Pfarrerinnen: Wenn Frauen Kirche tragen

Während die katholische Kirche noch mit sich ringt, ob sie Diakoninnen zulassen soll, gibt es in der evangelischen Kirche längst Frauen in kirchlichen Leitungsämtern, darunter viele Pfarrerinnen.

76 evangelische Pfarrerinnen gibt es derzeit in Österreich und 187 Pfarrer. Seit 1965 sind Frauen zum Amt zugelassen. Zwei von ihnen sind Gabriele Lang-Czedik und Helene Lechner. Sie leiten gemeinsam die große Doppelpfarre Liesing im 23. Wiener Gemeindebezirk. Die „Amtsführung“ hat Lang-Czedik, „aber wir leiten die Pfarrgemeinde zusammen, gemeinsam mit unserem ehrenamtlichen Leitungsteam, dem Presbyterium“, sagt die Pfarrerin im Gespräch mit religion.ORF.at.

In Wirklichkeit zwei Berufe

Was bedeutet es, heute in Österreich Pfarrerin zu sein? Zunächst einmal, so Lang-Czedik, seien es eigentlich zwei Berufe, denn jeder Ortspfarrer und jede Ortspfarrerin gebe auch Religionsunterricht im Ausmaß einer 40-prozentigen Lehrverpflichtung an einem oder mehreren Gymnasien. Das seien mit Vorbereitung gewöhnlich 16 Wochenstunden zusätzlich zur Arbeit in der Pfarre. Es müssten also zwei verschiedene Arbeitsbereiche mit eigenen Regeln, Terminplänen und Konferenzen in Einklang gebracht werden.

Pfarrerinnen Helene Lechner (li.) und Gabriele Lang-Czedik

Hans Schröpfer

Die Pfarrerinnen Helene Lechner (l.) und Gabriele Lang-Czedik

Mit etwa 50 bis 70 Stunden beziffern beide Frauen ihre Wochenarbeitszeit, Arbeit, die zum Teil von zu Hause erledigt wird. Es gibt viele Abendtermine - mit einer Familie könne das eine Herausforderung sein, auch wenn man sich vieles selber einteilen könne, so die Pfarrerinnen. Lang-Czedik arbeitete deshalb nur als Religionslehrerin, als ihre Kinder klein waren, und erst dann auch im Pfarramt. Lechners Ehemann ist derzeit mit ihrem kleinen Sohn in Karenz, danach werde man weitersehen. Doch sie weiß sehr gut, was auf sie zukommt: Ihre Mutter war ebenfalls Pfarrerin.

„Sehr lebendige“ Gemeinde

Ihre Gemeinde beschreiben die beiden Pfarrerinnen als „sehr lebendig, eine Familienzuzugsgemeinde“. Sichtlich stolz sind sie auf die vielen Jugendlichen, die sich in der Gemeinde engagieren. 37 „Konfis“, Konfirmanden, betreut die Gemeinde derzeit. Dabei und bei vielen anderen Angelegenheiten der Pfarre helfen rund 150 ehrenamtliche Mitarbeiter. Sie kommen in den verschiedensten Bereichen zum Einsatz, vom Chor bis zu kleineren Reparaturarbeiten.

Ehrenamtliche haben auch großen Anteil an den Gottesdiensten. In der evangelischen Kirche können Lektoren, die eine eigene Ausbildung gemacht haben, einen Gottesdienst abhalten, auch Gastprediger werden eingeladen. In den Gottesdiensten bemühen sich die Pfarrerinnen der Gemeinde Liesing um einen „familiengemäßen“ Zugang. Kinder und Jugendliche werden aktiv einbezogen.

Pfarrerinnen Gabriele Lang-Czedik, Helene Lechner (Mi.) und Kurator Christian Kikuta

Hans Schröpfer

Lang-Czedik, Lechner (M.) und Kurator Christian Kikuta

In manchen Gottesdiensten gibt es „Mitmachaktionen“ und Diskussionen, Plakatgestaltung und kleine Szenenspiele. „Die Leute nehmen das gut an“, es komme viel gutes Feedback, so Lechner. Derzeit kommt zu den üblichen Pflichten noch das Großprojekt Umbau der Pfarrkirche hinzu, die Bauleitung hat Lang-Czedik gemeinsam mit dem ehrenamtlichen Kurator Christian Kikuta inne. „Ohne Ehrenamtliche geht gar nichts“, sagte auch die evangelische Oberkirchenrätin Ingrid Bachler, die Personalreferentin des Evangelischen Oberkirchenrates A.B. in Österreich, zu religion.ORF.at.

Studium und Lehrzeit

Voraussetzung für den „kirchlichen Dienst“ ist ein evangelisches Theologiestudium, danach folgen drei Jahre Ausbildung. Davon sind zwei Jahre Lehrvikarin bei einer Lehrpfarrerin zu absolvieren, im dritten Jahr übernimmt der Pfarramtskandidat oder die -kandidatin schon eine eigene Pfarrstelle und wird dabei nur noch von einem erfahrenen Pfarrer oder einer Pfarrerin begleitet.

