100. Katholikentag im kirchenfernen Leipzig

Zehntausende Besucher werden am Mittwoch zum 100. Deutschen Katholikentag in Leipzig erwartet. Und das, obwohl nur ca. 4,3 Prozent der rund 570.000 Einwohner Leipzigs katholisch sind.

Für ihr fünftägiges Jubiläumstreffen haben sich die katholischen Laien ausgerechnet eine Stadt ausgesucht, in der es nur wenige Christen gibt. Etwa 10 Prozent sind evangelischen Glaubens, die große Mehrheit bekennt sich zu keiner Religion. Entsprechend gespannt sind alle Beteiligten, wie der Katholikentag in der Diaspora ankommt. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken als Veranstalter spricht von einem Testlauf dafür, wie Kirche trotz sinkender Mitgliederzahlen auch künftig in die Gesellschaft hineinwirken kann.

Luftuafnahme vom Katholikentag 2012: Ein großes weißes Kreuz mit Menschenmassen rundherum

APA/dpa/Uli Deck

Katholikentag 2012 in Mannheim

Veranstaltungen zu aktuellen Themen

Katholikentage werden im Wechsel mit evangelischen Kirchentagen in der Regel alle zwei Jahre in einer anderen Stadt organisiert. Das Programm in Leipzig umfasst rund 1.000 Veranstaltungen. Darunter sind Podiumsdiskussionen zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen, etwa zur Flüchtlingskrise, zum Umgang mit dem Islam, zum Schutz von Umwelt und Klima oder zur Armut.

Unter dem Titel "Von der seltsamen Rückbesinnung auf das „Christliche Abendland“ diskutieren zum Beispiel am Sonntag der Wiener Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner und andere katholische Laienvertreter aus Deutschland und mehreren Nachbarländern über das Erstarken nationalistischer Kräfte und der wachsenden Bedeutung einer sogenannten Neuen Rechten.

„Im Kontext ihrer jeweiligen Erfahrungen wird die Rolle von Kirche und Katholizismus beleuchtet und nach dem Beitrag katholischer Laienorganisationen und -bewegungen zur Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Strömungen gefragt“, heißt es dazu in eienr Aussendung vom Montag.

Die Kirchenpolitik hinterfragen

Viele der 30.000 Teilnehmer, die sich für alle Tage angemeldet haben, wollen sich ihres Glaubens versichern, gemeinsam Gottesdienste feiern, Workshops gestalten oder Konzerte besuchen. Das gilt auch für die Tausenden Tagesbesucher, die zusätzlich zu den Dauergästen tageweise nach Leipzig kommen wollen.

Auf etlichen Veranstaltungen geht es um Fragen, die derzeit das Innenleben der katholischen Kirche in der Ära von Papst Franziskus prägen. Dazu zählt die Forderung, Frauen mehr Verantwortung zu übertragen. Sie sind derzeit von Weiheämtern ausgeschlossen, dürfen also nicht Diakon, Priester oder Bischof werden. Auch bei anderen Posten etwa in der Kirchenverwaltung sind sie unterrepräsentiert. Kontrovers wird unter Katholiken auch über die selbst von vielen Christen als weltfremd empfundene Sexualmoral und das Familienbild der Kirche debattiert.

AfD-Politiker nicht eingeladen

Für Schlagzeilen sorgte die ablehnende Haltung der Veranstalter zur AfD. Politiker der Rechtspopulisten wurden nicht zu Diskussionsrunden eingeladen. Streit gab es auch um die Finanzierung des Treffens, das etwa zehn Millionen Euro kostet: Es gab Kritik am staatlichen Zuschuss von 4,5 Millionen Euro, den der Bund (0,5 Mio), das Land Sachsen (3 Mio) und die Stadt Leipzig (1 Mio) aufbringen.

Nach Einschätzung von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) ist Leipzig trotz aller Debatten und Bedenken ein guter Ort für den 100. Katholikentag. „Gerade wegen der Kirchenferne vieler, vieler Menschen, gerade wegen der nur noch 15 Prozent Kirchenmitglieder in unserer Stadt ist es eine ideale Plattform, um genau das zu diskutieren, was uns antreibt, und den Sinn des Lebens zu hinterfragen.“

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die regelmäßig zu den großen Kirchentreffen kam, ließ sich diesmal wegen des G7-Gipfels in Japan entschuldigen.

religion.ORF.at/dpa