Kürzere Verfahren: Papst erleichtert Eheannullierungen

Ehenichtigkeitsverfahren in der katholischen Kirche werden einfacher und schneller: Mit zwei Erlassen, die am Dienstag im Vatikan vorgestellt wurden, änderte der Papst die Verfahren, mit denen innerkirchlich über die Gültigkeit einer Ehe befunden wird.

Der Vatikan stellte zwei Rechtsdokumente vor, eines für die römisch-katholische Kirche, das andere für die mit Rom unierten Ostkirchen, berichtete Radio Vatikan. „Das Ehenichtigkeitsverfahren war seit der Reform von Benedikt XIV. vor drei Jahrhunderten unverändert geblieben“, sagte Bischof Pio Vito Pinto, Dekan des vatikanischen Ehegerichts, der Römischen Rota.

Nur noch eine Instanz

Zur Eheannullierung wird es in Zukunft nur noch eine einzige statt bisher zwei Instanzen geben, die über die Gültigkeit einer Ehe entscheidet. Die Kirche kennt keine Scheidung, es geht in diesem Fall um die Frage, ob eine Ehe jemals gültig zustande gekommen ist. Darüber hat nun ein Richter in einer Instanz zu entscheiden, nicht mehr ein Ehegericht in vorgeschriebenen zwei Instanzen. Die Maximaldauer eines Ehenichtigkeitsprozesses beträgt nun ein Jahr, wie der Präsident des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte, Kardinal Francesco Coccopalmerio, am Dienstag im Vatikan sagte.

Außerdem verfügte der Papst, dass der Ortsbischof selbst dieses Amt auszuüben hat, zumindest darf er es nicht vollständig delegieren. Es gehe nicht darum, die Ehenichtigkeit selbst zu fördern, verlautete es im Vatikan. Lediglich die Verfahren sollten klarer und einfacher werden.

Papst Franziskus, im Hintergrund ein Kreuz

APA/EPA/Claudio Peri

Papst Franziskus will Eheannullierungen erleichtern

Starkes Interesse des Papstes

Im Fall eines Konfliktes nach der Entscheidung der ersten Instanz bleiben eine zweite Instanz beim zuständigen Erzbistum und schließlich die dritte Instanz bei der Rota Romana im Vatikan erhalten. Während aber bisher immer auch eine zweite Instanz entscheiden musste und im Fall zweier unterschiedlicher Urteile die dritte Instanz involviert war, ist nun eine Instanz ausreichend, sofern mit deren Urteil beide Betroffenen einverstanden sind.

Die neuen Regelungen des Kirchenrechtes treten am 8. Dezember, mit Beginn des Heiligen Jahres, in Kraft. Der Papst habe persönlich die Arbeiten der Kommission verfolgt, die an der Reform des Ehenichtigkeitsverfahrens gearbeitet hat. „Er wollte über die Arbeiten ständig informiert werden“, sagte Bischof Pinto. Der Papst habe sich auch von vier Experten beraten lassen.

Zeitpunkt vor Synode überraschend

Der Zeitpunkt der Reform, zwei Wochen vor Eröffnung der Bischofssynode über Ehe und Familie im Vatikan, überraschte viele Beobachter. Denn die Ehenichtigkeitsprozesse stehen auch auf der Tagesordnung der Bischofsversammlung. Allerdings hatte Franziskus bereits im September 2014 - noch vor der Sondersynode von Oktober 2014 - die Kommission eingerichtet, die die Reformen bei den Ehenichtigkeitsverfahren ausarbeiten sollte.

In einem Ehenichtigkeitsverfahren geht es um die amtliche Feststellung, ob eine gültige Ehe im katholischen Sinne je bestanden hat. Mögliche Gründe für eine ungültige Ehe können Formfehler bei der Eheschließung sein. In der Regel werden jedoch sogenannte Willensmängel oder Erkenntnismängel geltend gemacht. Ein Willensmangel liegt etwa vor, wenn ein Partner von vornherein einen Kinderwunsch ausschließt, ein Erkenntnismangel, wenn etwa einem der Partner nicht bewusst ist, dass eine Ehe nach katholischem Verständnis unauflöslich ist.

2013 rund 47.000 Annullierungen

Nach jüngsten Angaben wurden 2013 weltweit rund 47.150 Ehen für nichtig erklärt - bei insgesamt 71.800 abgeschlossenen Verfahren. Davon entfielen mit 24.600 mehr als die Hälfte der annullierten Ehen auf die USA. In Deutschland waren es in diesem Zeitraum 740.

Vorsitzender der Studienkommission war der Dekan des vatikanischen Ehegerichts, der Römischen Rota, Pio Vito Pinto. Dem Gremium gehörte auch der Österreicher Nikolaus Schöch an; er ist stellvertretender Kirchenanwalt am obersten kirchlichen Gerichtshof, der Apostolischen Signatur.

religion.ORF.at/APA/KAP

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