Leipzig: 100. Deutscher Katholikentag eröffnet

Mit einem stimmungsvollen Fest ist am Mittwochabend in Leipzig der 100. Deutsche Katholikentag eröffnet worden. Nach Angaben der Veranstalter kamen rund 10.000 Menschen auf den Marktplatz in der Leipziger Innenstadt.

Bundespräsident Joachim Gauck rief dazu auf, die Welt zu einem besseren Ort zu machen: „Geschichte kann sich auch in eine gute Richtung entwickeln, nämlich in Richtung Verständnis, Toleranz, Versöhnung. Inmitten all der meist schlimmen oder bedrohlichen Nachrichten der jüngsten Zeit sollten wir das nicht vergessen.“ Der deutsche Bundespräsident begrüßte die Teilnehmer des Katholikentags als „evangelischer Mitchrist“.

Papstbotschaft via Video

Bei bedecktem Himmel betonten Vertreter aus Politik und Kirche die Rolle des Christentums für die moderne Gesellschaft. Papst Franziskus forderte in einer eingespielten Videobotschaft dazu auf, „der Stimme der Armen und Zerschlagenen immer mehr Raum“ zu geben. In der auf Deutsch gehaltenen Rede kritisierte er: „Wir sehen, wie Menschen bloßgestellt, hin und her gestoßen und ihrer Würde beraubt werden, weil sie keine Arbeit haben oder weil sie Flüchtlinge sind.“

Das fünftägige Treffen steht unter dem Motto „Seht, da ist der Mensch!“ Die Veranstalter erwarten 32.000 Dauerteilnehmer und mehrere Zehntausend Tagesgäste. Laut Polizei verlief der Auftakt des Treffens friedlich und ruhig. An das Eröffnungsfest schloss sich ein „Abend der Begegnung“ an.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, sagte, von der international geprägten Stadt Leipzig solle ein starkes Zeichen ausgehen: „ein Signal der Offenheit und der Toleranz gegen jeden dumpfen Nationalismus“.

Er fügte hinzu, für Christen sei die Würde aller Menschen nicht verhandelbar: „Deshalb können wir nicht wegsehen, dürfen wir nicht vorübergehen, wo andere unsere Solidarität brauchen. Und wenn Menschen Sicherheit vor Verfolgung und Not nur in unserem Land finden können, dann sind sie hier herzlich willkommen!“

Katholikentag als Lernprozess

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch bezeichnete den Katholikentag als gemeinsamen Lernprozess „des Wahrnehmens und des Entdeckens Gottes und des Menschen“. Christen und Nichtchristen verbinde „die Hoffnung auf und die Sorge um den Menschen“. Aus Anlass des Jubiläums gab es auf der Bühne einen bunten Mix an Bildern, Reden, Einlagen und Musik.

Zuvor hatte der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf bei einem Festakt die Katholikentage als Erfolgsgeschichte gewürdigt und zugleich Neuerungen angemahnt. Künftige Treffen müssten mutig und ohne Tabus für Reformen in Gesellschaft und Kirche eintreten - notfalls auch mit einem „Schuss Ungehorsam der Hierarchie gegenüber, wenn diese sich den Zeichen der Zeit gegenüber verschließen sollte“.

Signal gegen Egoismus, Hetze, Nationalismus

Bei dem Festakt trat auch der deutsche Altbundespräsident Christian Wulff auf, der sich vom Katholikentag einen Aufbruch und ein klares Signal gegen Egoismus, Hetze, Nationalismus, Machogehabe und Größenwahn wünschte. Diese seien in Europa und in der ganzen Welt auf dem Vormarsch, „auch weil christliche Werte nicht mehr genügend beachtet werden“, sagte Wulff.

„Christen tun einer Gesellschaft extrem gut“, betonte Wulff in seiner Rede. Sie sollten in der aktuellen Situation immer wieder klarmachen, was Deutschland ausmache, was man wirklich verteidigen müsse und wo tatsächlich das christlich jüdische abendländische Fundament liege.

Flüchtlingshilfe als Christenpflicht

Wem heute gleichgültig sei, was an den Grenzen und in den Flüchtlingslagern passiere, „der kann doch nicht Montagsabends das christliche Abendland verteidigen wollen. Wo sind wir da hingekommen?“ In der Bibel stehe das Wort, wer ohne Sünde sei, der werfe den ersten Stein, erinnerte Wulff: „Ich bin erstaunt, wie viele glauben, ohne Sünde zu sein, und heute Steine werfen.“

„Unser Land droht gespalten zu werden“, warnte Wulff weiter. In dieser Situation sei die Kirche besonders gefragt, und an vielen Orten spielten Christen eine vorbildliche Rolle. Sie hätten verstanden, wie ernst die Lage und wie gefährdet Demokratie, Religionsfreiheit und Menschenwürde seien: „Wenn wir es hier schaffen, Kirchen, Tempel, Synagogen und Moscheen nebeneinander zu haben, dann kann es auch woanders gehen. Aber wenn wir das nicht schaffe, dann wird es auch andernorts schwierig.“

Seinem achtjährigen Sohn habe er gesagt, „wenn zu 500 Schülern an Eurer Schule drei dazukommen, dann könnt Ihr sie gut bei euch aufnehmen. Wir haben 500 Millionen Europäer, und drei Millionen Flüchtlinge kommen dazu. Warum sollen wir das nicht verkraften? Mein achtjähriger Sohn hat das kapiert.“

religion.ORF.at/KAP

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