Teile der Bibel möglicherweise älter als gedacht

Ein Forscherteam der Universität von Tel Aviv hat Hinweise darauf gefunden, dass einige biblische Texte früher entstanden sein könnten als bisher allgemein angenommen.

Das Team, bestehend aus Doktoranden der Angewandten Mathematik, Mathematikprofessoren, Archäologen und einem Physiker, untersuchte 16 Tinte-Inschriften auf Keramikscherben, die auf dem Gelände einer antiken militärischen Befestigung in Arad in Südisrael gefunden worden waren.

Modernste Handschriftenanalyse

Die Wissenschaftler wandten eine Methode zu Handschriftenanalyse an, wie sie auch von Geheimdiensten und Banken verwendet werden, um Unterschriften zu untersuchen, berichtete der britische „Guardian“ (Onlineausgabe). Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass alte hebräische Inschriften, die um 600 v. Chr. datiert werden, von mindestens sechs verschiedenen Autoren stammen müssen.

Beschriftete Tonscherben aus einem Fund in Arad, Israel

AP/Dan Balilty

Beschriftete Tonscherben aus einem Fund in Arad, Israel

Zwar seien die Inschriften auf den entdeckten Tonscherben nicht Teil der Hebräischen Bibel (Altes Testament), doch die Entdeckung lege nahe, dass es im antiken Königreich Juda eine weit verbreitete Schriftkundigkeit gegeben habe. Das habe auch die Zusammenstellung biblischer Texte befördert, so die These des israelischen Forschungsteams.

Debatte über Entstehungszeit erster Bibeltexte

Die Entdeckung, die am Montag in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“, einem wissenschaftlichen US-Journal, publiziert wurde, leistet einen Beitrag zu einer langjährigen Debatte darüber, wann biblische Texte erstmals zusammengestellt wurden. Die Annahmen reichen von der Zeit der babylonischen Belagerung und der Zerstörung Jerusalems (586 v. Chr.) bis zum babylonischen Exil.

Beschriftete Tonscherbe aus einem Fund in Arad, Israel

AP/Dan Balilty

Durch Multispektralanalyse konnten die Buchstaben sichtbar gemacht werden

Eine Theorie über die Entstehung der ältesten Bibelteile geht davon aus, dass ein Teil der biblischen Texte, vom Buch Josua bis zum Zweiten Buch der Könige, in die Zeit nach der Belagerung fällt. Demzufolge seien sie als Ergebnis des babylonischen Exils zu werten, einer Zeit, in der die Verfasser begonnen haben könnten, über ihre Geschichte nachzudenken und sie aufs Pergament zu bringen.

Erstmals „etwas Empirisches“

Der israelische Archäologe Israel Finkelstein, der an der Studie teilnahm, sagte, es sei „das erste Mal, dass wir etwas Empirisches in unseren Händen haben“. Er habe schon lange geglaubt, dass diese Texte früher, im späten 7. Jahrhundert vor der Zeitrechnung, entstanden sind. Die Untersuchung sieht er nun als Untermauerung für seine Annahme.

Durch die verwendete Methode, die Multispektralbildgebung, konnten die zum Teil über die Jahrhunderte hinweg abgeriebenen hebräischen Buchstaben wieder erkennbar gemacht werden. Ein Computeralgorithmus analysierte dann die Handschriften auf Unterschiede in der Schreibweise.

Weit verbreitetes Schrifttum

Zwar geben die Texte keine biblischen Inhalte wieder, sondern drehen sich um Truppenbewegungen und Ausgaben für die Verpflegung von Soldaten. Trotzdem können die Forscher herauslesen, dass offenbar auch niedrigere Dienstgrade schreiben konnten. Das wie auch die abgelegene Position der Festung, aus der die Funde stammen, deute darauf hin, dass zu der Zeit, in der die Handschriften entstanden, das Schrifttum weit verbreitet gewesen sei, so die Studie laut „Guardian“.

Das wiederum dient als Stütze für die These, dass einige Texte der Bibel schon zu dieser Zeit entstanden sein könnten. Die Qumran-Schriften etwa, die älteste bekannte Sammlung von biblischen Schriften, entstanden vermutlich erst mehrere Jahrhunderte später.

Der „Guardian“ lässt auch den Bibelgelehrten Schmuel Ahituv, der an der Studie nicht teilnahm, zu Wort kommen. Er glaube auch, dass das Schrifttum im antiken Juda vor 586 v. Chr. weit verbreitet war und dass Bibeltexte im Zweifelsfall eher vor der Belagerung Jerusalems geschrieben wurden. Das sei allein anhand der literarischen Analyse biblischer Schriften offensichtlich. „Ich brauche keine Algorithmen“, so Ahituv.

religion.ORF.at

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