Gänswein: Papst redet „zuweilen etwas unpräzise“
Gänswein gab der „Schwäbischen Zeitung“ in Ravensburg ein Interview (Montags-Ausgabe). „Es ist seine Art, so zu reden, auch auf die Gefahr hin, dass das Anlass zu Missverständnissen, mitunter auch zu abenteuerlichen Interpretationen gibt.“ Dies hänge aber auch mit der Medienberichterstattung zusammen, so Gänswein, der am 30. Juli seinen 60. Geburtstag feiert.
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Kontinuität in theologischer Überzeugung
Der deutsche Erzbischof betonte zugleich, dass es zwischen Papst Franziskus und seinem Vorgänger Benedikt hinsichtlich der Grundlinien ihrer theologischen Überzeugung eine Kontinuität gebe. Er halte seine frühere Aussage nach wie vor für richtig, dass in der Theologie kein Blatt Papier zwischen die Ansichten beider passe.
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Papst Franziskus ziehe das, wovon er überzeugt ist, unbeirrt durch und nehme auch keine Rücksicht auf Political Correctness. „Er wird auch weiterhin kein Blatt vor den Mund nehmen.“ Dadurch habe er für die Kirche viel Sympathie gewonnen.
Unterschiedliche Positionen zu Familienfragen
Mit Blick auf die zurückliegende Weltbischofssynode zu Familienfragen räumte Gänswein ein, dass es unterschiedliche Positionen in der Kirche zu Fragen von Familie, Ehe und Sexualität gebe.
Von der Aussage, dass ein Riss durch die Kirche gehe, halte er allerdings nicht viel. „Der Wahrheit halber ist aber auch hinzuzufügen, dass einige Bischöfe wirklich Sorge haben, dass das Lehrgebäude durch den Mangel an glasklarer Sprache Einbußen erleiden könnte.“
Risiko durch Interpretationsspielraum
Gänswein forderte klare Festlegungen in der Lehre der Kirche. Nach den Worten des Kurienerzbischofs sind Unsicherheiten, gelegentlich auch Konfusionen und ein Durcheinander in der Kirche gewachsen. „Wenn ein Papst in der Lehre etwas ändern will, dann muss er das deutlich sagen, damit das auch verbindlich ist“, sagte er.
„Wichtige Lehrauffassungen lassen sich nicht durch Halbsätze oder etwas offen formulierte Fußnoten verändern.“ Aussagen, die unterschiedliche Interpretationen ermöglichten, seien eine riskante Sache, nahm Gänswein Bezug auf die Diskussion über den Kommunionempfang wiederverheirateter Geschiedener.
Gegen Exkommunikation bei Kirchenaustritt
Von der deutschen Kirche forderte Gänswein ein Ende der Exkommunikation bei Kirchenaustritten: „Das scharfe Schwert der Exkommunikation bei Kirchenaustritt ist unangemessen und korrekturbedürftig.“
Es sei übertrieben und nicht nachvollziehbar, dass man nicht mehr Teil der Kirche sei, wenn man die Kirchensteuer nicht mehr zahlen wolle, fügte der 59-Jährige hinzu. „Man kann Dogmen infrage stellen, das tut keinem weh, da fliegt keiner raus. Ist denn das Nichtbezahlen von Kirchensteuer ein größeres Vergehen gegen den Glauben als Verstöße gegen Glaubenswahrheiten?“, fragte er.
Volle Kassen, leere Bänke
Gänswein beklagte zudem eine mangelnde Glaubensstärke und Ausstrahlung der Kirche in Deutschland. Während die Kassen klingelten, würden die Kirchenbänke immer leerer. „Wem ist gedient, wenn eine Diözese superreich ist, aber der Glaube nach und nach versickert?“, fragte er.
Es müsse die Frage diskutiert werden, ob die Kirchensteuerpflicht die einzig richtige und angemessene Form der Finanzierung kirchlicher Aufgaben sei. „Das viele Geld ermöglicht vieles, birgt in sich aber immer Erstickungsgefahr.“
Keine Ambitionen auf deutschen Bischofssitz
Er selbst habe keinerlei Ambitionen, einen deutschen Bischofssitz einzunehmen, erklärte der Kurienerzbischof. „Glauben Sie, dass ein Domkapitel, sollte jemals mein Name dort erscheinen, mich wählen würde? Wohl kaum. Das tut mir auch gar nicht weh“, sagte der Präfekt des Päpstlichen Hauses. „Das kirchliche Establishment hat von mir ein negatives Bild. Zu deren Liebling gehöre ich nicht.“
Als langjähriger Mitarbeiter der Glaubenskongregation, als Sekretär von Kardinal Ratzinger und Papst Benedikt, trage er offensichtlich ein „Kainsmal“, fügte der aus dem Schwarzwald stammende Gänswein hinzu. „Es ist irgendwie gelungen, mich in der Öffentlichkeit als Rechtsaußen oder Hardliner abzustempeln, ohne dafür je konkrete Beispiele zu nennen.“ Umgekehrt seien „die Domkapitel sind ja auch nicht gerade Ansammlungen höchster Loyalität Rom gegenüber“.
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