Grab Jesu: Renovierung im Innersten des Christentums

Der heiligste Ort der Christenheit, das mutmaßliche Grab Jesu Christi in der Grabeskirche in Jerusalem, wird nach jahrzehntelangem Verfall jetzt renoviert.

Das werde kein simpler Ausbesserungsjob, schrieb die „Washington Post“ am Montag in ihrer Onlineausgabe. Für die Renovierung der Grabstätte sollen demnach Titanbolzen zum Einsatz kommen. Neun Monate lang, bis ins Frühjahr 2017, wird ein Team griechischer Spezialisten die zerfallende Grabeskapelle restaurieren, die sich über die Grabstelle und die Höhle wölbt, von der Gläubige überzeugt sind, dass sie einst den Körper von Jesus Christus - bis zu dessen Auferstehung - beherbergt hat.

Um die Kapelle zu reparieren, die sich unter ihrem eigenen Gewicht senkt, muss das Team aus Restauratoren einen nur wenige Quadratmeter messenden Raum in den Ruinen des Grabes aus dem 1. Jahrhundert betreten: das „Heilige Grab“.

Besucher umrunden das Heilige Grab in der Grabeskirche in Jerusalem

APA/AP/Mahmoud Illean

Besucher vor dem „Heiligen Grab“ in der Grabeskirche in Jerusalem

Probleme mit der Statik

Auf dem Weg dorthin müssen die Experten erst einmal jahrhundertealten Ruß zahlreicher Votivlampen entfernen und danach Marmorplatten neu setzen und verankern - Probleme mit der Statik des Grabüberbaus sind ein Hauptgrund für die notwendigen Arbeiten. Dann wird „Mörtel aus dem 21. Jahrhundert“ verwendet, um „12.-Jahrhundert-Mauerwerk aus der Zeit der Kreuzfahrer“ zu stabilisieren, so der „Washington Post“-Bericht.

Die Grabeskirche

Die Grabeskirche (Ecclesia Sancti Sepulcri) befindet sich in der Jerusalemer Altstadt. Kaiser Konstantin I. ließ 326 an der mutmaßlichen Stelle der Grablege Christi eine Kirche errichten. Über dem „Heiligen Grab“ wurde im 19. Jh. die Grabeskapelle errichtet. Vom eigentlichen Grab sind heute nur noch Bruchstücke erhalten.

Im Herzen des Gebäudes wird die Steinplatte, auf der Millionen von Pilgern über Jahrhunderte hinweg knieten und beteten, aufgehoben, und zum ersten Mal seit über 200 Jahren werden Menschen einen Blick in das Grab werfen können.

Seit der römische Kaiser Konstantin I. (306 bis 337) nach dem Konzil von Nizäa (325) den Bau einer Kirche an der Stelle veranlasste, an der man das Grab von Jesus Christus vermutete (und wo es bis heute von den meisten Experten vermutet wird), wurde der Ort oft umgestaltet, Teile des Heiligtums zerstört, wiederaufgebaut, renoviert und zum Teil wieder dem Verfall überlassen. Konstantin ließ für den Kirchenbau einen an der Stelle befindlichen Aphrodite-Tempel entfernen, der von Kaiser Hadrian (117 bis 138) vielleicht zum Zwecke der Verdrängung des christlichen Kultes errichtet worden war.

„Seit Jahrzehnten überfällig“

Eine prägende Umgestaltung erfuhr die Anlage unter den Kreuzfahrern im 12. Jahrhundert, als sie Sitz des lateinischen Patriarchen und des 1114 regulierten Chorherrenstifts wurde. Die Klosteranlage wurde nach der Rückeroberung durch Saladin 1187 aufgegeben. Nach einem Brand 1808 wurden Kapelle und Kuppel neu errichtet, ein Erdbeben 1927 und ein neuerlicher Brand 1949 machten eine Runderneuerung nötig; die jetzt begonnenen Arbeiten sind „seit Jahrzehnten überfällig“, wie die „Washington Post“ schreibt.

Renovierung der Grabeskirche in Jerusalem

APA/AP/Ariel Schalit

Die Arbeiten müssen in relativer Dunkelheit ausgeführt werden

Erschwert wird die Instandhaltung des wichtigsten Heiligtums der Christen durch komplizierte Besitz- und Nutzungsverhältnisse: Sechs christliche Konfessionen erheben Anspruch darauf, die griechisch-orthodoxe, die römisch-katholische, die armenische Kirche, die syrisch-orthodoxe Kirche von Antiochien, die koptische und die äthiopisch-orthodoxe Kirche. Genau geregelt ist, wer wann und an welchem Ort beten darf. Auch während der Restaurierung bleibt das Heiligtum für Gebete und Gottesdienste geöffnet, weswegen die Arbeiten in der Nacht, mit nur wenig künstlichem Licht, stattfinden müssen.

Inhalt des Grabes unbekannt

Was sie in dem Grab vorfinden werden, wissen die Experten, die unter anderem die Akropolis in Athen renoviert haben, nicht mit Sicherheit. „Es ist eine sehr herausfordernde Umgebung. Sehr tiefgründig und sehr aufregend“, sagte Antonia Moropoulou, eine Teamleiterin des griechischen Temas von der National Technical University von Athen zur „Washington Post“.

"Heiliges Feuer"-Zeremonie zum orthodoxen Osterfest in der Grabeskirche

Reuters/Yannis Behrakis

„Heiliges Feuer“: Zeremonie zum orthodoxen Osterfest in der Grabeskirche

Arbeit mit modernsten Methoden

Das Team arbeitet mit Radar- und Laserscannern sowie Drohnen, deren Handhabung in der beengten Arbeitsumgebung eine Herausforderung darstellt. Dabei wurde bereits ein bis dato unerkannter Bruch im Felsen des Grabes entdeckt. Möglicherweise entstand dieser durch den Druck, den die Säulen der darüber gebauten Kuppel auf den Stein ausgeübt hatten - Aufschluss darüber wird man erst erhalten, wenn Wissenschaftler im Grab selbst nachsehen können.

Religionswissenschaftlern zufolge könnten die ersten Anhänger der neuen Jesus-Bewegung seit 66 n. Chr. an dem Ort gebetet haben - etwa die Pilgerin Egeria berichtete im 4. Jahrhundert von Pilgerzügen, die am Grab Christi geendet hätten. Jesus soll die Grabstätte der Bibel zufolge von einem geheimen, wohlhabenden Jünger überlassen worden sein.

All das macht die Stätte zu einem alles andere als gewöhnlichen Restaurierungsobjekt. „Das ist kein archäologisches Monument“, sagte Patriarch Theophilos III., Oberhaupt der orthodoxen Kirche von Jerusalem, zur „Washington Post“. „Diese Steine sind nicht einfach nur Steine.“ Jedes Jahr zum orthodoxen Osterfest versammeln sich Tausende Christen in dem beengten Heiligtum, um das Wunder des „Heiligen Feuers“ zu sehen, wenn ein Bündel Kerzen am Grab angezündet und von Hand zu Hand weitergereicht werden - ein Symbol für die Auferstehung Christi und das Versprechen des ewigen Lebens.

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