US-Kirche nach zwölf Jahren „Besetzung“ verkauft

Die Bostoner katholische Kirche St. Frances Xavier Cabrini wird verkauft, nachdem sich über hundert Gemeindemitglieder seit zwölf Jahren mit einer Art „Besetzung“ des Kirche gewehrt hatten.

Zwölf Jahre - genau 4.222 Tage - dauerte die als Mahnwache angelegte Protestaktion der „The Friends of St Frances Xavier Cabrini“ aus der Bostoner Gemeinde gegen den Verkauf der Kirche durch die Erzdiözese, wie der britische „Guardian“ am Donnerstag in seiner Onlineausgabe berichtete. Die Kirche ist eine von insgesamt 70 Gebäuden in und um Boston (US-Bundesstaat Massachusetts), die die katholische Kirche verkaufen will, um Kompensationszahlungen an Missbrauchsopfer zu finanzieren.

Mitglieder der Gruppe "Friends of St. Frances Cabrini" in der Kirche St. Frances X. Cabrini in Boston, Massachusetts

AP/Steven Senne

Mitglieder der Gruppe „Friends of St. Frances Cabrini“ harrten insgesamt 4.222 Tage in „ihrer“ Kirche aus

Campieren in der Sakristei

Die Gemeinde von St. Frances Xavier Cabrini sieht sich als Opfer in der langwierigen und durch den Hollywood-Film „Spotlight“ weltweit bekannten Affäre und wollte den Verkauf nicht einfach hinnehmen. Während der letzten zwölf Jahre sei die Kirche nicht für einen Moment leer gewesen, so der „Guardian“ - 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche dauerte die „Wache“, bei der sich die Gemeindemitglieder in dem Gebäude ständig abwechselten.

Erzdiözese Boston

Die Erzdiözese Boston gehört zu den wichtigsten katholischen Diözesen der USA. Von der Zeitung „The Boston Globe“ im Jahr 2002 aufgedeckte Missbrauchsfälle führten zum Rücktritt des Erzbischofs Bernard Law. Die Zahlung von Schmerzensgeld an die Opfer trieb die Diözese in den Bankrott - sogar das Bischofshaus wurde verkauft.

Kinder hätten in der Sakristei geschlafen, so der Bericht der Korrespondentin Harriet Sherwood. Es wurde in der Kirche gegessen, in den Kirchenbänken Meetings abgehalten und Gebete gesprochen. Doch das ist nun vorbei: Nachdem der Supreme Court, das Oberste Bundesgericht der USA, am Montag einen Einspruch der Aktivisten abgelehnt hat, müssen diese jetzt das Feld innerhalb von 14 Tagen räumen. Am 29. Mai soll ein Abschiedsgottesdienst stattfinden.

Ein harter Kern der Protestgruppe will weitermachen. „Wir werden zusammenbleiben und Tausende entrechtete Katholiken aktivieren, die der Kirche nicht länger vertrauen“, sagte Jon Rogers, der Sprecher der Gruppe, dem „Guardian“. Es scheine, als habe die Justiz „noch immer eine gesunde Angst vor der katholischen Kirche“. Den Verkauf von St. Frances Xavier Cabrini sieht er als „Landraub“ durch die Erzdiözese Boston.

Jon Rogers, Sprecher der Gruppe "Friends of St. Frances Cabrini", spricht mit Gemeindemitgliedern in der Kirche St. Frances X. Cabrini in Boston, Massachusetts

AP/Steven Senne

Jon Rogers, Sprecher der Gruppe „Friends of St. Frances Cabrini“, und Gemeindemitglieder in der Kirche St. Frances X. Cabrini

85 Millionen für Missbrauchsopfer

Die Kirche, die in günstiger Lage etwas außerhalb von Boston auf einem Grundstück mit Blick aufs Meer gelegen ist, war 2004 auf eine Liste von Objekten gesetzt worden, die zum Zweck der Finanzierung der Kompensationszahlungen an die Opfer des gigantischen Missbrauchsskandals der Diözese veräußert werden sollten. Wie der „Boston Globe“ vergangenes Jahr berichtete, wird mindestens 571 Geistlichen vorgeworfen, Kinder missbraucht zu haben. Der „Guardian“ schreibt, die Erzdiözese habe 85 Millionen Dollar zu leisten.

Der Skandal erschütterte das Vertrauen in die Kirche und enthüllte, welche Macht sie innerhalb der Bostoner Gesellschaft hatte. Im Zuge der Berichterstattung sanken die Zahlen der Kirchgeher sowie der Spenden empfindlich. Die Erzdiözese wolle mit dem Verkauf von Kirchen „ihre Kassen wieder auffüllen“, sagte Aktivistensprecher Rogers: „Unsere Kirche war eine der wertvollsten.“

„Kirche ist uns gestohlen worden“

Doch noch bevor die Kirchenbediensteten im Jahr 2004 das Gebäude zusperren konnten, schlüpfte ein Pfarrangehöriger hinein und begann die „Besetzung“. Der Widerstand organisierte sich, auch in anderen Kirchen, die verkauft werden sollten. Schlussendlich gaben die meisten irgendwann auf - die „Friends of St Frances Xavier Cabrini“ hielten als Letzte durch. Sie sammelten Spenden, hielten Andachten ab und kämpften vor Gericht um ihre Kirche - umsonst. „Diese Kirche ist uns gestohlen worden“, so Rogers. Die Erzdiözese stelle den finanziellen Wert des Anwesens über den Wert, den es für die Menschen habe.

Der letzte Gottesdienst in zehn Tagen werde „bittersüß“ sein, sagte Sprecher Rogers dem „Guardian“. „Es ist das Ende eines langen und beschwerlichen Kampfes, aber auch der Beginn von etwas Neuem. Das ist es, was Gott von uns erwartet.“

religion.ORF.at

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