Tag des Judentums: Gedenken an Unrecht

Christliche Kirchen feiern am 17. Jänner den „Tag des Judentums“. Papst Franziskus wird am Sonntag die Große Synagoge von Rom besuchen. Der Gedenktag wurde im Jahr 2000 vom Ökumenischen Rat der Kirchen ins Leben gerufen.

Das Christentum ist in seinem Selbstverständnis wesentlich mit dem Judentum verbunden; damit dies den Christen immer deutlicher bewusst wird, hat der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) im Jahr 2000 den „17. Jänner - Tag des Judentums“ als Gedenktag im Kirchenjahr eingeführt. Dabei sollen sich Christen in besonderer Weise ihrer Weggemeinschaft mit dem Judentum bewusst werden und zugleich des von ihnen an jüdischen Menschen und ihrem Glauben begangenen Unrechts in der Geschichte gedenken.

Papst Franziskus steckt einen Zettel in die Klagemauer

APA/ EPA/Osservatore Romano/Handout

Papst Franziskus 2014 an der Klagemeuer in Jerusalem

Zeichen gegen Antisemitismus

Papst Franziskus wird am Sonntag die Große Synagoge von Rom besuchen, was Kurienkardinal Kurt Koch als Zeichen gegen Antisemitismus wertet. Franziskus bekräftige damit seine Botschaft, dass es „absolut unmöglich“ sei, „Christ zu sein und gleichzeitig Antisemit“, sagte der vatikanische Verantwortliche für die Ökumene und für die Beziehungen zum Judentum dem „Osservatore Romano“ (Mittwochsausgabe).

Der Schweizer Kardinal Kurt Koch

Reuters/Alessandro Bianchi

Kardinal Kurt Koch

In einer Zeit, „in der wir neue Wellen des Antisemitismus in Europa erleben“, sei diese Botschaft besonders wichtig, so Koch. Franziskus besucht am Sonntag die zentrale römische Synagoge. Es ist das erste Mal überhaupt, dass Franziskus seit seinem Amtsantritt im März 2013 eine Synagoge besucht. Zugleich betonte der Schweizer Kardinal, dass Franziskus mit diesem Besuch an seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. anknüpfe, die 1986 und 2010 die Große Synagoge in Rom besuchten. Johannes Paul II. war der erste Papst der Neuzeit überhaupt, der ein jüdisches Gebetshaus betrat.

„Nein zur Judenmission“

Die „Radio Vatikan“-Redakteurin Gudrun Sailer bezeichnet in einem Beitrag für die Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“ (Ausgabe vom 10. Jänner) der Synagogenbesuch von Papst Franziskus sei im Vergleich zum Synagogenbesuch von Papst Johannes Paul II. vor 30 Jahren zwar „kein großer Schritt mehr“, bemerkenswert seien allerdings die neuen Vorzeichen. Zu erwähnen sei besonders das im neuen Vatikandokument zur christlich-jüdischen Beziehung vom 10. Dezember 2015 formulierte Nein zur Judenmission.

Papst Johannes Paul II. mit drei Rabbis nach seinem Besuch als erster Papst in einer Synagoge am 13.4.1986

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Papst Johannes Paul II. am 13.4.1986 mit drei italienischen Rabbis, nach seinem Besuch als erster Papst in einer Synagoge

Die von Kardinal Koch geleitete vatikanische Kommission für die religiösen Beziehungen mit den Juden hatte vor einem Monat ein Dokument mit dem Titel „Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt“, veröffentlicht. Ein zentraler Punkt ist dabei die Passage über das Thema Judenmission.

Wörtlich heißt es darin: „Es ist leicht zu verstehen, dass die so genannte ‚Judenmission‘ für Juden eine sehr heikle und sensible Frage darstellt, weil sie in ihren Augen die Existenz des jüdischen Volkes selbst betrifft. Diese Frage erweist sich auch für die Christen als heikel, weil für sie die universale Heilsbedeutung Jesu Christi und folglich die universale Sendung der Kirche von grundlegender Bedeutung sind. Die Kirche ist daher verpflichtet, den Evangelisierungsauftrag gegenüber Juden, die an den einen und einzigen Gott glauben, in einer anderen Weise als gegenüber Menschen mit anderen Religionen und weltanschaulichen Überzeugungen zu sehen. Dies bedeutet konkret, dass die katholische Kirche keine spezifische institutionelle Missionsarbeit, die auf Juden gerichtet ist, kennt und unterstützt.“

Autorin und Journalistin Gudrun Sailer

kathbild/Franz Josef Rupprecht

Gudrun Sailer

Sailer: „Melodie von Moll auf Dur übergegangen“

Sailer erinnert unter anderem auch an die Freundschaft des argentinischen Papstes zu Rabbiner Abraham Skroka aus Buenos Aires. Diesen habe Franziskus 2014 sogar zu seiner Heiligland-Reise mitgenommen. „Dort küsste Franziskus in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem die Hände von Überlebenden der Shoah“, so die in Rom tätige niederösterreichische Journalistin. Es scheine - und auch das neue Dokument zeige das -, dass mit Franziskus „die gemeinsame Melodie von Juden und katholischen Christen endgültig von Moll auf Dur übergegangen“ sei.

17. Jänner: Bewusst gewähltes Datum

Koch verwies in dem Interview mit dem „Osservatore Romano“ darauf, dass auch das Datum des Besuchs besondere Symbolkraft habe. Der 17. Jänner sei von der Italienischen Bischofskonferenz, aber auch in anderen Ländern, zum „Tag des Judentums“ erklärt worden, sagte der Präsident der vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum.

Die Initiative zum Tag geht auf die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung 1997 in Graz zurück. Auch in Italien, Polen und den Niederlanden wird der Tag des Judentums begangen. Das Datum für den Tag des Judentums ist bewusst gewählt: Den Geist dieses Tages sollen die Kirchen in die anschließende weltweite „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ (18. bis 25. Jänner) weiter tragen. Denn bei allen Trennungen der Christenheit untereinander sei allen Kirchen gemeinsam, dass sie im Judentum verwurzelt sind, so die Veranstalter.

In Österreich wird der „Tag des Judentums“ mit verschiedenen Veranstaltungen und Gottesdiensten begangen. Der zentrale Gottesdienst des ÖRKÖ findet am Sonntag, 17. Jänner, um 18.00 Uhr in der evangelischen Verklärungskirche (1020 Wien, Am Tabor 5) statt. Das biblische Motto des Gottesdienstes ist dem Buch der Psalmen entnommen: „Herr, steh auf, dass nicht Menschen die Oberhand gewinnen“ (Ps 9,20). Die Predigt hält der Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Prof. Martin Jäggle.

religion.ORF.at/epd/KAP

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