Oberkirchenrätin der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich, Fachinspektorin Mag. Ingrid Bachler

epd/Uschmann

Oberkirchenrätin Ingrid Bachler

Zur Ausbildung gehört der Besuch eines Predigerseminars, in dem Seelsorge, Predigtlehre, Kirchenrecht und anderes gelehrt werden. Dabei liege zwar der Schwerpunkt auf der Praxis, so Lang-Czedik, es würden aber auch wissenschaftliche Arbeiten verfasst. Am Schluss ist ein Examen abzulegen. „In Ausbildung kann man überall hingeschickt werden“, erzählen die beiden Pfarrerinnen. Als ideal gilt, „einmal Stadt, einmal Land“ kennenzulernen und auch einmal die Diözese zu wechseln. Persönliche Wünsche würden gewöhnlich berücksichtigt.

Wahl ist demokratischer Prozess

In Wien ist die Hälfte aller evangelischen Pfarrstellen Doppelpfarren. Für eine Dienststelle muss man sich im Amtsblatt bewerben. Die Wahl einer neuen Pfarrerin oder eines neuen Pfarrers sei in der evangelischen Kirche ein demokratischer Prozess, so Oberkirchenrätin Bachler. Nach einem Probegottesdienst gibt es ein offenes Hearing in der Gemeindevertretung, dann folgt die Wahl, zu der jedes (konfirmierte) Gemeindemitglied ab 14 Jahren berechtigt ist. Die Amtszeit beträgt zwölf Jahre, es gibt aber auch kürzere Verträge.

Vor Lechner hatte Lang-Czedik einen männlichen Kollegen. Als sich dann eine zweite Frau für den Posten bewarb, habe es zunächst schon Bedenken in der Gemeinde gegeben, erzählt sie. Dann aber sei die junge Pfarrerin „sehr begeistert von Jugend und Gemeinde“ aufgenommen worden. Die Reaktionen der Leute auf Pfarrerinnen seien bis etwa 1980 zum Teil noch eigenartig ausgefallen, so Lang-Czedik. Als junge Pfarrerin habe sie schon einmal gehört: „Könnte nicht bitte ein Mann kommen, ein richtiger Pfarrer?“ Dieselben Leute hätten dann aber ihre Einfühlsamkeit gelobt.

„Exotin in doppelter Hinsicht“

Lechner hörte auch schon schale Komplimente in der Art, mit einem hübschen Gesicht sei die Predigt egal. Sie fühle sich in ökumenischen Sitzungen manchmal als „Exotin in doppelter Hinsicht“, so Lechner: jung und Frau. In der Seelsorge bemühe sie sich um einen spezifisch weiblichen Zugang, erzählt Lang-Czedik. Das beinhalte auch „Empowerment“, eine Stärkung der Frauen. Wie das geht? „Nicht von Normen ausgehen. Immer auf der Seite der Frau sein“ - so kann feministische Seelsorge aussehen.

Pfarrerin Helene Lechner bei der Predigt

Johannes Schröpfer

Lechner zelebriert den Gottesdienst

Ein weiteres längerfristiges Projekt der beiden Pfarrerinnen ist die Zusammenarbeit mit dem nahe gelegenen Flüchtlingsheim in der Ziedlergasse - jenem Standort, gegen den es im Februar schon vor der Eröffnung große Anrainerproteste gegeben hatte. Zum Zeichen der Solidarität mit den Flüchtlingen entschloss sich die Evangelische Pfarrgemeinde Liesing, ein Zeichen zu setzen und die katholischen Pfarren zum Mitmachen einzuladen: Am 14. März läuteten für zehn Minuten die Kirchenglocken fast aller Liesinger Pfarrgemeinden.

„Herzliche Verbindung“ zu Flüchtlingsheim

Man habe eine „herzliche Verbindung“ zu dem Asylwerberheim, so die Pfarrerinnen. Es würden Kontakte hergestellt, außerdem gebe es einige Taufwerber unter den Asylsuchenden (sie sind nicht aus der Ziedlergasse) - zwei wurden bereits getauft. Im Rahmen des Unterrichts vermittelt Lang-Czedik unter anderem „westliche Werte“ wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Und seit Anfang Oktober wird im Gemeindesaal der Pfarrgemeinde zweimal pro Monat persisch gekocht, von hier integrierten Flüchtlingen für Flüchtlingsfamilien aus der Ziedlergasse und für österreichische Gemeindeglieder. Jedes Mal kämen dabei 40 bis 50 Menschen zum Essen zusammen, so die Pfarrerin.

Frauen im Schatten

Über die zaghafte Tendenz in der katholischen Kirche, Frauen den Zugang zu Weiheämtern zu ermöglichen, freuen sich die beiden Pfarrerinnen. „Ich kenne viele theologisch sehr begabte katholische Frauen“, so Lang-Czedik. Auch Oberkirchenrätin Bachler hebt die „bewundernswerte Arbeit“ von katholischen Frauen, etwa Pastoralassistentinnen, hervor: „Sie spüren den Ruf, arbeiten genau das Gleiche, aber stehen im Schatten.“

In der evangelischen Kirche seien Frauen „völlig gleichgestellt“. Bachler schätzt den Beruf eines Pfarrers, einer Pfarrerin als „familienfreundlich“ ein, auch betont sie, dass es die gleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit gibt. Dass es auch in der evangelischen Kirche so wenige Frauen in höhere Ämtern zieht - obwohl sie ihnen durchaus angeboten würden -, bedauert die Oberkirchenrätin. Einer der Gründe könnte sein, dass Frauen recht realistisch einschätzen könnten, was so ein Amt mit sich bringt. Ein Mann sehe die Chancen für seine Karriere, eine Frau sehe, „was das für ein Arbeit ist“.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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