Madonna & Co in der Gegenwartskunst

In Graz thematisiert die Ausstellung „Reliqte, Reloaded“ die Frage, was eigentlich von der religiösen Bildwelt geblieben ist, die Europa über Jahrhunderte geprägt hat und setzt diese in einen aktuellen Kontext.

Im Rahmen des „Steirischen Herbstes“, sind in der Ausstellung rund 100 Werke von 36 Künstlerinnen und Künstlern zu sehen, die der Leiter des Kulturzentrums bei den Minoriten, Johannes Rauchenberger, kuratiert hat. In seinem Studium sei es für ihn „eine fundamentale Irritation“ gewesen, „dass Gottes Bildgeschichte mit dem Beginn der Moderne zu Ende ist“, schrieb der Grazer Theologe und Kunsthistoriker in einer Aussendung.

„Denn das hieße doch, diese Religion ist kulturell tot.“ Jetzt sei aber unübersehbar, dass christliche Bildmotive bzw. „Reste“ davon heute vielfach „reloaded“, also „wiederaufgeladen“ werden - sowohl in Form ironischer Verfremdung als auch als Ansatzpunkt für Zeit- und Religionskritik oder aber als Ausdruck tiefer Frömmigkeit, so Rauchenberger.

"Granducca" Kunstwerk von Dorothee Golz Madonnengesicht mit Körper einer gegenwärtigen Jugendlichen

Johannes Rauchenberger

„Granducca“ von Dorothee Golz

„Gottes Schreibtisch“

Zu sehen sind Arbeiten des britischen Kunststars Mark Wallinger, des albanisch-italienischen Künstlers Adrian Paci, der finnischen Künstlerin Maaria Wirkkala oder des zur „Leipziger Schule“ zählenden Michael Triegel und anderen. Aus Österreich stammende Künstler sind unter anderen Arnulf Rainer, Manfred Erjautz oder das Künstlerpaar Muntean/Rosenblum.

Ausstellung

„reliqte, reloaded“ bis 24. Jänner im Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten

Als wertvollstes Bild der Schau nennt Rauchenberger jenes von Michael Triegel mit dem Titel „Deus Absconditus“. Darin „verwertet“ sind Relikte aus der Heilsgeschichte - ein verhülltes Kreuz, eine Madonna vor einer leeren Schreibmaschine, Wein und Brot und eine Auferstehungsstatue. Der „verborgene Gott“ ist auch bei Werner Reiterers „Altarentwurf“ ein Thema: Gezeigt wird „Gottes Schreibtisch“, mit zurückgelassenem Handy, einem niedergelegten Heiligenschein und der Notiz auf einem Zettel: „I’ll be back in 5 minutes. God“.

Kreuz immer wieder neues Thema

Großen Raum in der Ausstellung nimmt das Thema Kreuz ein. Das „Legokreuz“ aus der Wiener Jesuitenkirche von Manfred Erjautz, ein frühes Altarkreuz für die Kapelle der Grazer Katholischen Hochschulgemeinde von Arnulf Rainer (1958) und eine Kreuzinstallation des Grazer Künstlerpriesters Hermann Glettler aus zu einem Kreuzteppich verschweißten, alten Sargkreuzen, zählt Rauchenberger als Beispiele auf. Die dunkle Seite der Religion bzw. „was mit dem Kreuz in der Geschichte angestellt wurde und wird“, veranschaulicht Werner Reiterers „Wer Wind sät...“ mit einem bedrohlich rotierenden Kreuz im Veranstaltungsraum des Kulturzentrums.

"Ultima Cena" Kunstwerk von Julia Krahn. Analoge Fotografie, Farbdruck auf Vlies

Johannes Rauchenberger

„Ultima Cena“ von Julia Krahn. Analoge Fotografie, Farbdruck auf Vlies

„Betörende Schönheit“ der Kunst

Mit poetischen Bildern in Form von „eschatologischen Porträts“ und dem bekannten Video über die Ankunft an der „Schwelle zum Königreich“ (Threshold to the Kingdom) des Briten Mark Wallinger setzt Kurator Rauchenberger einen ästhetischen Schlusspunkt: „Mir war wichtig, zu zeigen, dass es in der Kunst der Gegenwart auch eine betörende Schönheit gibt, wenn es um Aspekte von Religion geht.“

Der Leiter des kirchlichen Kulturzentrums selbst ist mit seinem vielbeachteten dreibändigen Buchprojekt „Gott hat kein Museum. Religion in der Kunst des XXI. Jahrhunderts“ (1120 Seiten, 1420 Abb., erschienen 2015 im Verlag Ferdinand Schöningh) in der Ausstellung vertreten. Das Opus magnum ist als „Buchmuseum“ zu besichtigen.

Jeweils sonntags um 17 Uhr gibt es öffentliche Führungen, samstags um 11.15 Uhr spezielle Themenführungen unter anderem durch Fachleute wie die Wiener Künstlerin Lena Knilli (am 17. Oktober), den deutschen Jesuiten und Kunstkenner Friedhelm Mennekes (7. November) oder den Wiener Fundamentaltheologen Kurt Appel (23. Jänner). Für Künstlergespräche stellen sich u.a. Joachim Hake (31. Oktober), Hermann Glettler (2. November) und Alois Neuhold (7. Jänner) zur Verfügung.

religion.ORF.at/KAP

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