Priestern „eine neue Dynamik in die katholische Kirche bringen“, meinte der renommierte Ostkirchenexperte Winkler am Dienstag in einem Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ (SN).

Bei der Koppelung von Priesteramt und Ehelosigkeit gehe es um eine rein kirchenrechtliche und somit leicht änderbare Frage. Den Pflichtzölibat „könnte man schon morgen ohne Probleme abschaffen“, sagte Winkler. Den Wert des Zölibats verstanden als Enthaltsamkeit nach entsprechender Berufung wolle er damit nicht hinterfragen. Aber: „Ich kann nicht sehen, warum jemand, der seine Berufung zum Priester spürt, zu einem zölibatären Leben gezwungen wird. Die angesprochene Askese - die ist ein Charisma, und ein Charisma kann man nicht verordnen.“

„Charisma kann man nicht verordnen“

Überzeugende theologische Argumente für den Pflichtzölibat könne er nicht erkennen, so der Salzburger Ordinarius für Patristik und Kirchengeschichte. Drei Jahrhunderte sei das Christentum ohne irgendein Zölibatsgesetz für Priester ausgekommen. Erst die Synode von Elvira Anfang des 4. Jahrhunderts habe die völlige Enthaltsamkeit der Priester verlangt, ohne das durchsetzen zu können.

In der Kirche im Westen gelte 1078 als Jahr der offiziellen Einführung des Pflichtzölibats - mehr als 1000 Jahre nach dem Wirken Jesu. In der Antike habe für die Enthaltsamkeit die Idee der „kultischen Reinheit“ eine Rolle gespielt - nach den Worten Winklers ein kulturhistorisches, aber kein theologisches Argument. Und im 11. Jahrhundert habe der Investiturstreit zwischen Papst und Kaiser eine Rolle gespielt. Der Pflichtzölibat verhinderte den Zugriff von Dynastien auf Kirchengüter - „was wohl auch kein theologisches Argument ist“.

Von den Ostkirchen lernen

Auf die Frage, ob Priester nach einer Scheidung den Beruf wechseln müssten, antwortete Winkler: „Es gibt ja auch Priester, die am Zölibat ‚scheitern‘. Scheitern muss man als Christ immer dürfen.“ Jesus sei schließlich „zu den Gebrochenen gekommen und nicht zu den Perfekten“. Deshalb sollte der Zugang der katholischen Kirche zur Ehe insgesamt neu betrachtet werden, riet der Theologe zu grundlegenden Diskussionen bei der im Oktober anstehenden Familiensynode in Rom.

Winkler, der 2008 von Papst Benedikt XVI. zum Konsultor des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen gemacht und von Papst Franziskus in dieser Beraterfunktion bestätigt wurde, plädierte hier für einen Blick zur Ostkirche: „Dort gibt es Priesterehe und kirchliche Wiederverheiratung nach Scheidung unter bestimmten pastoralen Bedingungen.“ Für einen „wirklich falschen Zugang“ hält Winkler die derzeitige katholische Lehre, wonach jemand, der mit seiner zweiten Ehefrau glücklich zusammen ist, „quasi ununterbrochen in Sünde“ lebt.

„Freie Diskussion“ über Priesterinnen

Auch beim Thema Frauenpriestertum sprach sich Winkler für eine „freie, ergebnisoffene und vor allem theologisch fundierte Diskussion“ aus. Diese sei von Papst Johannes Paul II. „leider für beendet erklärt“ worden. Die kircheninternen Meinungen gingen hier weit auseinander. Aus dem Neuen Testament sind laut Winkler keine direkten Aussagen zur Frage ableitbar, welches Geschlecht Diakone, Priester oder Bischöfe haben müssen.

Die Frage sei hier durch alte Vorstellungen vom „Wesen der Frau“ belastet. Tatsache sei jedenfalls, dass viele christliche Kirchen das Frauenpriestertum zulassen, die katholische und die orthodoxe Kirche eben nicht. Man müsse sich katholischerseits anschauen, warum andere christliche Konfessionen sehr wohl Priesterinnen weihen und welche theologischen Argumente es dafür gibt.

„Rein soziologisch argumentiert wäre der Fall ja klar: Aus Gleichberechtigungsgründen müsste man das Frauenpriestertum einführen.“ Keine Hindernisse sähe der Salzburger Theologe beim Diakonat der Frau, „der bis ins Mittelalter gut bezeugt ist“. Dieses Weiheamt gehöre „möglichst bald wieder eingeführt“.

religion.ORF.at/KAP

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