Kirchenhilfswerke: COP21-Abkommen reicht nicht

Der zweite Textentwurf für das UNO-Klimaabkommen, das Donnerstagnacht im Pariser Vorort Le Bourget präsentiert wurde, wird nach Sicht von Kirchenexperten den Herausforderungen nicht gerecht.

Der Entwurf enthalte zwar „einzelne wichtige Eckpfeiler“, er falle aber „weit hinter die Erwartungen an ein ambitioniertes, verbindliches und gerechtes Klimaabkommen zurück“: Bei Armutsbekämpfung, Menschenwürde und Naturschutz versage er, womit er der globalen Klimabewegung nicht gerecht werde und auch keinen weiteren Meilenstein im Klimaschutz setze, bemängelte der Österreicher Heinz Hödl, Präsident des Weltdachverbandes der Kirchenhilfswerke (CIDSE), am Freitag in einer Kathpress vorliegenden Stellungnahme.

In Widerspruch zu Menschenrechten?

Just am internationalen „Tag der Menschenrechte“ hätten die UNO-Verhandler den Schutz derselben aus dem Vertrags-Haupttext gestrichen, zeigte sich der Weltdachverband enttäuscht. Die Gefahr bestehe somit, dass künftige Klimaprojekte den Menschenrechten widersprechen können. Landfläche werde nur unter dem Emissionsaspekt, nicht aber mit Rücksicht auf dessen Bewohner und deren Lebensstil gesehen, so ein weiterer Kritikpunkt; große CO2-Emittenten könnten dadurch indigenes Land unter dem Vorwand des Klimaschutzes rauben und im eigenen Land ungehindert weiter die Luft verschmutzen.

Aktivistinnen beim Klimagipfel in Le Bourget bei Paris

APA/EPA/Jose Rodriguez

Le Bourget bei Paris: Aktivistinnen sagen „Adieu“ zu fossilen Brennstoffen

Die Regierungen sollten die moralische Dimension ihrer politischen Entscheidungen ernst nehmen, so der erneute Appell Hödls, der auch Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO) ist. Wichtig sei es für die noch bis Samstag verlängerten Debatten, dass sie den Klimawandel „als komplexe soziale und ökologische Krise“ verstünden, an deren Lösung sich in den kommenden Jahren die gesamte Menschheit beweisen müsse.

Unterstützung für „1,5 Grad“ wächst

Immerhin enthalte der Entwurf „sehr positive Signale“, bemerkte Hödl: Fast alle Staaten würden nun die Eindämmung des menschengemachten Klimawandels als gemeinsame Aufgabe anerkennen und erstmals auch die 1,5 Grad als Obergrenze für die Erderwärmung, obgleich weiter 2 Grad als Maß der Bemühungen gilt. Die 1,5 Grad, zu denen unter anderen Österreichs Bischofskonferenz und zuletzt am Donnerstag der Vatikan aufgerufen hatten, böten „deutlich größere Chancen, den Lebensraum der Menschen in besonders vom Klimawandel betroffenen Regionen zu erhalten, was die Tür für größere Schritte zur Begrenzung von Treibhausgasemissionen und dessen regelmäßige Überprüfung öffnet“, so der Kirchenexperte.

Umgang mit Schäden ungeklärt

Noch immer weitgehend ungeklärt und Hauptgegenstand der nunmehrigen Verhandlungen ist die finanzielle Unterstützung von Entwicklungsländern und der angemessene Umgang mit Verlusten und Schäden. Es fehlt dabei an Bereitschaft der Länder zur gerechten Aufteilung der Lasten für den Klimaschutz und für die Anpassung an Klimawandelfolgen. Dass die Industrienationen die Bereitstellung von 100 Milliarden Dollar pro Jahr ab 2020 dafür bestätigt und die notwendige Steigerung dieser Beträge bestätigt haben, wertete Hödl als wichtiges Signal. „Es bleibt jedoch bisher unklar, wie der zukünftig weitaus höhere Bedarf an Unterstützungsleistungen aufgebracht werden soll“, so seine Kritik.

Bekämpfung von Armut und Klimawandel könne man nicht voneinander getrennt betrachten, betonte der CIDSE-Präsident. Zwar anerkenne das bisherige Pariser Abkommen in der Präambel diesen Zusammenhang, doch erhalte in Folge die Unterstützung der ärmsten Staaten bei der Klimawandelanpassung und beim Umgang mit unwiderruflichen Schäden und Verlusten nicht „den Stellenwert, der für die Herstellung von Klimagerechtigkeit nötig ist“, so Hödl. Ignoriert werde im Haupttext insbesondere die Tatsache, dass Klimawandelfolgen Menschenrechte wie das Recht auf Nahrung massiv bedrohen. „Dabei droht rund 600 Millionen Menschen Hunger, sollte sich die Erde um 2 Grad Celsius erwärmen.“

Vertrag braucht Umsetzung

Gleich nach Beschluss in Paris müsse das Klimaabkommen umgehend unterzeichnet und schon im Vorfeld des Inkrafttretens in nationale und internationale Aktionspläne Einzug halten, forderte der Dachverbands-Vorsitzende der katholischen Hilfswerke. Dies gelte auch für Österreichs Regierung: Sie müsse „die Reduktion der absoluten Treibhausgasemissionen mit gesteigerter Ernsthaftigkeit angehen und ihren angemessenen zusätzlichen Beitrag zur weltweiten Klimagerechtigkeit durch internationale Klimafinanzierung aus langfristigen Quellen und nichtfinanzielle Unterstützung von Entwicklungsländern leisten“.

Der führende Vatikan-Delegierte beim Klimagipfel, Erzbischof Bernadito Auza, hatte sich bei der UNO-Vollversammlung vehement für eine ehrgeizigere Emissionsreduktion ausgesprochen, um das Ziel einer Beschränkung der Erderwärmung auf 1,5 Grad zu erreichen. Zuletzt hatten 114 Staaten diese Marke unterstützt.

religion.ORF.at/KAP

Links: