Papst erlaubt Vergebung der Abtreibung

Papst Franziskus hat Priestern auch nach Abschluss des Heiligen Jahres erlaubt, Frauen die Abtreibung zu vergeben. Ursprünglich sollte dieses Zugeständnis nur für den Zeitraum des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit gelten.

„Ich gewähre von nun an allen Priestern die Vollmacht, kraft ihres Amtes jene loszusprechen, welche die Sünde der Abtreibung begangen haben“, heißt es in dem Apostolischen Schreiben „Misericordia et misera“, das zum Abschluss des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit am Montag veröffentlicht wurde.

Ursprünglich sollte dieses Zugeständnis nur für den Zeitraum des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit gelten, das am vergangenen Wochenende zu Ende gegangen ist. Dies werde nun ausgedehnt, „unbeachtet gegenteiliger Bestimmungen“.

Papst Franziskus

Reuters/Alessandro Bianchi

Papst Franziskus erlaubt Priestern, Abtreibungen zu vergeben

Frauen unter Druck

Er wisse um den Druck, der viele Frauen zu dieser Entscheidung geführt habe, hatte Franziskus in einem Schreiben zur Sündenvergebung im Heiligen Jahr formuliert. Franziskus betonte jedoch, die Abtreibung sei „eine schwere Sünde, da sie einem unschuldigen Leben ein Ende setzt“. Jedoch gebe es keine Sünde, die durch die Barmherzigkeit Gottes nicht erreicht und vernichtet werden könne.

Abtreibung Exkommunikationsgrund

Eigentlich sieht die katholische Kirche die Exkommunikation für jene vor, die eine Abtreibung vorgenommen haben: Nicht nur die Frau selbst, sondern auch der Abtreibungsarzt und der Partner, wenn er die Frau zur Abtreibung gedrängt hat, sind automatisch vom Empfang der Sakramente - auch des Bußsakraments - ausgeschlossen.

Dies kann normalerweise nur der Bischof oder ein von ihm beauftragter Priester nachlassen. Erst danach kann die Frau zur Beichte gehen. Nach dem Kirchenrecht kann in Einzelfällen allerdings auch jetzt schon ein Priester im Beichtstuhl den Strafnachlass gewähren und die Absolution ohne vorherigen Amtsweg erteilen. Rein rechtlich müsste sich die Frau dann allerdings nachträglich noch einmal vom Bischof bestätigen lassen, dass sie nicht mehr exkommuniziert ist.

Papst: „Revolution der Zärtlichkeit“ nötig

Papst Franziksus blickte in einem langen Fernsehinterview auf das „Jahr der Barmherzigkeit“ zurück. Das Heilige Jahr habe wohl „keine spektakulären Dinge“ bewirkt, aber vieles angestoßen, so sein Eindruck. „Ich glaube, der Herr wird gute, einfache, alltägliche Dinge im Leben der Menschen wachsen lassen“, sagte der Papst im Gespräch mit dem italienischen Sender TV2000, das am Sonntagabend ausgestrahlt wurde. Das 40-minütige Interview war das erste, das der Papst einem europäischen Fernsehsender gewährte.

Hartherzigkeit und Geld

Barmherzigkeit sei in der Gegenwart wichtig, da die Welt vor allem an der Krankheit der „Hartherzigkeit“ leide, betonte Franziskus. Als Medikament sei eine „Revolution der Zärtlichkeit“ nötig. Eine stärkere und offene Verkündigung der Barmherzigkeit Gottes sei eine Notwendigkeit in einer Welt, die von Egoismus und Entwürdigung des Menschen geprägt sei. Zunehmend orientiere sie sich nur mehr am Geld, „dem größten Feind Gottes“ und „Einfallstor des Teufels“. Geld sollte ein Werkzeug sein, das dem Menschen diene, nicht umgekehrt. Aber oft mache er sich zu dessen Sklaven, kritisierte Franziskus.

Hartherzigkeit führt nach seinen Worten auch dazu, Menschen als Abfallprodukt zu sehen. Als Beispiel verwies er indirekt auf die Bombardierung von Aleppo: Bomben würden auch auf Krankenhäuser und Schulen abgeworfen, Menschenleben dabei weggeworfen.

Kritik an skrupellosem Waffenhandel

Auch beim internationalen Waffenhandel sei das Problem sichtbar. Im stattfindenden „Dritten Weltkriegs in Stücken“ werde mit dem Waffenverkauf großes Geld gemacht, wobei immer an beide Seiten verkauft werde. Für Waffenfabrikanten und Waffenhändler habe ein Leben kaum einen Wert. Ein Deutscher habe ihm einmal gesagt: „Das Billigste heute ist das Leben“, sagte der Papst auf Deutsch. Alle Staaten sollten sich jedoch den Wert eines jeden einzelnen Menschenlebens vor Augen halten, der höher sei als der jedes territorialen Gewinns.

Vor Herzenshärte müsse sich jedoch auch die Kirche hüten. Übertriebene moralische Strenge sei gleichzusetzen mit Einnehmen des Richter-Amtes, und das sei nicht die Haltung Jesu. Bei Gott seien Gerechtigkeit und Barmherzigkeit praktisch zwei Seiten einer Medaille: „Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sind in Gott dieselbe Sache: Die Barmherzigkeit ist gerecht, und die Gerechtigkeit ist barmherzig, und man kann das nicht trennen.“

Lebenslange Haft ist „verkappte Todesstrafe“

Als unmenschlich kritisierte der Papst lebenslange Haftstrafen. Jede „Strafe ohne Hoffnung“ sei weder christlich noch human, sagte er. Eine unbefristete Inhaftierung, die keine Chance auf Resozialisierung biete, sei eine „verkappte Todesstrafe“. Ein Gefängnis müsse dagegen „wie ein Fegefeuer“ auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereiten.

Franziskus räumte ein, es könne Straftäter geben, die aufgrund ihrer psychischen Voraussetzungen keine Wiedereingliederung erwarten ließen. Solche Personen müssten wenigstens innerhalb der Strafanstalten die Möglichkeit erhalten, sich durch Arbeit oder kulturelles Schaffen als nützliche Glieder der Gesellschaft zu fühlen.

Gegen Freier und Schmeichler

Der Papst kritisierte auch Männer, die zu Prostituierten gehen. „Wissen die denn nicht, dass sie mit diesem Geld, mit dem sie sich sexuelle Befriedigung verschaffen, den Zuhältern helfen?“, fragte Franziskus. Menschenhandel und Zwangsprostitution hatte der Papst bereits wiederholt kritisiert. Mehrfach sprach er in diesem Zusammenhang von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Lobhudelei kann der Papst nach eigenen Angaben schwerer ertragen als unfaire Angriffe. „Ich habe eine Allergie gegen Schmeichler“, sagte er. Schmeichler - oder nach einem Dialektausdruck seiner Heimatstadt Buenos Aires „Sockenlecker“ - wollten andere mehr oder weniger offensichtlich für sich selbst einspannen, so Franziskus. Die Abneigung gegen solche Leute liege ihm in der Natur und sei „keine Tugend“. Verleumdungen hingegen nehme er gelassen hin. „Ich hab’s verdient, weil ich ein Sünder bin“, sagte Franziskus. Üble Nachrede bringe ihn zum Nachdenken über sich selbst, auch wenn der Betreffende nicht wisse, was er, Franziskus, sich tatsächlich vorzuwerfen habe.

religion.ORF.at/dpa/KAP

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