Protestanten: Vertrieben, geduldet, gleichgestellt

Die von Deutschland ausgehende Reformation hat auch die Geschichte Österreichs wesentlich geprägt. Protestanten wurden hierzulande bekämpft, vertrieben, schließlich geduldet und letztendlich gesetzlich mit anderen Religionsgemeinschaften gleichgestellt.

Historiker gehen davon aus, dass gegen Ende des 16. Jahrhunderts mehr als zwei Drittel der Bevölkerung auf heutigem österreichischen Staatsgebiet mit der Reformation sympathisierten. War der Großteil eher lutherisch geprägt, gab es etwa in Tirol viele Täufer, während Vorarlberg im Einflussgebiet der Schweizer Reformation lag.

Ausdruck des Protests

Für einige war das Bekenntnis zur Reformation weniger religiös motiviert als vielmehr Ausdruck des Protests gegen die bestehenden sozialen Verhältnisse. Der großen Resonanz in der Bevölkerung stand die ablehnende Haltung der katholischen Habsburger gegenüber, die von Anfang an die Ausbreitung der Reformation mit Strafen und Verboten bekämpften.

Nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 kam dem Landesherrn das Recht zu, die Religion seines Territoriums zu bestimmen. Kaiser Ferdinand II. bekräftigte jedoch seine harte Haltung gegenüber der vermeintlichen Ketzerei, womit die systematische Rekatholisierung der habsburgischen Erblande erfolgte.

Portait von Martin Luther.

dpa/ Ingo Wagner

Martin Luther

Geheimprotestantismus entsteht

Im Zuge der Gegenreformation wurden nicht nur zahlreiche protestantische Kulturgüter unwiederbringlich zerstört. Die Devise „Wes Land, des Religion“ stellte Evangelische vor die „Wahl“, entweder zur katholischen Kirche zurückzukehren oder auszuwandern. So emigrierten zwischen dem späten 16. Jahrhundert und dem beginnenden 18. Jahrhundert bis zu 200.000 Menschen aus Glaubensgründen. Für viele war aber auch eine Rückkehr zum Katholizismus die einzig mögliche Alternative, woraus der sogenannte Geheim- oder Kryptoprotestantismus entstand.

Nach außen hin katholisch, hielten viele Menschen insgeheim an ihren Überzeugungen fest. Vor allem in den schwer zugänglichen Gebirgstälern Kärntens und Oberösterreichs konnte so evangelisches Glaubensgut über Jahrzehnte hinweg bewahrt werden. Unerlässlich für das geistliche Überleben waren Bücher, neben der Bibel etwa Andachts- und Liederbücher. Die verbotenen Schriften mussten vor den Behörden versteckt werden, Abendmahlfeiern wurden durch heimlich eingeschleuste Geistliche aus Deutschland oder Westungarn abgehalten.

Toleranz für Protestanten

Mit dem Erlass des Toleranzpatents 1781 unter Kaiser Josef II wurde das Untergrunddasein des Protestantismus beendet. Wo hundert evangelische Familien lebten, konnte ein Bethaus errichtet werden, welches allerdings von außen nicht als Kirche erkennbar sein durfte. Auch die Einrichtung von Schulen sowie die Berufung von Lehrern und „Pastoren“ wurde ermöglicht, „Pfarrer“ durfte sich allerdings niemand nennen. Auch sonst gab es noch diskriminierende Bestimmungen, etwa bei interkonfessionellen Ehe. Im Anschluss an die Verlautbarung des Toleranzpatents bekannten sich 80.000 Menschen im Gebiet des heutigen Österreich zum evangelischen Glauben.

Die ehemaligen Geheimprotestanten gründeten „Toleranzgemeinden“, die zum Fundament der neuen Evangelischen Kirche in Österreich wurden. Nach der Übermittlung eines Forderungskatalogs im Revolutionsjahr 1848 durch evangelische Geistliche und Bürger an die Regierung fielen mit dem Erlass des damaligen Innenministers Franz Graf Stadion die bis dahin geltenden diskriminierenden Bestimmungen des Toleranzpatents: Der Konfessionswechsel wurde freigegeben, interkonfessionelle wurden den monokonfessionellen Ehen gleichgestellt.

Evangelische Kirche wächst

Mit dem Protestantenpatent von 1861 sicherte Kaiser Franz Joseph I. den Evangelischen die volle Freiheit des Bekenntnisses und der öffentlichen Religionsausübung zu: Evangelische waren berechtigt, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln und Vereine zu gründen. Auch erhielt die evangelische Kirche von diesem Zeitpunkt an jährlich einen Betrag aus staatlichen Mitteln, das sogenannte Staatspauschale.

Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund ungelöster Nationalitätenkonflikte entstandene „Los-von-Rom-Bewegung“ brachte der Evangelischen Kirche bis 1914 einen bedeutenden Zuwachs. Weil diese nationale und religiöse Zugehörigkeit und damit Deutschtum und Protestantismus miteinander verknüpfte, erfolgten viele Übertritte allerdings kaum aus religiösen, sondern vielmehr aus rein politischen Motiven. 1921 wurde das Burgenland mit seinem verhältnismäßig hohen Protestantenanteil in den österreichischen Staatsverband eingegliedert.

Nähe zum NS-Regime

Der katholisch ausgerichtete Austrofaschismus stellte die Evangelische Kirche erneut vor eine starke Belastungsprobe. Weil viele Protestanten das katholische Österreich als Heimat ablehnten, sehnten sich viele nach dem „Mutterland der Reformation“ - und verkannten die Gefahren des Nationalsozialismus. Die Kirche diente sich den nationalsozialistischen Machthabern an. Dennoch gab es auch auf evangelischer Seite einzelne Widerstandskämpfer und -gruppen. Erst spät wurde die Rolle im Nationalsozialismus aufgearbeitet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verzeichnete die Evangelische Kirche Österreichs durch den Flüchtlingsstrom aus den ehemals deutschen Gebieten erneut einen starken Zuwachs. Der höchste Mitgliederstand wurde 1962 mit rund 430.000 Protestanten erreicht. Heute regelt das Protestantengesetz, welches das österreichische Parlament 1961 beschlossen hat, das Verhältnis von Staat und Evangelischer Kirche. Nach dem Motto „Freie Kirche im freien Staat“ wird den Institutionen uneingeschränkte Selbstständigkeit zugesichert.

Drei evangelische Kirchen

Heute bezeichnen sich drei Kirchen in Österreich als evangelische Kirchen: die Evangelische Kirche A.B. ("Augsburger Bekenntnis, Lutherische Kirche), die Evangelische Kirche H.B. (Helvetisches Bekenntnis, Reformierte) und die Evangelisch Methodistische Kirche.

Zur Lutherischen Kirche gehören rund 310.000 Mitglieder in 194 Pfarrgemeinden, die in sieben Diözesen zusammengefasst sind. Die Reformierte Kirche zählt rund 14.000 Mitglieder in neun Pfarrgemeinden. Gemeinsam sind das rund 3,8 Prozent der österreichischen Bevölkerung. Dazu kommen noch rund 1.500 Mitglieder in neun Gemeinden der kleinen Methodistischen Kirche in Österreich.

religion.ORF.at/APA

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