Von Abraham bis Jesus: Flüchtlinge in der Bibel

Abraham ist wegen einer Hungersnot nach Ägypten geflohen und Moses nach dem Mord an einem Aufseher des Pharaos nach Midian. Selbst Jesus floh vor Herodes als Säugling in den Armen von Maria nach Ägypten - die Bibel und ihre Flüchtlinge.

Das Alte und das Neue Testament erzählen viele Geschichten der Verfolgung, der Flucht und des Aufbruchs in die Fremde. Zum Beispiel jene von Abraham, auf den sich sowohl Juden, Christen als auch Muslime als Stammvater berufen.

Biblische Wirtschaftsflüchtlinge

Abraham war nach heutigen Maßstäben betrachtet ein Wirtschaftsflüchtling. Weil in Kanaan eine schwere Hungersnot herrschte, suchte er mit Familie und Besitz - zu dem auch Sklaven gehörten - Zuflucht in Ägypten. Seine Frau Sarai gab er aus Angst von potenziellen Verehrern ermordet zu werden, als seine Schwester aus.

Auch Abrahams Sohn Isaak floh vor einer Hungersnot nach Gerar, wo er freundlich empfangen wurde. Doch als er immer mehr Besitz anhäufte, schickte Abimelech, der Philisterkönig, Isaak weg. „Ziehe weg von uns, denn du bist viel mächtiger geworden als wir.“ (1. Mose 26, 16) Im Alten Testament wird im Buch Ruth die Geschichte von Elimelech und seiner Frau Noomi berichtet - auch sie verließen ihre Heimat Betlehem in Juda wegen einer Hungersnot. Sie strandeten im benachbarten Moab.

Macht und Verfolgung

Jakob, Isaaks Sohn, floh zu seinem Onkel nach Haran, nicht aus Hunger, sondern um nicht ermordet zu werden. Nachdem Jakob seinen blinden Vater durch eine List dazu gebracht hatte, ihn statt seines älteren Bruders Esau zu segnen, trachtete der Betrogene ihm nach dem Leben. „Es nähern sich die Tage der Trauer um meinen Vater; dann werde ich meinen Bruder Jakob umbringen.“ (1. Mose 27, 41) Auch David floh vor einem Familienmitglied, seinem eigenen Schwiegervater König Saul, der mehrfach gedroht hatte, ihn umzubringen und versuchte ihn mit einem Speer zu durchbohren.

Maria mit Jesus auf dem Esel, gemeinsam mit Josef auf der "Flucht nach Ägypten", Gemälde von Guido da Siena, 1275-1280

Public Domain

Maria und Josef fliehen mit Jesus nach Ägypten

Der König verfolgte David hartnäckig, denn er sah in ihm eine Bedrohung für sich und seinen Sohn Jonatan, und er versuchte Jonatan auch davon zu überzeugen, sich ebenfalls gegen dessen Freund zu wenden. „Doch solange der Sohn Isais auf Erden lebt, wirst weder du noch dein Königtum Bestand haben. Schick also sofort jemand hin und lass ihn holen; denn er ist ein Kind des Todes.“ (1. Samuel 20, 31) Davids Flucht führte ihn an unterschiedliche Orte - nach Rama, Nob, Gat, Adullam und Mizpe. Im Lauf der Zeit schlossen sich ihm etwa 400 Menschen, die wie er verfolgt oder verschuldet waren, an.

Moses Flucht aus Ägypten

Mose ist eine zentrale Figur in der Thora, der hebräischen Bibel. Die Erzählungen von Mose sind mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten und der Gesetzgebung während der Wanderung durch die Wüste verbunden. Doch die Bibel beschreibt auch die Flucht Mose nach Midian. Weil bekannt geworden war, dass Mose einen ägyptischen Aufseher tötete, der einen hebräischen Sklavenarbeiter geschlagen hatte, drohte ihm selbst der Tod.

Er floh vor dem Pharao aus Ägypten und ließ sich in Midian nieder, wo er eine Familie gründete. Er blieb dort, bis ihm, wie im 2. Buch Mose beschrieben, der Engel Gottes in einem brennenden Dornenbusch erschien und Mose aufforderte nach Ägypten zurückzukehren, um sein Volk aus der Sklaverei zu befreien.

Asyl für Jesus Christus

Selbst der von Christen als Sohn Gottes verehrte Messias Jesus, wurde schon als Kind zum Flüchtling. Die im Matthäusevangelium überlieferte Weihnachtsgeschichte handelt auch davon, dass Josef nach dem Besuch der Sterndeuter im Traum ein Engel Gottes erschien. Dieser rief ihn dazu auf, mit seiner Familie die Flucht zu ergreifen. „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten.“ (Matthäus 2, 20)

Herodes ließ in Bethlehem alle Buben bis zum Alter von zwei Jahren töten, in der Hoffnung den angekündigten Messias, der ihm gefährlich werden könnte, umzubringen. Jesus kam mit seinem Leben davon, weil Maria und Josef nach der Warnung mit ihm nach Ägypten zogen. Nach dem Tod von Herodes gingen sie nach Nazareth in Galiläa.

„Ich war fremd“

Die Bibel beinhaltet viele Geschichten von Menschen auf der Flucht, und von offenen Gesellschaften, die sie empfingen, aber sie erzählt gleichsam auch davon, wie Fremde wieder weggeschickt wurden. Das Flüchtling-Sein zieht sich jedenfalls wie ein roter Faden durch die Bibel. So lautet doch ein Teil des Glaubensbekenntnisses im Alten Testament „Mein Vater war ein heimatloser Aramäer.“ (5. Mose 26, 5)

Eine vielzitierte Stelle im Neuen Testament stammt aus dem Matthäusevangelium und behandelt den Umgang der Menschen mit den Schwachen und Ausgestoßenen der Gesellschaft: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen. Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25, 34-40)

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

Mehr dazu: