Köln: Vorsicht vor Kontext zu Religion und Herkunft

Die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten haben heftige Reaktionen ausgelöst. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland warnt vor der Vermischung von Sachverhalten.

Die Slowakei, die bisher lediglich acht muslimische Flüchtlinge aufgenommen hat, nimmt die Vorkommnisse in Köln und anderen Städten zum Anlass, gar keine Muslime mehr aufnehmen zu wollen. Das kündigte Regierungschef Robert Fico am Donnerstag an. Während sich einige darauf einschießen, pauschal gegen Flüchtlinge und Muslime zu wettern, neigen andere zu Verharmlosungen der Vorfälle. Namhafte Muslime und Katholiken melden sich nun mit ihren Standpunkten zu Wort.

Mazyek: Kein Generalverdacht gegen Muslime

Vor einem Generalverdacht gegen Muslime warnte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, mit Blick auf die Geschehnisse der Silvesternacht in Köln. „Wir machen einen Riesenfehler, wenn wir versuchen, einen Kontext zur Religion oder zur Herkunft herzustellen. Da ist ein Rudel von alkoholisierten Männern, offenkundig auch mit Migrationshintergrund, die eine schwere Straftat - wenn sie das denn gemacht haben - begangen haben“, sagte Mazyek der „Welt“ (Donnerstag-Ausgabe).

Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland

REUTERS/Fabrizio Bensch

Aiman Mazyek

Man müsse jetzt aufpassen, „dass wir nicht skandalisieren und hysterisieren und die Faktenlage nicht betrachten“, so der Zentralratsvorsitzende weiter. Dieser Kontext zur Herkunft sei „hochgefährlich“. Es nutze gerade „Pegidisten und anderen“, immer diesen Zusammenhang herzustellen. Recht und Gesetz fragten aber nicht nach der Herkunft, sondern nach der Straftat, die erst einmal bewiesen werden müsse. „Es gibt keinen Rabatt für irgendwelche Herkünfte oder Kulturen. Es gilt unser Gesetz, und danach muss gegangen werden“, sagte Mazyek. Wenn Menschen kriminelle Energien hätten oder Straftaten begangen hätten, müssten sie bestraft werden. „Schluss, aus, Ende.“

Expertin: Problematisches Frauenbild

Für die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor ist die Ursache der Übergriffe im Frauenbild vieler Männer aus arabisch-muslimischen Herkunftsländern. Mit dem Islam als Religion hätten die Übergriffe nicht viel zu tun, sagte Kaddor am Donnerstag im ZDF-Morgenmagazin. Das zeige sich schon daran, dass viele der Männer am Kölner Hauptbahnhof offensichtlich alkoholisiert gewesen seien. „Es ist weniger ein streng religiösen Problem“, fügte die Religionspädagogin hinzu. „Es ist eher ein kulturelles, patriarchalisches Problem.“

Lamya Kaddor

APA/EPA/Jörg Carstensen

Lamya Kaddor

Kaddor räumte zugleich ein, dass die patriarchalische Kultur muslimisch geprägter Länder und das Verhalten der Männer sich möglicherweise aus der Religion speise. Trotzdem dürfe man nicht alle muslimischen Männer unter Generalverdacht stellen. „Das betrifft auch andere Einwanderer und Männer in unserer Gesellschaft.“ Die Religionspädagogin verwies darauf, dass der Koran für die Zeit seiner Abfassung ein vergleichsweise positives Frauenbild vertrete. So seien Frauen vor Gott gleich; sie hätten ein Recht auf Bildung, seien erbberechtigt.

Die Islamwissenschaftlerin forderte von Politik und Gesellschaft, Gegenkonzepte zu entwickeln. In Integrationskursen und Moscheeunterricht müssten Werte wie Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Persönlichkeitsrechte zum Thema gemacht werden. Zugleich müsse der Staat deutlich machen, dass er ein Verhalten wie in Köln nicht dulde.

Türkische Gemeinde fordert Sachlichkeit

Die Türkische Gemeinde in Deutschland fordert angesichts der Übergriffe mehr Sachlichkeit in der Debatte. „Wir laufen Gefahr, dass infolge der Übergriffe Bürger sich in ihren Ressentiments gegenüber Flüchtlingen und Menschen aus bestimmten Kulturkreisen bestätigt fühlen“, warnte der Bundesvorsitzende Gökay Sofuoglu am Donnerstag in Berlin.

Voraussetzung für eine nachhaltige Prävention sei „eine sachliche Diskussion ohne rassistische Untertöne“. Flüchtlinge dürften nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Zugleich verurteilte die Türkische Gemeinde die Angriffe auf Frauen als „verabscheuungswürdig“. Sie „entsprechen nicht unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung.“

Silvester in Köln

APA/dpa/Markus Boehm

In Köln gab es zu Silvester schwere Übergriffe auf Frauen

Bischof: Kein Pauschalverdacht gegen Flüchtlinge

Die römisch-katholische Kirche hat aus Sicht des Hamburger Weihbischofs Hans-Jochen Jaschke die Pflicht, Flüchtlinge nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln gegen pauschale Verurteilungen zu schützen. „Die meisten Leute wollen sofort urteilen und wollen Sündenböcke haben“, sagte er am Donnerstag im Gespräch mit Radio Vatikan. Die Kirche müsse darauf achten, dass keine „irrationale Stimmung“ mit allgemeinen Verdächtigungen gegen Ausländer und Flüchtlinge aufkomme. Auch in führenden Parteien gibt es nach seinen Worten Stimmen, „die gleich wieder Propaganda gegen Flüchtlinge machen wollen“, so Jaschke, der in der Deutschen Bischofskonferenz für den Dialog mit den Muslimen zuständig ist.

Der Weihbischof mahnte, zunächst ein klares Bild über die Vorgänge zu gewinnen, bei denen nach bisherigen Erkenntnissen Mädchen und Frauen am Kölner Hauptbahnhof von Gruppen junger Männer mit arabischem Migrationshintergrund sexuell bedrängt, teils verletzt und ausgeraubt wurden. Die Täter seien dingfest zu machen, betonte Jaschke. „Und wenn es heißt nordafrikanischer Hintergrund, dann sind es ja nicht die Flüchtlinge aus Syrien, diese armen Menschen, die zu uns kommen. Es sind offenbar doch organisierte Leute.“ Auch im Islam seien sexuelle Attacken auf Frauen nicht erlaubt, stellte Jaschke klar. Es könne aber sein, dass das freie Auftreten westlicher Frauen vielen Muslimen nicht gefalle.

Erzbischof: Würde der Frauen verteidigen

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki reagierte am Mittwoch mit einem Aufruf an die Gläubigen, sich für die Menschenwürde einzusetzen. „Wo wehrlose, den Jahreswechsel feiernde Frauen ohnmächtig den Übergriffen einer marodierenden Horde ausgesetzt sind, da stellt sich Gott entgegen und will, dass auch wir uns dort solchen Ausschreitungen entgegen stellen und die Würde, in diesem Fall die Würde so vieler Frauen, verteidigen“, sagte der Kardinal nach Angaben des Portals katholisch.de in seiner Predigt zum Hochfest Epiphanie am Mittwochabend.

Die Menschenwürde habe gerade durch die Menschwerdung Gottes im Stall von Betlehem eine besondere Bedeutung erhalten, „weil er, der Schöpfer selbst, Geschöpf geworden ist“, erklärte Woelki weiter.

religion.ORF.at/KAP/KNA/dpa

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