Patriarch Kyrill: Kirchenoberhaupt mit Einfluss

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. gilt als Freund der Ökumene, aber auch als Verfechter traditioneller Familienwerte und Gegner von Homosexuellenrechten. Er pflegt engen Kontakt zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Putin bindet die orthodoxe Kirche als Machtstütze aktiv in seine Politik ein. Er sieht in ihr einen starken Verbündeten im Kampf gegen westlichen Liberalismus und Werteverfall. Kritiker sprechen von einer „unheiligen Allianz“ von Staat und Kirche.

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill

Reuters/Alexandre Meneghini

Patriarch Kyrill

Kyrill gilt als Kirchenoberhaupt mit dem Willen zur Ökumene. Als Kopf der größten orthodoxen Kirche, die nach eigenen Angaben 150 Millionen Anhänger hat, wagte der 69-jährige Kyrill bereits früher Schritte zu einer Annäherung an die Katholiken. So besuchte er 2012 als erster russisch-orthodoxer Patriarch das überwiegend katholische Polen. Bereits 2007 hatte er zudem - damals noch nicht in der Funktion des Patriarchen - am Evangelischen Kirchentag in Köln teilgenommen.

„Gefahr“ durch Homosexualität und Feminismus

Geboren wurde Kyrill 1946 unter dem bürgerlichen Namen Wladimir Gundjajew als Sohn einer Priesterfamilie im damaligen Leningrad (St. Petersburg). In vier Jahrzehnten diente sich der studierte Theologe und Verfasser zahlreicher beachteter Glaubensschriften vom Priester bis an die Spitze seiner Kirche. Deren Geschicke lenkt er als Moskauer Patriarch seit 2009. Am 20. November feiert er seinen 70. Geburtstag.

Auch wenn der Mann mit dem markanten weißen Bart offen für andere Konfessionen ist, können sich vor allem ultrakonservative orthodoxe Christen mit ihm identifizieren. Homosexualität und Feminismus etwa sieht er als Gefahr für die Gesellschaft. Kritiker werfen Kyrill außerdem Korruption im großen Stil vor, mit einem Hang zu teuren Uhren und weiterem Luxus. Zudem werden ihm Verbindungen zum Geheimdienst nachgesagt.

Enger Verbündeter Putins

2012 gehörte Kyrill zu den Befürwortern eines Prozesses gegen die Frauenpunkband „Pussy Riot“, die mit einem „Punkgebet“ in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale auf die enge Verbindung zwischen Politik und Kirche in Russland aufmerksam machen wollte. Mit einer schrillen Performance und Strickhauben über dem Kopf hatten die Musikerinnen in der wichtigsten orthodoxen Kirche gegen die russische Führung protestiert. Sie hatten außerdem vor dem Altar um die Erlösung Russlands von Wladimir Putin gebetet. Drei der Frauen wurden zu je zwei Jahren Haft wegen Schüren religiösen Hasses verurteilt, ein Jahr später trat ein verschärftes Blasphemiegesetz in Kraft.

Im Konflikt Russlands mit der Ukraine, wo getrennte orthodoxe Kirchen des Moskauer und Kiewer Patriarchats bestehen, betonte Kyrill, seine Kirche unterstütze keine Konfliktpartei und wolle lediglich Frieden stiften. Allerdings vermied er Kritik an Putins Ukraine-Politik und kritisierte stattdessen mehrfach die ukrainische Regierung. Im Zuge des militärischen Konflikts in der Ukraine brachen zahlreiche orthodoxe Pfarrgemeinden im Westen des Landes mit dem Moskauer Patriarchat.

Orthodoxe: Drittgrößte christliche Gruppe

Die orthodoxen Kirchen sind seit der Kirchenspaltung (Schisma) vor fast 1.000 Jahren eigenständig. Ihnen gehören weltweit in etwa 15 eigenständigen (autokephalen) Zweigen rund 250 Millionen Gläubige an. Nach Katholiken und Protestanten stellen die Orthodoxen heute die drittgrößte Gruppe innerhalb des Christentums.

Die russische orthodoxe Kirche ist bei Weitem die größte - sie hat nach Angaben aus Moskau etwa 150 Millionen Mitglieder. Daneben gibt es in Europa unter anderem die griechisch- und die serbisch-orthodoxe Kirche. Zur Gruppe der orientalisch-orthodoxen Kirchen gehören unter anderem die syrische, die koptische, die armenische und die äthiopische Kirche. Der Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., hat als Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christen eine führende Rolle inne.

religion.ORF.at/APA/dpa

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