JFW: Ex-Agent fordert Leadership in Nahost

Zur Präsentation des Filmes „The Green Prince“ im Rahmen des Jüdischen Filmfestivals, war einer der Protagonisten, der ehemalige Agent des israelischen Inlandsgeheimdienstes, Gonen Ben Itzhak, zu Gast in Wien.

Ben Itzhak beschloss nach eigenen Angaben, nach der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin, 1995, „etwas für sein Land zu tun“ und wurde Shin-Bet-Mitarbeiter. Dabei begegnete er dem jungen Palästinenser und Sohn eines bedeutenden Hamas-Führers, Mosab Hassan Yousef.

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Jüdisches Filmfestival Wien
religion.ORF.at begleitet das Jüdische Filmfestival Wien als Medienpartner und berichtet über ausgewählte Programmpunkte.

Jüdisches Filmfestival Wien 2015

Bei Verhören nach dessen Verhaftung wegen Waffenbesitzes gelang es, den Siebzehnjährigen als Shin-Bet-Informant zu gewinnen. Zunächst sei er nur zum Schein auf das Angebot eingegangen, erzählt Mosab Yousef im Film, aber dann erlebte er im Gefängnis von Megiddo, wie die Hamas eigene Leute gefoltert und getötet habe.

Schritt für Schritt zog er seine früheren Überzeugungen in Zweifel. Aus dem Gefängnis entlassen, wurde er zu einem engen Mitarbeiter seines Vaters, Scheich Hassan Yousef, der zu den Gründern der Hamas gehört. Als sein Sohn und Mitarbeiter saß Mosab Hassan an der Quelle und wurde für zehn Jahre der wahrscheinlich bedeutendste Informant des Schin Bet. Sein Deckname: Grüner Prinz.

Gonen Ben Itzhak. JFW15

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Gonen Ben Itzhak stand für Publikumsfragen zur Verfügung

Zusammenarbeit von „Quelle“ und Führungsoffizier

Der 2014 erschienene Film „The Green Prince“ (Regie: Nadav Schirman) beruht ausschließlich auf Erzählungen der beiden Männer, die in getrennten Interviews schildern, wie sich das Zusammenspiel von Führungsoffizier („handler“) und Informant („source“) gestaltete.

Mosab sei ein verlässlicher und sehr intelligenter Mitarbeiter gewesen, erinnert sich Ben Ithak in einem Interview für die „Orientierung“. Dabei war Mosab bald mehr als ein Informant; er nahm auch auf Entscheidungen auf Seiten der Hamas Einfluss. Zahlreiche Anschläge seien auf diese Weise vereitelt worden, erzählt der frühere Agent.

Freundschaft für’s Leben

Nach Jahren gefährlicher Zusammenarbeit mit allen Höhen und Tiefen verloren sich die beiden Männer aus den Augen. Ben Itzhak wurde aufgrund von nicht näher beschriebenen Meinungsverschiedenheiten mit seiner Behörde entlassen.

Filmtipp:

„The Green Prince“ wird beim Jüdischen Filmfestival noch einmal gezeigt: Freitag, 16. Oktober, 18.00 Uhr, Kino De France.

Der „Grüne Prinz“ verließ das Westjordanland und ging in die USA, wo er ein Buch („Sohn der Hamas“) über seine ungewöhnliche Geschichte verfasste. Als Mosab die Abschiebung aus den USA drohte, weil man ihn des Terrorismus verdächtigte, gab Ben Itzhak in einem ebenso mutigen wie ungewöhnlichen Schritt seine Tarnung auf und bestätigte in einer Anhörung vor der US-Behörde für innere Sicherheit die wichtige Rolle, die der „Grüne Prinz“ für Israel gespielt habe. So trafen die beiden Männer wieder zusammen und sind seither enge Freunde.

Alles für den Frieden

Ben Itzhak lebt heute mit seiner Frau und vier Kindern als Anwalt in Tel Aviv. Auf seine Zeit beim Geheimdienst blickt er nicht ungern zurück. Er habe in seiner Rolle als Agent auch Fehler gemacht, erzählt er im Interview. Aber er habe nichts zu bereuen, auch wenn Methoden, die er angewandt habe, moralisch nicht immer einwandfrei gewesen seien. Er habe Menschen zum Lügen gebracht, sie auch psychologisch manipuliert, sie dazu gebracht, ihre Familien und Freundeskreise zu bespitzeln und zu verraten. Bisweilen habe die Kooperation mit dem israelischen Geheimdienst das Leben der Informanten zerstört.

Szene aus "The green Prince". JFW15

JFW

Szene aus dem Film

Aber das alles sei für ein höheres Ziel geschehen: Gewalt und Tod auf beiden Seiten zu verhindern. Jeder Terroranschlag in Israel habe ja Vergeltungsmaßnahmen auf palästinensischer Seite nach sich gezogen, sodass die Arbeit des Schin Bet Blutvergießen auf beiden Seiten verhindert habe.

„Ich habe das, was ich getan habe, als etwas verstanden, was dem Frieden dient“, sagt Ben Itzhak. Er habe immer versucht, nicht bis zum Äußersten zu gehen, gibt aber auch zu, „nicht zimperlich“ gewesen zu sein, wenn es die Situation erfordert habe. „Wenn ich neue ‚Quellen’ für eine Kooperation mit dem Shin Bet anwerben konnte, sagte ich ihnen immer: Wir tun das für den Frieden. Daran glaube ich bis heute.“

Kritiker des Islam und der Hamas

Yousef, der ehemalige „Grüne Prinz“, lebt heute in den USA und hat keinerlei Kontakt zu seiner Familie. Auf Vorwürfe, er sei ein Verräter, der sogar seinen eigenen Vater hintergangen habe, antwortet er, er habe das geringere Übel gewählt.

Nach seiner Emigration in die USA konvertierte er zum Christentum. Seine Autorität als intimer Kenner der Lage nützt er bei Vorträgen, in Interviews und in einem Internet-Blog zu scharfen Attacken auf den Islam und fordert die israelische Regierung zu einem harten Vorgehen gegen die Hamas auf.

Zur aktuellen Situation in Israel

Ben Itzhak beklagte im Publikumsgespräch nach der Filmvorführung die Inaktivität der politischen Führung auf Seiten Israels und bei den Palästinensern gleichermaßen und ermutigte dazu, die große Perspektive eines Friedens in Nahost nicht aus den Augen zu verlieren. Er bezog auch zu Fragen des Publikums zur Sicherheitslage in Israel Stellung. Dort sind die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern wieder gestiegen. Berichte über Messerattacken auf Juden häufen sich, und Hamas-Führer rufen zu einer neuen Intifada.

Vor solchen Angriffen könne weder der Schin Bet noch ein anderer Geheimdienst schützen, erklärte Ben Itzhak. Es sei daher hoch an der Zeit, endlich eine Lösung des Konflikts anzugehen. Was ihm sowohl in Israel als auch auf palästinensischer Seite fehle, sei „Leadership“ und der Mut, neue Wege zu gehen. Ben Itzhak erinnerte an den ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat, der vier Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973 völlig überraschend nach Israel kam und vor der Knesset eine historische Rede hielt – ein mutiger Schritt, der letztlich zu einem Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten führte.

Christian Rathner, religion.ORF.at

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