Hidschabs und Kreuzzeichen bei Olympia

Hatten die olympischen Spiele der Antike eine große religiöse Bedeutung, gelten die modernen Bewerbe als rein sportliche Angelegenheit. Doch ganz draußen bleibt die Religion auch im Jahr 2016 nicht.

Das ägyptische Beachvolleyball-Team der Damen, bestehend aus Nada Meawad und Doaa Elghobashy, brachte heuer Abwechslung in das vertraute Bild bunter Bikinis und Badehosen: Beide betraten den Sandplatz für das Spiel gegen Deutschland in langen Ärmeln und langen Hosen, Elghobashy bedeckte außerdem ihren Kopf mit einem Hidschab. Ein starker Kontrast zur üblichen Beachvolleyball-Bekleidung - Bikinis bei den Frauen und Shorts für Männer -, der weltweit nicht unbeachtet blieb.

Regellockerung für „kulturelle Öffnung“

Erst 2012, vor den Olympischen Spielen in London, hatte der Weltverband FIVB (Federation Internationale de Volleyball) die Bekleidungsregeln gelockert, wie die Agentur AP berichtete. Seitdem können Sportlerinnen mehr Stoff am Leib tragen als zuvor. FIVB-Sprecher Richard Baker sagte Anfang August, das sei mit der Absicht entschieden worden, das Spiel „kulturell zu öffnen“.

Olympia-Beachvolleyballerin Doaa Elghobashy beim Baggern

AP/Marcio Jose Sanchez

Doaa Elghobashy beim Baggern

In Hinblick auf die Teilnehmerzahl scheint das geholfen zu haben: Baker zufolge hatten sich für die Qualifikation zu den Spielen 2016 169 Länder beworben, für London waren es 143 gewesen. Auch Ägypten hatte sich zuvor noch nie für ein olympisches Volleyball-Turnier qualifiziert, weder bei den Herren noch bei den Damen: Meawad und Elghobashy sind also Pionierinnen. Es mache sie stolz, die ägyptische Flagge neben denen so vieler anderer Nationen so sehen, sagte Elghobashy am Montag laut AP.

Kein Gedanke an Hidschab

Was den Hidschab angeht, sagte die 19-Jährige, daran verschwende sie nie einen Gedanken. „Ich trage den Hidschab seit zehn Jahren“, so die Athletin nach ihrer Niederlage gegen die deutschen Beachvolleyballerinnen am Sonntag. „Es hält mich nicht von den Dingen ab, die ich gerne tue, und Beachvolleyball ist eines davon.“

Als erste US-Sportlerin mit Hidschab startete Säbelfechterin Ibtihaj Muhammad in die Olympischen Spiele. Auch die 30-jährige Fechterin gibt auf Fragen an, durch ihr Kopftuch nicht beeinträchtigt zu sein. Lediglich die wiederholten Fragen, wie etwa die, ob sie unter der Kopfbedeckung nicht schwitze, seien „zermürbend“, wie sie gegenüber der „New York Times“ (Onlineausgabe von Montag) sagte.

US-Fechterin Ibtihaj Muhammad

Reuters/Issei Kato

Säbelfechterin Ibtihaj Muhammad: „Mädchen zeigen, dass es wichtig ist, aktiv zu sein.“

Viele Menschen in den USA, sowohl Muslime als auch Nichtmuslime, glaubten nicht an Frauen als Teilnehmerinnen an sportlichen Bewerben, so Muhammad gegenüber der Zeitung. „Ich will kulturelle Normen brechen und Mädchen zeigen, dass es wichtig ist, aktiv zu sein; es ist wichtig, im Sport beteiligt zu sein“, sagte die Fechterin. Noch zahlreiche weitere Frauen treten mit Kopftuch an.

Kritik: Glaube, nicht Sport im Vordergrund

An Kritik an ihrem Auftreten mangelt es nicht, sowohl in Onlineforen als auch in internationalen Medien. Internetnutzer schimpften auf die Ägypterinnen oder lobten das Ganze als Völkerverständigung und Wiederentdeckung des olympischen Gedankens, so ein Bericht des dpa-Korrespondenten Simon Kremer vom Mittwoch. Die bekannte Publizistin Sineb el Masrar („Emanzipation im Islam - Eine Abrechnung mit ihren Feinden“) sagte: „Durch das Kopftuch rückt der Glaube in den Vordergrund und nicht mehr der Sport.“ Musliminnen hätten schon früher olympische Erfolge gefeiert, ganz ohne Verhüllung.

Die brasilianische Schwimmerin Joanna Maranhao

Reuters/Sergio Moraes

Schwimmerin Joanna Maranhao: Bitte um himmlischen Beistand

Vielleicht weniger auffällig, aber nicht minder gläubig setzen auch christliche Sportlerinnen und Sportler ihr Vertrauen in Gott: Die US-amerikanische Zeitung „Christian Today“ zählte vor einigen Tagen in ihrer Onlineausgabe tiefgläubige Olympioniken auf. Die Schwimmerin Madeline DiRado etwa sagte im Interview: „Mein Glaube hat mir geholfen, meinen eigenen Kurs festzusetzen und meine Ziele zu verfolgen.“ Gleichzeitig machte sie klar: „Ich glaube nicht, dass Gott mein Schwimmen wirklich viel bedeutet.“ Es ins olympische Team zu schaffen sei nicht ihr Lebensziel.

Mit Kreuzzeichen ins Rennen

Vertraut ist Zusehern der Anblick sich bekreuzigender Olympioniken, so gesehen etwa bei der brasilianischen Schwimmerin Joanna Maranhao am Dienstag im Vorlauf über 200 m Delfin. Andere Sportler danken Gott mit zum Himmel gehobenen Händen und bitten mit Stoßgebeten um Beistand.

Es fehlt im Umfeld der Spiele auch nicht an Seelsorgern: So ist Österreichs Olympiaseelsorger Johannes Paul Chavanne in Rio de Janeiro als geistlicher Betreuer für die Athleten da, im „Multi Faith Centre“ im olympischen Dorf hält er Gottesdienste ab. Dort werden allen Religionsgemeinschaften geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. „Ich biete das an, und das wird auch angenommen. Ich frage nicht nach dem Taufschein, es kann jeder kommen“, sagte der in Heiligenkreuz beheimatete Wiener Ordenspriester kurz vor Beginn des Sportgroßevents im Gespräch mit der APA. Oft sei aber auch schon „ein einfaches Gebet zwischen Tür und Angel viel wert“.

Kanute und buddhistischer Priester Kazuki Yazawa

APA/AP/Kirsty Wigglesworth

Kanute und buddhistischer Priester: Kazuki Yazawa

Ein wenig abseits der meistbeachteten Bewerbe findet sich auch ein religiöser Vertreter einer der asiatischen Religionen: Der Kanute Kazuki Yazawa startet bei Olympia für Japan, ist aber gleichzeitig buddhistischer Priester im Zenkoji Daikanjin Tempel in Nagano - der Stadt der Olympischen Winterspiele 1998.

religion.ORF.at/APA/dpa/AP

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