Landau: Asylpolitik Ungarns ist „menschlicher Tiefpunkt“

Mit scharfen Worten hat Caritas-Präsident Michael Landau die Flüchtlingspolitik der EU und aktuell vor allem Ungarns angesichts der Entwicklung der vergangenen Tage kritisiert.

Dass schutzsuchende Menschen in einem europäischen Land 70 Jahre nach Kriegsende und unter Vorgabe falscher Tatsachen in Züge gelockt und so in Auffanglager in Ungarn gebracht werden, hätte er nicht für möglich gehalten: „Das ist ein menschlicher Tiefpunkt“, so Landau bei einem gemeinsamen Besuch des Klosters St. Gabiel bei Wien mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und EU-Justizkommissarin Vera Jourova. In St. Gabriel werden derzeit 140 Asylwerber mit erhöhtem Betreuungsbedarf, deren Angehörige sowie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von der Caritas betreut.

Ladau fordert mehr Solidarität

Einmal mehr mahnte Landau mehr Solidarität in der EU ein. Die europäische Flüchtlingspolitik sei gescheitert. Bis vor kurzem hätte er es nicht für möglich gehalten, „auf einem Kontinent zu leben, der um den syrischen Bürgerkrieg zwar bereits seit fünf Jahren weiß, aber der erst durch das Foto eines toten dreijährigen syrischen Kindes wachgerüttelt werden muss“, so Landau in Anspielung auf den Tod des dreijährigen Aylan, der beim Versuch, von der Türkei auf die griechische Insel Kos zu gelangen, gemeinsam mit seinem fünfjährigen Bruder und seiner Mutter ertrunken war.

Landau: „Ich sage es daher in aller Deutlichkeit: Der Umgang mit Flucht und Migration ist - neben der Armutsfrage - längst zu einer Schicksalsfrage für die Europäische Union geworden. Wir sind dabei, nicht nur Flüchtlinge zu Zehntausenden im Mittelmeer zu begraben. Wir sind dabei, auch unsere europäischen Ideale zu Grabe zu tragen. Im Mittelmeer. An den europäischen Außengrenzen. Und in Tagen wie diesen auch in Ungarn.“

Schlepperwesen

Die derzeitige EU-Flüchtlingspolitik sei heuchlerisch: „Wir bekämpfen lautstark das Schlepperunwesen und zwingen Flüchtlinge gleichzeitig, sich denselben Schleppern auszuliefern.“ Im Grunde schaffe Europa die Grundlage „für ein Geschäft, das wir vorgeben zu bekämpfen“. Die Geschäftsgrundlage der Schlepper wäre obsolet, hätten die Menschen, die geflohen sind, eine legale Alternative. Landau: „Wir müssen Menschen die Möglichkeit geben, Europa auf legalem Weg zu erreichen.“

Es brauche in der aktuellen Flüchtlingskrise ein Mehr an Europa, nicht ein Weniger. Landau: „Wir haben in Europa eine Solidaritätskrise. Eine Krise der Solidarität zwischen den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten.“ Asyl sei aber kein Gnadenakt oder Sache des politischen Ermessens. „Flucht ist kein Verbrechen und Asyl ein Menschenrecht. Ein Menschenrecht, das wir mit Leben erfüllen müssen“, mahnte der Caritas-Präsident.

Mikl-Leitner will bessere Koordination

Innenministerin Mikl-Leitner forderte eine „energische Antwort“ der EU auf die Flüchtlingsfrage: „Entweder die EU steht zusammen und geht aus der Krise gestärkt hervor, oder aber sie scheitert“. Die aktuellen Probleme, die man in Mazedonien und Ungarn habe, resultierten laut Mikl-Leitner letztlich aus einer mangelhaften europäischen Koordination. Weiters forderte Mikl-Leitner „Anlaufstellen an den EU-Außengrenzen, um die Flüchtlinge zu schützen und so den Schleppern ihre Geschäftsgrundlage zu entziehen“.

EU-Justizkommissarin Jourova räumte offen Probleme bei der Anwendung europäischer Regelungen auf die aktuelle Flüchtlingsproblematik ein: „Das Dublin-Verfahren ist augenscheinlich gescheitert“, so Jourova. Zugleich unterstrich sie die Forderung Mikl-Leitners nach Anlaufstellen an den EU-Außengrenzen und nach einer wirksamen Bekämpfung des Schlepperwesens. Nur so könne den Menschen geholfen werden, in der Nähe ihrer jeweiligen Heimat bleiben zu können.

Berührt zeigte sich Jourova von der Begegnung mit den Flüchtlingen in St. Gabriel und der guten Versorgung, die sie durch die Caritas dort erführen. St. Gabriel bietet Asylwerbern mit erhöhtem Betreuungsbedarf, deren Angehörigen sowie unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ein neues Zuhause. Insgesamt werden durch die Caritas 140 Personen, darunter 50 Personen mit schweren psychischen oder körperlichen Erkrankungen sowie 35 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreut. Überwiegend kommen die Flüchtlinge aus Tschetschenien, Afghanistan und Somalia.

religion.ORF.at/KAP

Link:

Mehr dazu: