EGMR: Muslime müssen in Schwimmunterricht

Obligatorischer Schwimmunterricht verletzt die Religionsfreiheit nicht: So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag im Fall zweier Schülerinnen aus der Schweiz geurteilt, wie die „Basler Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe) berichtete.

Zwei muslimische Eltern aus Basel hatten sich vor dem Gerichtshof in Straßburg dagegen gewehrt, ihre Töchter zum gemischten Schwimmunterricht zu schicken - mit der Begründung, ihr Glaube verbiete das, wie die dpa berichtete.

Frau im Burkini

APA/dpa/Rolf Haid

Muslimische Mädchen sollen am Schwimmunterricht teilnehmen

Die sieben und neun Jahre alten Mädchen besuchten laut „Basler Zeitung“ im August 2008 eine Primarschule. Dem obligatorischen Schwimmunterricht blieben sie jedoch fern. Gespräche mit den Eltern, welche die Schweizer und die türkische Staatsbürgerschaft haben, hätten nicht gefruchtet.

Eltern mussten Geldstrafe zahlen

Das Schweizer Erziehungsdepartement erlegte den Eltern deshalb im Juli 2010 eine Geldstrafe von umgerechnet rund 1.300 Euro auf. Die schweizerischen Rekurs- und Beschwerdeinstanzen hätten die dagegen eingelegten Rechtsmittel abgewiesen, sodass die Eltern an den EGMR in Straßburg gelangten, schreibt die „Basler Zeitung“. Der Gerichtshof halte in seinem Urteil fest, dass er die Erwägungen des Bundesgerichts stütze. Dieses hatte in seinem Urteil die große Bedeutung der Integration ausländischer Kinder in die Schweizer Gesellschaft betont.

Aufgrund des vorliegenden Falls bestehe kein Anlass, die im Oktober 2008 festgelegte Rechtsprechung zu ändern, so der EMGR laut dem Zeitungsbericht. Das Bundesgericht hielt damals fest, dass die multikulturelle Schulrealität verlange, dass Kinder aus allen Kulturen in die in der Schweiz geltenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eingebunden würden.

Mädchen dürfen Burkinis tragen

Das Grundrecht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit werde durch die verpflichtende Teilnahme an Schwimmklassen nicht eingeschränkt, urteilten die Straßburger Richter. Außerdem sei es den Mädchen gestattet worden, Burkinis zu tragen. Die Eltern hatten mit ihrem strengen Glauben argumentiert und mit einer „islamisch orientierten Schamerziehung“, der ein gemischtgeschlechtlicher Schwimmunterricht zuwiderlaufe.

Keine Befreiung in Österreich

In Österreich gab es bisher keinen Fall, in dem gegen Eltern von Musliminnen Strafen wegen der Nichtteilnahme am Schwimmunterricht verhängt wurden. Natürlich gebe es aber Diskussionen zu dem Thema, hieß es am Dienstag auf APA-Anfrage aus dem Wiener Stadtschulrat und dem Bildungsministerium. Die Rechtslage sei klar: Die Teilnahme am Schwimmen im Rahmen des Sportunterrichts sei verpflichtend.

In Österreich ist Schwimmen Teil des Unterrichts im Fach Bewegung und Sport - eine Teilnahme ist damit verpflichtend. Ab der fünften Schulstufe findet der Unterricht zwar grundsätzlich getrennt nach Geschlechtern statt. Allerdings bedeutet das im Fall des Schwimmens nur, dass die Mädchen und Buben in getrennten Gruppen, aber gleichzeitig im selben Schwimmbad unterrichtet werden.

Rechtlich schwer fassbar

Rechtlich ist der Bereich aber oft schwer fassbar: Der Schwimmteil des Sportunterrichts variiert und ist oft nur auf wenige Stunden beschränkt. Etwaige Streitfälle können daher mehr oder weniger inoffiziell durch Entschuldigungen wegen Krankheit etc. überbrückt werden. Im Schweizer Fall hatten die Eltern dagegen offiziell um eine Befreiung aus religiösen Gründen angesucht, eine Strafe akzeptiert und diese durch alle Instanzen gefochten.

Im Wiener Stadtschulrat räumt man ein, dass die Teilnahme muslimischer Mädchen am Schwimmunterricht an manchen Schulen durchaus ein Thema sei - „aber sicher nicht das große Thema“. Probleme versuche man im Gespräch zu klären. Zu einer Zuspitzung samt Befassung der Behörde sei es bisher nicht gekommen.

Urteil mit Signalwirkung

In dem Schweizer Fall haben die klagenden Eltern drei Monate Zeit, um eine erneute Befassung des Gerichts zu verlangen. Die Richter müssen dem aber nicht stattgeben. Urteile des Menschenrechtsgerichts haben grundsätzlich Signalwirkung in ähnlichen Fällen. Die Europäische Menschenrechtskonvention gilt für alle 47 Mitgliedsländer des Europarats.

religion.ORF.at/dpa/APA

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