Kardinal Pell traf Missbrauchsopfer in Rom

Der australische Kardinal und Finanzchef des Vatikans, George Pell, hat am Donnerstag 15 australische Bürger getroffen, die als Kinder von Priestern sexuell missbraucht wurden.

Das Treffen fand in einem römischen Hotel statt, von dem aus Pell per Videoschaltung vor einer australischen Untersuchungskommission ausgesagt hatte. Die Gruppe australischer Bürger hatte die vier Befragungen durch die Untersuchungskommission per Videoschaltung in Rom verfolgt. Die Australier, die auch um ein Treffen mit Papst Franziskus gebeten hatten, waren nach Rom gereist, nachdem sie über Crowd Funding Geld für ihre Reise gesammelt hatten, wie italienische Medien berichteten.

Pell gibt „schwere Fehler“ zu

Pell räumte in den vergangenen vier Tagen per Videoschaltung vor der Untersuchungskommission ein, dass die katholische Kirche in Australien bei der Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Priester schwere Fehler gemacht habe. „Es war hart, doch ich hoffe, dass meine Aussage nützlich war und dass sie zur Besserung der Lage beitragen wird“, sagte Pell.

Kardinal George Pell mit Journalisten

APA/AFP/Andreas Solaro

Von einem „schrecklichen Zufall“ sprach Kardinal Pell im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen

Die australische Missbrauchskommission war 2012 eingesetzt worden. Sie befragte fast 5.000 Missbrauchsopfer, die Vorwürfe richten sich gegen Kirchen, Waisenhäuser, Schulen und Jugendeinrichtungen. Die katholische Kirche wird schon seit Jahren durch zahlreiche Missbrauchsfälle weltweit erschüttert.

„Hätte mehr tun müssen“

Er habe 1974 von sexuellen Übergriffen eines Priesters erfahren und hätte daraufhin „mehr tun müssen“, sagte Pell in einer Videoschaltung mit einer australischen Untersuchungskommission. Dass in der Stadt Ballarat bei Melbourne damals mehrere Priester Kinder missbrauchten, bezeichnete er als „schrecklichen Zufall“. Die Vorwürfe gegen den Priester Edward Dowlan, der mittlerweile im Gefängnis sitzt, habe ein Bub im Jahr 1974 „beiläufig in einer Unterhaltung erwähnt“, sagte Pell am vierten und letzten Tag seiner Befragung durch die australische Missbrauchskommission.

Er habe die Gerüchte zwar an den Schulkaplan weitergegeben, sonst aber nichts unternommen, sagte Pell. „Mit der Erfahrung von 40 Jahren danach würde ich natürlich zustimmen, dass ich mehr hätte tun müssen“. Es sei aber trotz allem ein „schrecklicher Zufall“, dass in Ballarat mindestens fünf Priester Kinder missbraucht hätten.

Der in Ballarat geborene und aufgewachsene Pell hatte zuvor stets bestritten, von den dortigen Missbrauchsfällen gewusst zu haben. Neben Dowlan richten sich die Vorwürfe auch gegen den Priester Gerald Ridsdale, mit dem sich Pell einst ein Zimmer teilte. Ridsdale soll sich von 1960 bis 1980 an mindestens 50 Buben vergangen haben, bevor er 1993 aufflog und zu einer Haftstrafe verurteilt wurde.

Vorwurf: Schweigegeld angeboten

Pell wird unter anderem vorgeworfen, Ridsdales Neffen David ein Schweigegeld angeboten zu haben. Der Kardinal wies den Vorwurf am Donnerstag erneut zurück. Er habe dem Jungen, der ebenfalls von seinem Onkel missbraucht worden war, „mit Sicherheit“ kein Schweigegeld angeboten, „weil ich mich daran mit Sicherheit erinnert würde“, sagte Pell.

In seiner Befragung am Dienstag hatte Pell gesagt, dass ihn die Vorwürfe gegen Ridsdale damals „nicht besonders interessiert“ hätten. Diese Formulierung nahm er nun zurück. „Ich bedauere diese Wortwahl“, sagte der Kardinal. Er sei „sehr verwirrt“ gewesen und habe seine Antwort „schlecht“ formuliert. Es sei aber „nachweislich falsch“, dass er sich damals über die Missbrauchsfälle lustig gemacht habe. Der 74-jährige Pell musste nicht persönlich vor der Untersuchungskommission in Sydney erscheinen. Wegen Herzproblemen durfte er seine Aussagen per Liveschaltung von einem Hotel in Rom aus machen.

religion.ORF.at/APA/AFP

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