Vatikan-Zeitung lobt Oscar-Gewinner „Spotlight“

Das Drama über die Enthüllung von Kindesmissbrauch in der US-Kirche sei „überzeugend“, zugleich aber keineswegs „anti-katholisch“, schrieb die Vatikan-Zeitung „Osservatore Romano“ am Montag.

„Spotlight“ hat damit nicht nur den Oscar für den besten Film erhalten, sondern auch eine Art Segen von höchster Stelle. Der Film sei eine „gute Erzählung“ darüber, wie Kirchenvertreter die Autorität der Kirche ausnutzten, um Unschuldige zu missbrauchen, heißt es in dem Leitartikel.

Co-Produzent Michael Sugar sagte nach dem Erhalt des Oscars, der Film gebe den Opfern eine Stimme, „und durch den Oscar könnte diese Stimme zu einem Choral anschwellen, der bis zum Vatikan erklingt.“ An Papst Franziskus richtete er die Mahnung, es sei „Zeit, die Kinder zu schützen und den Glauben wieder herzustellen“.

Die Spotlight-Crew mit Oscar

APA/AP/Vince Bucci

V.l.: "Spotlight-Darsteller Liev Schreiber, Michael Keaton, Mark Ruffalo, Brian DiArcy James und Rachel McAdams

Regisseur Tom McCarthy erhielt bei der Preisverleihung in der Nacht auf Montag in Los Angeles von der US-Filmakademie zudem einen Oscar für das beste Original-Drehbuch. „Dieser Film hat den Überlebenden eine Stimme gegeben - und der Oscar dient nun hoffentlich als Verstärker, damit diese Stimme ihren Weg bis in den Vatikan findet“, sagte Produzent Michael Sugar bei der Filmgala zur Auszeichnung für „Spotlight“.

Missbrauchsskandal aufgedeckt

Das Drama zeichnet in bedrückender Dichte die Enthüllung des Skandals im Frühjahr 2002 nach, den die Kirchenführer in Boston zu verschleiern versuchten. Der damalige Bostoner Erzbischof Kardinal Bernard Law, trat nach massiven Vorwürfen zurück, er habe die Skandale über lange Jahre vertuscht.

Ein Großteil der Filmhandlung spielt in den Redaktionsräumen des „Boston Globe“ und kreist um die Arbeit der Investigativ-Reporter, die für ihre Berichte später mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurden. Dabei wird nicht unter den Tisch gekehrt, dass auch die Reporter des „Boston Globe“ viele Jahre zuvor schon um die Vorgänge gewusst haben.

Szene aus "Spotlight"

APA/AP/Kerry Hayes/Open Road Films

Das Redaktionsteam des „Boston Globe“ im Film „Spotlight“. v.l.: Michael Keaton, Liev Schreiber, Mark Ruffalo. Rachel McAdams, John Slattery and Brian diArcy James

Kardinal: Wichtiger Film

Kardinal Laws Nachfolger Kardinal Sean O’Malley, der heute auch einer der führenden Berater des Papstes im Umgang mit Missbrauchsfällen ist, betonte später, die „traumatischen und schmerzvollen Tage“ im Frühjahr 2002 hätten notwendige Veränderungen in der Kirche eingeleitet und zu einem besseren Schutz von Minderjährigen geführt; die Aufgabe sei aber nie abgeschlossen.

O’Malley gehörte auch zu den ersten US-Kirchenführern, die sich nach dem Kinostart im vergangenen Herbst zu „Spotlight“ äußerten. Der Streifen sei ein „wichtiger“ Film, sagte der Kardinal. Die Kirche müsse weiter Vergebung bei den Opfern suchen und Vorkehrungen gegen neue Fälle treffen.

Chefankläger: Alle sollen Film sehen

„Alle Bischöfe und Kardinäle müssen diesen Film sehen, weil sie verstehen müssen, dass es, dass das Melden der Vorfälle die Kirche retten wird, nicht das Schweigen“, betonte der frühere vatikanische Chefankläger Charles Scicluna noch kurz vor der Oscar-Verleihung. „Spotlight“ zeige, dass der „leider in der Kirche vorhanden gewesene Instinkt, den Ruf zu schützen völlig falsch war“, meinte der nunmehrige Erzbischof von Malta bei einer Vorführung des Streifens in Valletta.

Scicluna war als Kirchenanwalt der vatikanischen Glaubenskongregation von 2002 bis 2012 für die Ahndung von Missbrauchsfällen zuständig. Seit 2015 leitet er ein Komitee für Berufungsverfahren in Missbrauchsfällen an der Glaubenskongregation.

religion.ORF.at/KAP/APA/AFP